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# taz.de -- Schwule Ästhetik bei Abercrombie & Fitch: Lukratives Missverständ…
> Abercrombie & Fitch erobern Europa. Die US-Trendmarke zeigt, wie man mit
> schwuler Ästhetik Heterosexuellen das Geld aus der Tasche zieht.
Bild: Entblößte Werbeträger, begeistertes Publikum: Die Abercrombie-Formel g…
In der vergangenen Woche hat der Modehersteller Abercrombie & Fitch München
in Wallung versetzt, am Donnerstag ist Dublin an der Reihe. Mit großem Pomp
eröffnet die in den USA nicht mehr ganz so angesagte Trendmarke nach und
nach Flagship-Stores in Europa und Asien, und sie tut dies muskel- und
quadratmeterbepackt nach immer gleichem Drehbuch.
Die legendären Abercrombie-Männermodels fliegen ein, 50 an der Zahl, sie
zeigen unter geöffneten roten Jacken und mit gefährlich weit herabgezogenen
Jeans ihre nackten Oberkörper, an denen sich die Muskeln des Sixpacks
sauber abzählen lassen, und feiern Party in der Stadt.
Auch im Laden werden die schönen Jungs dann als Verkäufer zu sehen sein.
Das weibliche Publikum steht Schlange, die Medien, allen voran die
Frauenzeitschriften, freuen sich. Die „Hot Guys“ sind „eine willkommene
Abwechslung für das weibliche Auge“, findet etwa Amica.
Stimmt, die hübschen Herren lassen sich willig mit den Mädels
fotografieren. Das ändert aber nichts daran, dass die Show der
glattgelutschten Model-Klone, die Werbeästhetik und Marketingstrategie
eigentlich eine komplett schwule Veranstaltung sind. A&F ist geradezu
besessen von der nackten männlichen Brust. Einkaufen wird als dunkle
Techno-Party inszeniert.
## Hemden wie in einer Bibliothek
Am Eingang der Hamburger Filiale, die im Mai eröffnete, tanzen oben ohne
der Boy und neben ihm, elfenzart, das Girl. Sie begrüßen die Gäste mit:
„Hallo, wie geht’s?“ Den Vorraum schmückt ein neorealistisches Gemälde …
Jünglingen, die – mit entblößtem Oberkörper – vereinzelt nachdenklich im
Wasser eines Sees stehen. Weiter geht es in ein hohes, dunkles
Verkaufsgewölbe, dominiert von einer riesigen, die Abbilder der Antike
imitierenden Männerskulptur. Musik wummert, Verkäufer tanzen und grüßen.
In deckenhohen Vitrinen türmen sich Hemden und Sweater so akkurat, als wäre
man in einer Bibliothek. Rustikal ist der Stil der Ware, die man aber
höchstens im Vorbeigehen, besser Vorbeitanzen mitnimmt. Alte Stiegen führen
hinauf in weitere Gemächer. Dort im oberen Stock stößt man auch auf einen
Eckraum, in dem sich nichts weiter befindet als ein runder Tisch und ein
Glaslüster. Was man in diesem Darkroom abseits der Besucherströme machen
könnte, ist klar. Die Umkleiden aber darf man nicht zu zweit betreten. „Ihr
sollt ja nicht auf dumme Gedanken kommen“, erklärt der A&F-Boy, der die
Kabinen von außen aufschließt.
Die A&F-Filialen sind perfekt auf Imposanz gebürstet. Man wundert sich,
dass die massive Inszenierung in ihrer fast beleidigend einfachen Gleichung
– Shoppen ist Party – tatsächlich wirkt. Denn das tut sie. Wundern kann man
sich auch, warum das eindeutig an schwulen Vorlagen orientierte
Sexparty-Zitat so massen- und heterosexualitätstauglich ist. Denn eines
muss man klar sagen: Wenn bei A&F die Jungs oben ohne tanzen müssen, dann
nur, weil die Herren, die hier für die Ästhetik sorgen, Frauen nicht so
gerne unbekleidet sehen. Amicas erfreuter Aufseufzer beruht auf einem
Missverständnis: Schön, dass der Sexismus einmal nicht die Frauen trifft.
Doch es geht hier nicht um Frauen und auch nur vermittelt um weibliches
Begehren.
Über den 68-jährigen Firmenchef Michael Jeffries sind derzeit skurrile
Geschichten im Umlauf. So versuchte er, Menschen, die nicht ins Corporate
Design passen, am Tragen der A&F-Kleidung in der Öffentlichkeit zu hindern.
Bekannt wurden auch die obsessiv-peniblen Verhaltens- und
Kleidervorschriften, die Jeffries für die männlichen Stewards seines
Privatjets ausarbeitete. Das betreffende Regelwerk bestimmt Art und Sitz
der zu tragenden A&F-Unterhosen seiner Angestellten genauso wie die
aufzulegende Duftnote und die Anzahl der ab einer bestimmten Temperatur zu
öffnenden Jackenknöpfe. Hier baut sich einer sein Märchenschloss über den
Wolken und ist darüber hinaus in der Lage, den eigenen Fetisch als Marke zu
verkaufen.
## Am Ende doch hetero
In welcher Geschlechter-Abteilung man sich im Hamburger A&F-Laden befindet,
zeigen überlebensgroße Schwarzweißfotos von männlichen oder weiblichen
Models an den Wänden. Im Gegensatz zu den Herren bleiben die Damen und
Kinder bekleidet und ätherisch. Das Motiv der einsam im See sinnierenden
Jünglinge vom Eingang wiederholt sich auf einem Wandfoto hinter der Kasse.
Jetzt aber stehen Paare aus Mann und Frau umschlungen im See. So banal ist
es nun einmal: Beim Bezahlen treffen sich die Geschlechter, und letztlich
verkauft doch nur das heterosexuelle Image.
Offen inszeniert A&F nur gemischtgeschlechtliche, keine homosexuellen
Paare. Interessant ist aber, dass der schwule Mann und die heterosexuelle
junge Frau offenbar genug Imaginationsstoff bieten, um die ganze Bandbreite
des Begehrens symbolisieren zu können. Weder die lesbische Frau noch der
heterosexuelle Mann kommen im Bildinventar vor. Sie werden sich aber willig
mit den süßen Jünglingen identifizieren und diese hübschen Karohemden
kaufen, die man gegebenenfalls auch vorne offen tragen kann.
31 Oct 2012
## AUTOREN
Andrea Roedig
## TAGS
Abercrombie & Fitch
Schwul
Hetero
Konsum
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