# taz.de -- Neue Gesundheitskarte: "Der Patient ist Herr seiner Daten" | |
> Datenschutzrechtlich ist bei der neuen Gesundheitskarte alles in Ordnung, | |
> meint Datenschützer Thilo Weichert. | |
Bild: Alle Daten in einer Hand. Nur: Wer hat Zugriff darauf? | |
taz: Herr Weichert, mit Hilfe der elektronischen Gesundheitskarte sollen | |
künftig höchst sensible Patientendaten der gesamten Bevölkerung | |
elektronisch gespeichert werden. Warum schreit keiner der hauptberuflichen | |
Datenschützer auf? | |
Thilo Weichert: Die Daten sollen in einem elektronischen Postfach | |
gespeichert werden, zu dem nur der Patient einen Schlüssel hat und das | |
damit voll unter seiner Obhut steht. Wenn die Verfügung über diese Daten | |
wie geplant beim Patienten bleibt, dann ist die elektronische | |
Gesundheitskarte aus Datenschutzsicht völlig in Ordnung. In den technischen | |
Details muss das allerdings noch sichergestellt werden. | |
Die Bürgerrechtler vom Komitee für Grundrechte und Demokratie fürchten | |
aber, dass der Patient die Kontrolle über seine Daten verliert. | |
Das Komitee hat nicht das Technikvertrauen, das man heute haben muss und | |
haben kann. Die Kritik des Komitees richtet sich aber gar nicht so sehr | |
gegen die Gesundheitskarte selbst, bei der es um die Kommunikation zwischen | |
Patient und Arzt geht, sondern gegen den Datenhunger Dritter. Diese haben | |
aber keinen Zugriff auf die Daten. | |
Nach derzeitigen Plänen nicht. Aber wenn Daten verfügbar sind, wecken sie | |
Begehrlichkeiten. Die Krankenkassen könnten sie zum Beispiel gewinnträchtig | |
für den Ausschluss von Risiken nutzen. | |
Deshalb muss bei der technischen Umsetzung gewährleistet werden, dass ein | |
solcher Zugriff nicht möglich ist. Das soll durch das Postfachverfahren und | |
durch Verschlüsselungen geschehen. Wenn das der Fall ist, und danach sieht | |
es aus, sind die Befürchtungen unbegründet. | |
Nach einer Gesetzesänderung wäre ein solcher Zugriff aber möglich. | |
Dieses Risiko reicht aber nicht aus, um ein sinnvolles Projekt zu | |
verdammen. | |
Bei "Toll Collect" kamen diese Begehrlichkeiten schnell. Kaum war das | |
Lkw-Maut-System in Betrieb, forderten Innenpolitiker, die erhobenen Daten | |
auch zur Verbrechensbekämpfung zu nutzen. | |
Es gibt einen großen Unterschied zwischen Toll Collect und der | |
elektronischen Gesundheitskarte: Die technische Verfügbarkeit der Daten | |
liegt in einem Fall bei einer Behörde, im anderen aber ausschließlich beim | |
Patienten. | |
Der Patient soll frei entscheiden können, ob er sensible Daten aus seiner | |
Krankenakte über die Karte speichern lässt. Bekanntermaßen haben die Ärzte | |
aber einen großen Einfluss auf Patientenentscheidungen, und Krankenkassen | |
versuchen, diese mit finanziellen Anreizen zu beeinflussen. | |
Die Speicherung der Patientenakte ist laut Gesetz freiwillig, aber | |
natürlich wird über direktive Beratung dem Patienten das eine oder andere | |
aufgeschwatzt werden. Aber jede Einwilligung kann jederzeit widerrufen | |
werden. Langfristig besteht nicht die Gefahr, dass der Patient entmündigt | |
wird. | |
Der Chaos Computer Club sagt, ein Angriff auf die Daten wäre möglich. | |
Besteht also die Gefahr, dass Krankengeschichten plötzlich frei zugänglich | |
im Internet zu lesen sind? | |
Diese Gefahr gibt es bei jeder elektronischen Datenspeicherung. Geheimnisse | |
des Bundesnachrichtendienstes oder des Kanzleramtes sind genauso gefährdet | |
wie Patientendaten. Eine absolute Sicherheit gibt es nicht. Wenn wir aber | |
den Weg der Automation gehen wollen, und vieles spricht dafür, dann muss | |
man dieses Risiko eingehen. | |
INTERVIEW: SABINE AM ORDE | |
3 Sep 2007 | |
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