# taz.de -- Kommentar: Kompromiss auf Zeit | |
> Embryonale Stammzellenforschung ohne Embryonentötung gibt es nicht. Die | |
> jetzige Praxis in Deutschland ist verlogen. Ehrlicher ist es, am Ende das | |
> Wort "Schutz" aus den Gesetzen zu streichen | |
Bild: Einem nur wenige Tage alten Embryo wird mit einer Pipette eine Stammzelle… | |
Einerseits soll die verbrauchende Embryonenforschung in Deutschland ein | |
Tabu bleiben. Die Herstellung eigener embryonaler Stammzellen, bei der | |
Embryonen vernichtet werden müssen, ist damit ohne Ausnahme verboten: Das | |
Gesetz sieht dafür sogar eine Gefängnisstrafe vor. | |
Anderseits setzen Forscher und Politiker auf die Verheißungen der | |
embryonalen Stammzellforschung. Um in diesem Forschungssektor mithalten zu | |
können, ist es unumgänglich, dass Embryonen vernichtet werden. Embryonale | |
Stammzellforschung ohne Embryonentötungen gibt es nicht. Dieses Dilemma ist | |
nicht zu lösen. | |
Strafrechtlich mag es einen Unterschied geben, ob die Embryonenvernichtung | |
von anderen im Ausland durchgeführt worden ist und hierzulande nur deren | |
Produkt, die embryonalen Stammzelllinien, eingeführt wird. Moralisch und | |
ethisch betrachtet ist diese Praxis, die die Politiker vor fünf Jahren in | |
ihren großen Kompromiss, das Stammzellgesetz, geschrieben haben, jedoch | |
verlogen. | |
Diese "Doppelmoral" sei schon jetzt im Ausland nicht zu vermitteln, | |
beklagte die Molekularbiologin Regine Kollek im Nationalen Ethikrat. Wenn | |
es jetzt zu einer Verschiebung des Stichtages kommen sollte, dann nur aus | |
einem Grund: um von den Ergebnissen der im Ausland durchgeführten, | |
hierzulande verbotenen Forschungsprojekte profitieren zu können. Dabei ist | |
jetzt schon abzusehen, dass sich bei einer Verschiebung des Stichtages der | |
Streit um eine Novellierung des Stammzellgesetzes in ein paar Jahren | |
wiederholen wird. | |
Denn auch die heute von den Forschern so innig herbeigesehnten | |
Stammzelllinien werden einmal überaltert und nutzlos sein. Das von der | |
Minderheit im Nationalen Ethikrat abgegebene Votum, dann sollte doch lieber | |
grundsätzlich über die verbrauchende Embryonenforschung diskutiert werden, | |
ist konsequent und weitaus ehrlicher. Auch wenn dann die Gefahr besteht, | |
dass am Ende ein gänzlich neues Embryonenschutzgesetz herauskommt, aus dem | |
- aus Gründen der Ehrlichkeit - das Wörtchen "schutz" gestrichen werden | |
müsste. | |
18 Jul 2007 | |
## AUTOREN | |
Wolfgang Löhr | |
## TAGS | |
Embryonen | |
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