# taz.de -- PDS-Parteitag: Abschied ohne Aufputschmittel | |
> Bis zuletzt ist Verlass drauf: Mahnungen von Modrow und ein müdes Referat | |
> von Bisky. Am Samstag fusioniert die PDS mit der WASG. | |
Bild: Fusioniert küsst es sich besser? | |
Parteineugründungen sind eine penibel zu organisierende und gerade deswegen | |
quälende Angelegenheit. So mussten PDS und WASG am Freitag zum zweiten Mal | |
innerhalb weniger Wochen zu getrennten Parteitagen zusammenkommen. Wie im | |
März in Dortmund, so war es auch diesmal in Berlin ein bizarres Schauspiel: | |
Zwei Parteien, die quasi schon eine Partei sind, beraten mit gleicher | |
Tagesordnung die gleichen Fragen am gleichen Ort - aber in getrennten | |
Sälen. Erst diesen Samstag vereinigen sich PDS und WASG in ein und | |
demselben Saal im Estrel Convention Centre auch symbolisch vereinigen. Dann | |
ist der zweijährige Parteineubildungsprozess endlich beendet und die neue | |
Linke Wirklichkeit. | |
Die beiden Parteitage am Freitag nahmen die letzten Hürden für die | |
Vereinigung. Jede Seite bestimmte jeweils 22 Kandidaten für den 44-köpfigen | |
Vorstand der neuen Partei. Diese Kandidaten werden heute von der jeweils | |
anderen Seite bestätigt, dann gelten sie als gewählt. Eigentlich jedoch | |
waren beide Parteitage Abschiedsvorstellungen. Die der PDS dauerte drei | |
Stunden länger als die der WASG. Die ostdeutschen Genossen haben sich ja | |
auch von mehr zu verabschieden. Ihre Geschichte reicht, im Gegensatz zur | |
2005 gegründeten WASG, immerhin bis 1989/90 zurück - oder sogar bis 1946, | |
bis zur Gründung der SED, deren Rechtsnachfolge die PDS ja angetreten hat. | |
Bei der PDS war noch einmal in vollen Zügen zu genießen, was ihre | |
Parteitage in den letzten Jahren mit großer Zuverlässigkeit geprägt hat. Da | |
ist zum Beispiel die George-Orwell-Eröffnungsrede des Ehrenvorsitzenden | |
Hans Modrow. Modrow, mittlerweile 79 Jahre alt, überwacht die Partei nahezu | |
total. Von 1914, dem ersten großen Verrat der Sozialdemokraten, reicht sein | |
strenger Blick bis in die Gegenwart, auf dass die PDS ihre historischen | |
Ideale nicht verrate. | |
Modrow erinnerte an die Spaltung der deutschen Linken nach dem Ersten | |
Weltkrieg, streifte den Kampf gegen den Faschismus, die Existenz zweier | |
deutscher Staaten, die Anfänge der PDS 1989, um schließlich bei der Fusion | |
mit der WASG zu landen, einer "großen politischen Leistung", wie er sagte. | |
Dann mahnte er: Die Alten in der Partei dürften nicht vergessen werden, die | |
DDR-Geschichte müsse man differenziert betrachten und mit der Beliebigkeit | |
der Partei müsse endlich Schluss sein. | |
Das Modrow-Ritual war im Übrigen zum letzten Mal zu bestaunen. Einen | |
Ehrenvorsitzenden wird die Linke zunächst nicht haben. Modrow soll in der | |
neuen Partei aber Vorsitzender eines Rates der Alten werden. | |
Ein anderes Ritual wird erhalten bleiben: das politische Hauptreferat des | |
Genossen Vorsitzenden Lothar Bisky. Bisky ist ein integrer Mann, aber seine | |
Reden sind nur mit viel Liebe zu seiner Person und einer großen Tüte voller | |
Aufputschmittel zu ertragen. Monoton im Vortrag, falsch in der Betonung, | |
frei von jeder Überraschung - daran wird sich auch nichts ändern, wenn | |
Bisky neben Oskar Lafontaine Chef der neuen Linkspartei ist. | |
Bemerkenswert an seiner Rede war, vor dem Hintergrund der Rostocker | |
Autonomen-Gewalt, sein Bekenntnis zur absoluten Gewaltfreiheit von Protest. | |
Er erinnerte an die Wende 1989, "Keine Gewalt" sei damals das Motto | |
gewesen. "Diese Tradition des friedlichen Protestes aus dem Osten ist und | |
bleibt mir wichtig. Wir bringen sie mit in die neue Partei." Und Bisky | |
stellte einen engen Zusammenhang zwischen deutscher Innen- und Außenpolitik | |
her: "Wer politische Verantwortung auf dem Altar einer neoliberalen Version | |
von Globalisierung opfert, der schreckt auch vor völkerrechtswidrigen | |
Angriffskriegen nicht zurück, um sich Ressourcen und Einfluss zu sichern." | |
Auch die gute alte Sarah Wagenknecht von der Kommunistischen Plattform | |
durfte noch einmal ran. Streng wie immer, theoretisch aufgepumpt wie immer, | |
schwarz gekleidet wie immer - der Liebling aller | |
Nullachtfünfzehn-Berichterstatter von PDS-Parteitagen stieß wie immer | |
Warnungen aus. Wie die anderen Parteien des "bürgerlichen Politikbetriebs" | |
dürfe die Linke nicht werden: "Eine weitere angepasste Partei braucht diese | |
Republik nicht." | |
Und Gregor Gysi, der Retter der PDS? Redete erst spätabends und knipste als | |
letzter Redner das Licht aus. Er schwebt schon ein bisschen über den | |
Dingen. | |
16 Jun 2007 | |
## AUTOREN | |
Jens König | |
## TAGS | |
SED | |
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