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# taz.de -- Schulpflicht-Streit: Christen-Fundamentalisten vor Gericht
> Ein Baptistenpaar aus Baden-Württemberg will die Tochter von der
> Schulpflicht befreien und auf eine nicht genehmigte Privatschule
> schicken.
Bild: Hält Lernen in der Schule für ineffizient: Moritz Neubronner.
Alexander und Irene P. wollen ihre Tochter, die ebenfalls Irene heißt,
nicht auf staatliche Schulen schicken. Die kleine Irene soll vielmehr in
einer selbst gegründeten "christlichen Grund- und Hauptschule" unterrichtet
werden. Vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart wollten die Eltern jetzt eine
Befreiung von der Schulpflicht aus religiösen Gründen erreichen.
Im Zuschauerraum saßen zahlreiche Sympathisanten aus den Gemeinden der
Evangeliums-Christen/Baptisten. Auch viele adrette Kinder waren da, die
Jungs mit weißem Hemd und schwarzer Hose, die Mädchen mit heller Bluse und
dunklem Rock. Klägerin Irene P. und Anwältin Erika Arnold-Leßmöllmann
trugen Kopftücher. Die Parallelgesellschaft hatte ein Stelldichein mit dem
Rechtsstaat.
Die P.s aus Windischenbach bei Öhringen in Baden-Württemberg sind als
Spätaussiedler nach Deutschland gekommen, wie viele der 85.000 Baptisten in
Deutschland. Den Schulbesuch haben sie erst beim letzten ihrer sechs
Kinder, der heute elfjährigen Irene, verweigert. Sie ging von vornherein
nicht in die staatliche Grundschule, weil die Eltern bei den anderen
Kindern angeblich schlechte Erfahrungen gemacht hatten. Dort würden Kinder
nicht zum Gehorsam erzogen und zu früh sexualisiert. Darwins
Evolutionslehre werde nicht hinterfragt, sogar die Zauberei finde im Rahmen
von Märchen Eingang in die Schule.
Anfangs wurde die kleine Irene von ihrer Mutter zu Hause unterrichtet.
Inzwischen haben die Eltern mit anderen Baptisten gemeinsam eine
christliche Grund- und Hauptschule gegründet. Dort werden zurzeit neun
Kinder unterrichtet. Die Eltern reagierten damit auf eine Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts von 2003. Darin hatten die Richter den
christlichen Heimunterricht nicht als Alternative zur staatlichen
Schulpflicht anerkannt.
Jetzt wollen es die Baptisten mit einer Privatschule versuchen. Diese soll
nicht "staatlich anerkannt" werden, denn dann müsste sie den staatlichen
Lehrplan vollständig übernehmen. Nach baden-württembergischen Schulrecht
gibt es aber auch die Möglichkeit, eine Privatschule nur "genehmigen" zu
lassen, hier kann der Lehrplan freier gestaltet werden. Um einen
Schulabschluss zu erhalten, werden die Kinder dann aber nicht von dieser
Schule geprüft, sondern extern an staatlichen Schulen.
Bisher ist die neue christliche Schule aber nicht genehmigt worden, wohl
weil die fünf Lehrer nicht die ausreichende fachliche und pädagogische
Ausbildung nachweisen konnten. Über die Genehmigung der Schule wird in
einem Parallelverfahren gestritten.
Anwältin Arnold-Leßmöllmann wollte darauf aber nicht warten. Die kleine
Irene solle sofort und rückwirkend von der Schulpflicht befreit werden,
beantragte sie. Das Land solle die realen Fähigkeiten der Lehrer prüfen und
nicht nur auf formale Qualifikationsnachweise schauen. Das Urteil wird für
Anfang August erwartet.
25 Jul 2007
## AUTOREN
Christian Rath
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