# taz.de -- Kommentar: Große Koalition, kleine Lösungen | |
> "Mehr Freiheit, um den Schwachen zu helfen" - das war das Ziel der großen | |
> Koalition. Aber sie ist behäbig und hat keine Antworten auf soziale | |
> Fragen. | |
Große Koalitionen bedeuten große Lösungen. So sprachen die Optimisten zum | |
Antritt der schwarz-roten Regierung im Herbst 2005. Heute weiß jedes Kind: | |
Diese große Koalition bedeutet in der Regel keine Lösung; wenn es gut | |
läuft, produziert sie kleine Lösungen. | |
Die Maßnahmen, die die Regierung zur Beseitigung der katastrophalen | |
Zustände im Pflegewesen und zur Eindämmung ausbeuterischer Zustände auf dem | |
Arbeitsmarkt anbietet, liegen irgendwo zwischen kleine und keine Lösung. | |
Das Bemerkenswerteste ist noch die Bereitschaft der SPD, den | |
Nichtkompromiss beim Mindestlohn nicht mehr schönzureden. Vizekanzler | |
Müntefering betrachtet das Ergebnis mit einer "Mischung aus Empörung und | |
Zorn". Lafontaine lässt grüssen. Die Ursache für dieses leidenschaftlose | |
Herumdoktern der großen Koalition auf zentralen gesellschaftlichen | |
Konfliktfeldern liegt jedoch nicht etwa in wachsenden | |
Meinungsverschiedenheiten zwischen Merkel und Müntefering. Auch die | |
Tatsache, dass die innenpolitische Angela Merkel zuerst als CDU-Vorsitzende | |
und erst dann als Kanzlerin agiert, ist für diesen rasenden Stillstand | |
nicht verantwortlich. Der Grund ist einfacher und wiegt zugleich schwerer: | |
Die soziale Frage in all ihrer Komplexität - von Sozial-, über | |
Gesundheits-, bis hin zu Familien- und Bildungspolitik - hat sich auf der | |
politischen Agenda nach vorn katapultuiert. | |
Weder Union noch SPD haben bislang eine Antwort darauf gefunden. Der | |
Maßstab dafür ist nicht etwa die Sehnsucht nach dem "großen Wurf", sondern | |
nur das von der Koalition selbst gesetzte Ziel. "Mehr Freiheit" hatte sie | |
versprochen, um "den Schwachen" zu helfen. Die Verweigerung eines | |
Mindestlohnes bedeutet das Gegenteil: Mehr als eine Million Menschen wird | |
weiterhin nur Hungerlöhne zwischen drei und fünf Euro verdienen. Das | |
bedeutet Armut - trotz Arbeit. Die Herausforderungen der sozialen Frage | |
zermahlen CDU, CSU und SPD die letzten Reste ihrer Identität. Deswegen | |
klammern sich die drei Parteien so aneinander. Dabei ist ihr Bündnis schon | |
längst nur noch eine Koalition des Übergangs. 2009, spätestens 2013 kann | |
eine Regierung im neuen Fünfparteiensystem nur noch mit der Linken gebildet | |
werden - oder gegen sie. | |
19 Jun 2007 | |
## AUTOREN | |
Jens König | |
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