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# taz.de -- Doping: "Die Pharmaindustrie verweigert sich"
> Dopingtests wären viel effektiver, wenn die Hersteller der verwendeten
> Medikamente die Kontrolleure unterstützen würden, sagt Dopingexperte
> Wilhelm Schänzer.
Bild: Buntes Treiben, schlechter Ruf - der Radsport wird seinen schlechten Ruf …
taz: Herr Schänzer, verfolgen Sie die Tour de France?
Wilhelm Schänzer: Ich habe keine Zeit und ehrlich gesagt auch gar keine
Lust dazu.
taz: Weil Sie sonst die Leistungen von Fahrern bestaunen müssten, die nur
mit illegalen pharmakologischen Mitteln möglich sind?
Das ist in der Tat das Problem, wenn man sich die Äußerungen der
geständigen Fahrer vergegenwärtigt. Blutdoping belastet den Radsport schon
in extremen Ausmaßen. Diese Manipulationen sind leider schwer nachweisbar,
eigentlich nur mit kontinuierlichen Messungen des Blutprofils.
Vor der Tour gab es eine regelrechte Geständnis-Lawine deutscher Fahrer,
zuletzt hat Jörg Jaksche ausgepackt. Welche Erkenntnisse konnten Sie daraus
gewinnen?
Wir haben noch einmal bestätigt bekommen, was wir befürchtet haben. Seit
dem Festina-Skandal von 1998 wussten wir, dass das Blutdopingmittel Epo zur
Erhöhung der roten Blutkörperchen massiv als Dopingpräparat benutzt wird.
Lange waren sich die Fahrer ziemlich sicher, nicht erwischt zu werden, weil
sie aufgrund der schweren Nachweisbarkeit nichts befürchten mussten. Die
Nachuntersuchungen der französischen Kollegen von Blutproben aus dem
Fahrerfeld von 1998 und 1999 haben uns die Tragweite dieses Missbrauchs
deutlich gezeigt: Von 70 Proben, die nachuntersucht werden konnten, waren
40 positiv. Das beweist den enormen Missbrauch.
Bei den Dopingtechniken und -mitteln gibt es für Sie aber wenig
Neuigkeiten?
Die "Operation Puerto" der spanischen Ermittler gegen Herrn Fuentes hat uns
hier wertvolle Hinweise geliefert. Wir wissen: Wachstumshormone, Insulin,
Wachstumsfaktoren wie IGF 1, dazu Testosteron und Eigenblut - das sind die
kritischen, schwer nachweisbaren Substanzen, und hier konzentriert sich im
Radsport auch das Doping.
Wie lange können sich die Fahrer noch sicher sein, nicht oder nur selten
als Dopingsünder enttarnt zu werden?
Wir entwickeln gerade für einige dieser Mittel Nachweisverfahren. Die
Welt-Anti-Dopingagentur finanziert - leider erst seit 2004 - mehrere
Projekte zur Verbesserung der Analytik. Einige dieser Substanzen werden
schon bald viel besser getestet werden können, vor allem Wachstumshormone
und Insulin.
Und das Eigenblutdoping?
Wir fordern kontinuierliche Blutkontrollen, um Veränderungen im Blutprofil
zu erkennen.
Wie gut ist die Zusammenarbeit mit den Herstellern der als Dopingmittel
eingesetzten Medikamente? Bekommen Sie die Muster neuer Medikamente
rechtzeitig ausgehändigt, helfen die Pharmaunternehmen bei der Analytik?
Das ist ein sehr kritischer Punkt. Wir sind nicht zufrieden. Die
Pharmafirmen weigern sich, uns Referenzmaterial zur Verfügung zu stellen,
solange die Stoffe noch nicht auf dem Markt sind. Da wird mit Patentschutz
und dem Risiko der Weitergabe an Konkurrenzfirmen argumentiert. So
verlieren wir wertvolle Zeit.
Welche Mittel sind denn gegenwärtig in der Entwicklung?
Es gibt neue Epo-Präparate, einige Mittel, die wie anabole Steroide wirken,
es sind eine Vielzahl von relevanten Präparaten, über die ich in der
Öffentlichkeit aber lieber nicht reden will. Diejenigen, die diese Stoffe
missbrauchen wollen, bekommen das nämlich auch mit.
Werden die modernsten analytischen Verfahren, um Doping aufzudecken, bei
der Tour de France eingesetzt?
Im Vorfeld der Tour ist diesmal sicher mehr und systematischer kontrolliert
worden als in den Vorjahren. Jetzt müsste die Tour-Direktion den Fahrern
ausdrücklich klarmachen, dass die entnommenen Blut- und Urinproben
eingefroren und gelagert werden, und zwar nötigenfalls über Jahre. Damit in
ein oder zwei Jahren, wenn wir analytisch einen Schritt weiter sind,
Nachuntersuchungen gemacht werden können, mit allen Konsequenzen für die
Fahrer. Diesen Abschreckungseffekt brauchen wir. Substanzen, die heute noch
nicht nachweisbar sind, werden es in ein oder zwei Jahren sein. Richard
Pound, der Leiter der Welt-Anti-Dopingagentur hat diese Praxis des
Einlagerns mehrfach gefordert, und wir brauchen jetzt die rechtlichen
Rahmenbedingungen dafür.
Sie fordern nicht nur mehr, sondern vor allem intelligentere Kontrollen.
Was heißt das?
Intelligent kontrollieren, das bedeutet zunächst, dass man sich die
Wettkampfpläne der Athleten genau ansieht und überlegt, in welchem
Zeitfenster die Substanzen vor den großen Wettkämpfen am sinnvollsten
eingesetzt werden. In dieser Zeit muss dann verschärft kontrolliert werden,
auch wenn dies ein großer logistischer Aufwand ist. Natürlich wird auch im
Winter in der Aufbauphase gedopt, aber entscheidend ist die
Vorbereitungszeit auf die großen Wettkämpfe. Und man muss mehr
Blutentnahmen machen, weil viele Mittel, wie etwa Wachstumshormone, im Urin
nicht nachgewiesen werden können.
Wenn Sie morgen zum Tour-Direktor befördert würden, was würden Sie ändern?
Ich würde die Zahl der Fahrer, die nach dem Rennen kontrolliert werden,
deutlich auf mindestens 20 erhöhen. Dann müssten mehr Blutentnahmen gemacht
werden. Und wie gesagt: Wir müssen alle Proben langzeitlagern, damit wir
Dopingmissbrauch auch im Nachhinein noch aufdecken können. Jetzt warten wir
mal ab, wie sich das Rennen weiter entwickelt. Wir hoffen natürlich, dass
die Rennleitung sich unseren Positionen annähert.
10 Jul 2007
## AUTOREN
Manfred Kriener
## TAGS
Anabolika
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