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# taz.de -- Klimawandel: Zeitbombe im Permafrost
> In den Permafrostböden der Arktis lagert genug Treibhausgas, um noch
> einmal soviel freizusetzen, wie der Mensch in den vergangnen 150 Jahren.
> VON REINHARDT WOLFF
Bild: Im Eis des Nordens lagern nicht nur alte Mammuts, sondern auch jede Menge…
STOCKHOLM taz | Steigende Temperaturen in arktischen Regionen können zu
einer verstärkten Erwärmung des gesamten Globus führen. Dies befürchten
norwegische Forscher, die sich mit dem Klimapotenzial der im
Dauerfrostboden Permafrost eingeschlossenen Kohlenstoffvorräte beschäftigt
haben.
"Aus diesem Untergrund könnte eine gefährliche und sich selbst verstärkende
Spirale ihren Ausgang nehmen", sagt der Biologe Arne Grønlund von Bioforsk.
Dieses dem Landwirtschaftsministerium in Oslo zugeordnete staatliche
Forschungsinstitut hat jetzt errechnet, dass 200 Milliarden Tonnen
Kohlendioxid aus Permafrostgebieten in der Arktis aufgrund der dort
steigenden Temperaturen in den nächsten 100 Jahren in die Erdatmosphäre
freigesetzt werden könnten.
Grønlund: "Das entspricht fast der Gesamtmenge, die auf der Erde in den
letzten 150 Jahren durch Verbrennung der fossilen Brennstoffe Kohle und Öl
frei wurde."
Permafrostböden entstehen, wenn die Lufttemperatur im Jahresmittel so
niedrig ist, dass allenfalls die obersten Meter des Bodens im Sommer
auftauen. Derart dauerhaft seit der letzten Eiszeit tiefgefroren ist etwa
ein Viertel der Landfläche der Nordhalbkugel. Hierzu gehören fast ganz
Sibirien und Alaska, aber auch 40 Prozent der Fläche Kanadas und innere
Hochregionen in den nördlichen Gebieten Skandinaviens. In Teilen Sibiriens
ist der Permafrostboden bis zu eineinhalb Kilometer dick.
Liegen die Temperaturen einige Jahre über dem normalen Niveau, beginnt aber
auch die Oberfläche dieser Gefriertruhe immer tiefer aufzutauen. Mit diesem
Prozess wird der Kohlenstoff frei, der sich in tieferen Schichten
angelagert hat und bislang eingeschlossen war. Arktische Pflanzenarten
wachsen langsam, haben nur einen relativ geringen Anteil oberirdischer,
dafür einen hohen an unterirdischer Biomasse. Im Laufe der Erdentwicklung
haben sich aus deren Verrottungsprozess in Permafrostregionen
Kohlenstoffsenken gebildet, deren Umfang auf 750 Milliarden Tonnen
geschätzt wird.
"Ein erschreckend hohes Potenzial, das da als Methan und Kohlendioxid in
die Atmosphäre freigesetzt werden kann", befürchtet Grønlund. Zwar
bestünden 500 Milliarden der 750 Milliarden Tonnen dieses im Permafrost
eingeschlossenen Kohlenstoffs aus Pflanzen- und Tierresten, die seit über
30.000 Jahren in sehr tiefen Lagen konserviert seien. Doch angesichts der
prognostizierten Temperaturentwicklung müsse in den kommenden 100 Jahren
mit der Freisetzung der oberen, etwa 200 Milliarden Tonnen Kohlenstoff
enthaltenden Senken gerechnet werden. Allerdings könne die Erderwärmung zu
einem verstärkten und jahreszeitlich längeren Pflanzenwachstum in diesen
Gegenden sowie zur einer Verschiebung der Baumgrenze nach Norden führen,
was eine verstärkte pflanzliche Bindung von Kohlendioxid zur Folge hätte.
Trotz dieses Effekts sei nach bisherigen Berechnungen insgesamt aber von
einer deutlichen Nettozunahme von Klimagasen auszugehen, die durch
auftauende Dauerfrostböden in die Atmosphäre gelangten.
Im Zentrum der als beunruhigend anzusehenden Entwicklung stehe vor allem
Methan, das bislang vor allem in Moorgebieten gebunden sei. Einmal
freigesetzt, habe Methan einen 20fach höheren Treibhauseffekt als
Kohlendioxid. Die Freisetzung auch nur eines Bruchteils des in arktischen
Böden gespeicherten Kohlenstoffs als Methan würde genügen, um die
atmosphärischen Treibhausgaskonzentrationen spürbar zu erhöhen.
In Nordschweden kann Jan Karlsson von der Forschungsstation Abisko bei
Kiruna schon seit längerem beobachten, wie der Permafrost sich mehr und
mehr aus Hochmoorgebieten zurückzieht. Vor allem aus den Bergseen, in die
das Schmelzwasser abfließe, würde dann in wachsendem Maße Kohlenstoff
freigesetzt: "Das können sehr große Kohlendioxidmengen werden, was zu einer
kräftigen Verstärkung des Treibhauseffektes führt." Um welche Mengen es
sich jetzt schon handelt, will man gerade anhand neuer Untersuchungen
herausfinden.
19 May 2007
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Permafrost
Schwerpunkt Klimawandel
Methan
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