# taz.de -- Türkei: Was darf der Präsident? | |
> Die Putschisten haben den türkischen Staatspräsidenten mit politischer | |
> Macht ausgestattet. Die AKP hat keinen Anlass mehr, daran etwas zu ändern | |
Bild: Mehr als nur Hände schütteln: Abdullah Gül | |
Angesichts der erbitterten Auseinandersetzung um die Wahl des türkischen | |
Präsidenten stellen sich nicht nur viele Türken die Frage: Was darf der | |
türkische Präsident überhaupt? Nun, er hat nicht die exekutiven Vollmachten | |
seines US-amerikanischen Kollegen, muss sich aber auch nicht wie in | |
Deutschland auf repräsentative Aufgaben beschränken. | |
Seine Kompetenzen sind in der türkischen Verfassung geregelt, die aus dem | |
Putsch vom September 1980 hervorgegangen ist. Damals wollte das Militär | |
auch nach der Wiedereinsetzung einer zivilen Regierung seinen Einfluss auf | |
die Tagespolitik sicherstellen. Nicht zuletzt sollte dies über das Amt des | |
Staatspräsidenten geschehen, dessen sich denn auch der Putschgeneral Kenan | |
Evren ermächtigte. Seither ist der Präsident Oberbefehlshaber der | |
Streitkräfte und muss die Ernennung des Generalstabschefs und der | |
Kommandanten der Truppengattungen bestätigen. Zudem entscheidet er über die | |
Besetzung der Hochschulkommission und der Medienaufsicht. Mittels dieser | |
von den Putschisten geschaffenen Gremien kann er beispielsweise Zeitungen | |
und Fernsehstationen zeitweilig oder dauerhaft verbieten. Er ernennt auch | |
die höchsten Richter und sitzt dem nationalen Sicherheitsrat vor, jenem | |
Gremium, in dem die Regierung zusammen mit der Militärführung die außen- | |
und innenpolitischen Maxime festlegt. | |
Seit Jahren wird in der Türkei darüber diskutiert, diese den Interessen des | |
Militärs entsprechende Verfassung durch eine neue, demokratischere zu | |
ersetzen. Zu den Diskussionspunkten gehört die Frage der | |
Minderheitenrechte, eine stärkere parlamentarische Kontrolle des Militärs, | |
die Freiheit der Universitäten und die Begrenzung der präsidialen | |
Kompetenzen. | |
Auch die regierende AKP hat dergleichen immer wieder gefordert. Doch nun | |
hat sich durchgesetzt, dass der nächste Präsident direkt von der | |
Bevölkerung gewählt wird. Wenn diese Verfassungsänderung im Oktober durch | |
ein Referendum bestätigt wird, dürfte man bei der AKP überlegen, ob man die | |
Kompetenzen des Präsidenten tatsächlich beschränken soll. Schließlich | |
besäße ein direkt gewähltes Staatsoberhaupt eine stärkere Legitimität, | |
warum soll man also seine Befugnisse beschneiden? Zumal, wenn er auch noch | |
der eigenen Partei angehört? | |
Deshalb dürfte eine neue Verfassung nicht an erster Stelle der | |
Prioritätenliste der Regierung stehen und sich die Debatte darum noch | |
einige Zeit hinziehen. Eine neue Verfassung bräuchte ja auch eine | |
Zweidrittelmehrheit im Parlament und würde wohl noch einmal per Referendum | |
bestätigt werden müssen. JG | |
29 Aug 2007 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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