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# taz.de -- Migration I: "Berlin ist wie New York in den Achtzigern"
> Die amerikanische Modedesignerin Western Bonime ist von Brooklyn an den
> Prenzlauer Berg gezogen. Die günstigen Mieten und der unverbrauchte Elan
> der hiesigen Modeszene machen für sie den Hauptunterschied zu New York
> aus.
Bild: Der unverbrauchte Elan der hiesigen Modeszene zieht sie von NYC nach Berl…
Western Bonime erobert sich ihre neue Stadt ganz in Ruhe. "Weiter als bis
zur Kastanienallee bin ich noch nicht gekommen", sagt die Modedesignerin,
die vor sechs Wochen von Brooklyn-Williamsburg an den Prenzlauer Berg
gezogen ist.
In der Kastanienallee nahm Bonime erst einmal zwei Wochen
Deutschunterricht, um sich wenigstens einen Kaffee bestellen zu können.
Dann begann sie, ihr neues Arbeitsfeld unter die Lupe zu nehmen: Sie
besuchte die Berlin Fashion Week, schaute sich in Showrooms und Boutiquen
nach Trends um und spürte auf Flohmärkten, Partys und Straßen der
Atmosphäre der Stadt nach. "Ich bin gerade noch dabei, die Szene kennen zu
lernen", sagt die zierliche Frau, die auf Fragen nach dem Alter mit "in den
Dreißigern" antwortet. "Aber bald bin ich so weit."
Bonime ist Modedesignerin von Beruf. Aber sie ist nicht nach Berlin
gekommen, um eine weitere Miniboutique mit Selbstgeschneidertem aufzumachen
oder sich durch den Verkauf von gestrickten Pulswärmern auf
Weihnachtsmärkten über Wasser zu halten. "Ich weiß, dass ich jederzeit eine
Kollektion aufbauen könnte", sagt Bonime.
Zehn Jahre ist sie schon erfolgreich im Geschäft und lernte dabei sämtliche
Facetten der Modeindustrie kennen: Bonime entwarf Strickpullis für
Sportswearfirmen, T-Shirts für das In-Label Abercrombie & Fitch und eine
ganze Kollektion für ein japanisches Kaufhaus. Sie unterrichtete an
Modeschulen in Denver und New York, verkaufte ihre eigenen Taschen und
Kleider. Zuletzt entwarf sie selbständig im Auftrag einer Agentur Kleidung
für große Modelabels.
Berlin ist für sie eine Befreiung aus der Routine, ein neuer kreativer
Anfang. Den kann man hier leicht wagen: Die Miete im Prenzlauer Berg
beträgt ein Viertel dessen, was sie für ihr Apartment mit Heimarbeitsplatz
in New York zahlen musste. Auch die Lebensmittel und das Ausgehen sind
billiger.
"Berlin ist ein bisschen wie New York in den Achtzigern, bevor die
Gentrifizierung in den Künstlervierteln zugeschlagen hat." Viele Bekannte
aus Williamsburg hat Bonime hier schon getroffen, auch sie auf der Suche
nach dem sogenannten Ungeleckten, Bunten und Brüchigen, das Berlin ausmacht
- auch in der Modeszene.
"Berlin hat einen fröhlichen, unbekümmerten Zugang zur Mode", beschreibt
Bonime ihren Eindruck von der Szene. Während in New York vor allem Schwarz
getragen werde, hätten Berliner keine Angst vor Farben und auffälligen
Mustern. Dafür fehle hier der Wille zum ganz großen Auftritt. "Mit den
Kleidern, die ich aus New York mitgebracht habe, falle ich hier ganz schön
auf", sagt Bonime, die ihren eigenen Stil als sehr feminin beschreibt.
Beruflich will die Designerin in Berlin neue Wege gehen. Sie arbeitet
gerade an einem Blog über Berliner Modetrends und will zusammen mit der
Berlin Partner GmbH einen Showroom für Berliner Designer in New York
aufbauen. Später könnte noch eine Modeberatungsfirma dazukommen,
Einkaufsaufträge für große Kaufhäuser. Oder doch mal wieder eine eigene
Kollektion mit schicker Reisekleidung. Bei Reisen nach Mexiko und Indien
stellte Bonime einen enormen Bedarf an legerer und trotzdem geschmackvoller
Touristenkleidung fest. Sie könnte in Asien und Indien produzieren lassen,
überlegt sie. Oder in Polen, wie mittlerweile immer mehr US-Firmen, seit
China zu teuer geworden sei.
Später. Erst mal geht Western Bonime mit ihrem Hund Max weiter auf
Streifzug durch ihre neue Heimatstadt. Als Nächstes ist Kreuzberg dran, auf
dessen Straßen interessant gestylte Leute unterwegs sein sollen. Aber
eigentlich ist sie auf alles neugierig, ob es Boutiquen, Agenturen oder
Modenschauen sind.
"Ich genieße es hier sogar, zu Branchentermine wie der Berlin Fashion Night
zu gehen", sagt sie. "Dort war unter den Profis eine echte Begeisterung für
die gezeigte Mode zu spüren - in New York sitzt man nur blasiert rum."
Obwohl Berlin als Modestadt im Kommen ist, habe die Stadt noch einiges zu
tun, um zu den europäischen Modezentren London, Paris und Mailand
aufzuschließen, meint Bonime. Schade findet sie das nicht: Das Schöne an
der Berliner Mode sei ja gerade das Spielerische, Naive und
Unprofessionelle. "Für mich vereint Berlin das Beste aus meinen beiden
Welten", schwärmt die gebürtige Kalifornierin und Ex-New-Yorkerin. "Das
Vielfältige und Dynamische von New York und die lockere Gemächlichkeit
Kaliforniens."
17 Aug 2007
## AUTOREN
Nina Apin
## TAGS
Abercrombie & Fitch
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