# taz.de -- G8-Einsatz: Sexismus-Vorwürfe gegen Polizei | |
> Bei Anti-G8-Protesten sollen Beamte Frauen Vergewaltigungen angedroht | |
> haben. Protestler mussten sich ganz entkleiden, so Anwälte. | |
Bild: "Rechtsstaat faktisch außer Kraft gesetzt": Polizisten beim G8-Gipfel | |
Der G-8-Gipfel wird für die Polizei in Mecklenburg-Vorpommern ein | |
juristisches Nachspiel haben. Globalisierungskritiker und Anwälte des | |
Republikanischen Anwaltsvereins (RAV) haben am Dienstag bei einer mehr als | |
sechsstündigen Anhörung erklärt, dass sie gegen die "massive Polizeigewalt" | |
während der Protestwoche gegen den G-8-Gipfel Anfang Juni in Heiligendamm | |
juristisch vorgehen werden. "Um politischen Protest einzuschränken, wurde | |
der Rechtsstaat faktisch außer Kraft gesetzt", sagte Peer Stolle vom RAV. | |
Das dürfe nicht hingenommen werden. | |
Demonstrantinnen berichteten, sie seien von Beamten sexuell belästigt | |
worden. Polizisten hätten ihnen bei Personenkontrollen gezielt in den | |
Schritt gefasst. Manche hätten mit Vergewaltigung gedroht. Wiederum andere | |
berichteten, dass sie sich splitternackt ausziehen mussten. Einer Frau, die | |
menstruierte, sollen die Tampons verweigert worden sein. | |
Ein weiterer Zeuge berichtete von der Durchsuchung eines Busses, bei der | |
ein anderthalbjähriges Kleinkind erkennungsdienstlich behandelt worden sei. | |
Die Beamten hätten das Kind so lange auf die Straße gesetzt, bis sie ein | |
brauchbares Foto machen konnten. Zudem hätten Beamte Pfefferspray auf | |
Demonstranten gesprüht, die zwischen Vermummten und Einsatzkräften | |
schlichten wollten. Einem Mann aus Potsdam, der durch einen Wasserwerfer | |
schwere Augenverletzungen erlitten hatte, habe die Polizei die medizinische | |
Versorgung verweigert. | |
Auch von "entwürdigenden Zuständen" in den Gefangenensammelstellen sprachen | |
die Anwälte. 20 oder mehr Leute seien in fünf mal fünf Meter großen Käfigen | |
in "Langzeitgewahrsam" genommen worden, berichtet RAV-Anwältin Ulrike | |
Donat, die zahlreiche Betroffene vertritt. Neonlicht habe das Schlafen | |
unmöglich gemacht, außerdem hätten die Gefangenen nur wenig Essen bekommen. | |
Die Polizei habe mit Guantánamo-Szenarien gearbeitet, um abzuschrecken, | |
sagte Donat. "Wir hatten weniger Platz als Legehennen", kritisierte eine | |
Betroffene. | |
Donat beklagte, dass vielen ihrer Kollegen der Zugang zu den Sammelstellen | |
verwehrt worden sei. Den Insassen sei erzählt worden, dass kein Anwalt | |
greifbar sei. Den Anwälten, die vor den Sammelstellen ausharrten, sei | |
wiederum mitgeteilt worden, dass ihre Mandanten nicht aufzufinden seien. | |
Den festgenommenen Demonstranten sei zu jedem Zeitpunkt rechtlicher Bestand | |
verweigert worden. | |
Ihre Kollegin Christina Clemm, die einen im Schnellverfahren zu 10 Monaten | |
Haft verurteilten Demonstranten verteidigte, zeigte sich empört über die | |
Richter. Ihrem Mandanten sei vorgeworfen worden, fünf bis sieben | |
Gegenstände auf Polizisten geworfen zu haben. Dafür habe es jedoch nur | |
einen Beamten als Zeugen gegeben. Und der habe weder etwas zu Zeit und Ort | |
noch zum Tatverdächtigen sagen können. | |
Zwei Vertreter der Kavala, der für den G-8-Gipfel ins Leben gerufenen | |
Polizeisondereinheit, waren als Zuhörer bei der Anhörung dabei. Zu den | |
Vorwürfen wollten sie sich jedoch nicht äußern. Sie verwiesen auf den | |
Innenausschuss, der heute in Schwerin tagt. Mit dem Innenministerium sei | |
ausgemacht, vorher keine offizielle Stellungnahme abzugeben. | |
Peter Ritter, Innenexperte der Linksfraktion in Mecklenburg-Vorpommern, | |
rechnet erst für Ende August nach den Sommerferien mit konkreten | |
Ergebnissen. Was bisher an Vorwürfen gegen die Polizei laut wurde, | |
bezeichnete er als "in diesem Ausmaß erschreckend". Ob die größte | |
Oppositionspartei im Schweriner Landtag einen Untersuchungsausschuss | |
beantragen werde, hänge jedoch vom Abschlussbericht des Innenministeriums | |
ab. | |
28 Jun 2007 | |
## AUTOREN | |
F. Lee | |
D. Schulz | |
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