Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Trickfilm für Erwachsene: Das ist die Wucht
> Themen von existenzieller Tiefe? Im Animationsfilm? 3Sat beweist mit
> einer neuen Reihe, dass das geht. Und zeigt: "Das große Rennen von
> Belleville" und "Waking LIfe".
Bild: Radsportler, ungedopt: "Das große Rennen von Belleville" ist ein erstaun…
Wenn es etwas gibt, das man sich als auch nur halbwegs am Tagesgeschehen
interessierter Fernsehzuschauer in dieser Woche unbedingt zu Gemüte führen
sollte, dann ist es "Das große Rennen von Belleville".
Zum einen, weil ein intelligenterer und bissigerer Kommentar zu Wesen und
Unwesen der "Tour de France" kaum denkbar ist. Und zum anderen, weil dieser
abendfüllende französisch-belgische Zeichentrickfilm von 2003 recht
nachhaltig mit dem bequemen Vorurteil aufräumt, animierte Geschichten wären
eigentlich nur "was für Kinder". Bewusst altertümlich in den Mitteln, als
wäre er aus den Sechzigerjahren, erzählt "Das große Rennen " allegorisch
von einem Jungen, dem das Fahrradfahren zum Lebensinhalt wird - bis er,
nach Amerika entführt, in die Fänge sadistischer Gangster gerät, die in
einer Art illegaler Jahrmarktsbude die Selbstausbeutung der Rennfahrer in
echte Ausbeutung verwandeln
Nicht weniger groß ist das Verstörungspotenzial der anderen "Trickfilme für
Erwachsene", wie 3Sat seine bejubelnswerte Filmreihe genannt hat. Den
Anfang indes macht heute ein Film, der eigentlich gar kein Trick-, sondern
ein nachträglich bearbeiteter Realfilm ist. Deshalb kann in "Waking Life",
obschon animiert, auch die echte Julie Delpy mitspielen. Regisseur Richard
Linklater ("Slacker", "Dazed and Confused") hat Künstler angeheuert, das
Originalmaterial farblich "nachzudichten" und damit eine Technik etabliert,
die Kritiker "Rotoscoping" nennen und über den grünen Klee loben.
Vor allem dann, wenn dieser semireale Look so kongenial zum Thema des
Filmes passt wie im Fall von "Waking Life", einer traumwandlerisch
gestaffelten Suche nach, ja!, dem Sinn des Lebens. Denn danach befragt der
Held verschiedene Koryphäen, und wenn der Esoteriker darauf hinweist, dass
unser Körper zu mehr als 90 Prozent aus Wasser besteht, füllt sich seine
eigene, nachanimierte Gestalt beim Reden mit - Wasser!, während der
Quantenphysiker sich analog zu seinen wissenschaftlichen Ausführungen in
Atome auflöst. Mit "A Scanner Darkly", bald im Kino, hat Linklater sich zum
zweiten Mal dieser Technik bedient und eine Kurzgeschichte von Philipp K.
Dick verfilmt.
Was die meisten Trickfilme der Reihe eint ("Chicken Run - Hennen rennen"
ausgenommen), ist, dass sie sich im heiteren Gewand der Animation
anpirschen - um dann, unvermittelt, Themen von existenzieller Tiefe mit
einem Ernst zu verhandeln, der in voller Wucht wirken darf und vor dem
"reale" Produktionen oft zurückschrecken.
Dabei handelt es sich um eine dramaturgische Methode, der sich vor allem
die Manga-Kultur schon seit langem bedient - hier repräsentiert von dem
japanischen Science-Fiction-Klassiker "Ghost In The Shell", einer Art
Proto-"Matrix". Von der japanischen Zeichentricklegende Hayao Miyazaki
(Ghibli-Studios) stammt der Satz, die von aller Düsternis weitgehend
bereinigten Zeichentrickfilme von Disney würden die Kinder verdummen, weil
sie sie nicht ernst nähmen und unterforderten. Da hat er Recht. Umso
bedauerlicher, dass weder "Chihiros Reise" noch "Prinzessin Mononoke" in
der 3Sat-Reihe vertreten sind. Das sind reine "Kinderfilme", gewiss. Aber
solche, die kein Erwachsener je vergessen wird.
Montag, 23. Juli: "Waking Life"; Mi.: "Ghost in the Shell"; Do.: "Das große
Rennen ", je 22.25 Uhr; Sa., 16.10 Uhr: "Chicken Run"; weitere Filme am Sa.
ab 1.20 Uhr und So. ab 23.35 Uhr
24 Jul 2007
## AUTOREN
Arno Frank
Arno Frank
## TAGS
Kinofilm
## ARTIKEL ZUM THEMA
Sci-Fi-Film mit Scarlett Johansson: Eine neue Stufe der Evolution
„Ghost in the Shell“ ist das Remake eines Anime-Klassikers. Scarlett
Johansson spielt einen Cyborg in einer perfekten Doppelgängerwelt.
Animationsfilme in Annecy: Ein magischer Findling
Japanische Altmeister, reduzierte Bildsprache aus Brasilien und viele junge
Menschen im Kino: Das Filmfestival von Annecy spezialisiert sich auf
Trickfilme.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.