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# taz.de -- Ins Wasser gefallen (5): Scharf gegen den Wind
> Berlin und Brandenburg bieten viel Platz für Wassertourismus. Vom Paddeln
> bis zum Charterbootfahren. Heute: Segeln auf dem Wannsee.
Bild: Ein Konzept für Wassertourismus hat der Senat nun vorgelegt, das seit Wo…
Am Rumpf klebt Blut. Als die Persenning heruntergezerrt wird, sind auf dem
grauweißen Cockpit des Bootes deutlich ein handtellergroßer und zwei
kleinere rotbraune Flecken erkennbar. Von den Nutzern fehlt jede Spur. Das
Boot liegt am Ufer des Wannsees, jede Person kann es ausleihen, sofern sie
einen Segelschein und eine Ausleihberechtigung hat. Beides kann man hier im
Wassersportzentrum der Freien Universität (FU) erwerben.
Das Zentrum ist ein Betonbau, der vom Rand des Berliner Forstes in
Terrassen abfällt. Im Weltbild des Architekten kamen rollstuhlfahrende
Studenten noch nicht vor, bei den FU-Mitarbeitern schon: Es gibt sogar ein
behindertengerechtes Segelboot für jene sportlichen Rollstuhlfahrer, die
die schmalen steilen Treppchen bis zu den Bootshallen meistern. In den
beiden Hallen stehen lange elegante Ruderboote auf schmalen Stegen
übereinander, kompakte wendige Kajaks warten an der Wand.
Vor der Halle sitzt Dietmar. So stellt er sich vor, er ist Mitarbeiter des
Wassersportzentrums. An der Bürotür hängt auch ein Bild von ihm, falls man
ihn auf dem Gelände mal sucht: graue Haare, Brille, Bart. Dietmar zeigt
allen, die Boote ausleihen wollen, wo es langgeht. Dort hängen die
Schwimmwesten, die ohnmachtssicheren bitte nur für Leute, die das brauchen.
"Die sollen uns ja noch ein wenig erhalten bleiben", sagt er in
norddeutschem Dialekt und meint die Westen. Für alle, die nicht unter
plötzlichen Ohnmachtsanfällen leiden, gibt es Regattawesten. Die sind
praktischer, weil sie keine wulstigen Krägen haben, die an den Ohren
scheuern.
Die Segelboote warten rechts und links vom Weg, der zum Steg führt. Je nach
Seglertyp nimmt man sich ein Boot von der linken oder rechten Wegseite. Wer
sich freut, an Bord eines Bootes zu sitzen, das Schaukeln genießt, die
Wolken zählt und den vorbeifahrenden Schiffen zuwinken möchte, wendet sich
nach rechts, wo Uni-Jollen und Ixylons liegen. Wenn man will, kann man auf
ihnen den Wannsee hinaufsegeln in die Havel, an der Pfaueninsel vorbei zum
Jungfernsee und weiter bis zum Krampitzer See. Mit den Xylons kann man
sogar einen großen Bogen fahren und unter der Glienicker Brücke
durchtauchen. Der Mast lässt sich nämlich legen.
Ixylons, erklärt Dietmar, sind als Wanderjollen konzipiert und praktisch
für Leute, die Platz brauchen. Sie haben das Schwert nicht in der Mitte. Es
ragt senkrecht ins Wasser, damit das Boot nicht seitwärts driftet, sondern
geradeaus fährt. Die Ixylon-Jollen haben gleich zwei davon. Das hat den
Vorteil, dass man nebeneinander schlafen kann. Auf der linken Wegseite
lauern die Visions. Der haifischförmige Bug und das offene Heck verraten
das Credo des Bootstyps: lieber schnell und nass segeln als langsam und
trocken. Gefährlich sind sie, wie die Blutflecken verraten.
Das Segel wird am Baum befestigt - das ist das Rohr, das waagerecht vom
Mast absteht -, das Boot samt Trailer ins Wasser gehievt. Noch das Segel
hochziehen und die Fock ausrollen - das kleine Segel vorn - und los gehts.
Der Wind weht mäßig, aber von Westen her kräuselt sich das Wasser dunkel,
da naht eine Bö. Sie packt das Boot und legt es auf die Seite. Hurtig
hüpfen Steuerfrau und Vorschoter auf die Bordwand, haken die Füße unter die
Ausreitgurte und hängen die Oberkörper weit nach hinten. Nun vollführen sie
eine Folge hektischer Sit-ups. Kaum haben sie sich herausgelehnt, neigt
sich der Mast zu ihrer Seite, beugen sie sich zurück ins Boot, kippelt es
in die entgegengesetzte Steillage. Rein - raus, rein - raus, bis der Wind
abflaut und Zeit zum Atemholen gewährt. Auf der Steuerbordseite zieht das
Strandbad Wannsee vorbei, aha, aber dort naht schon die nächste Bö.
Diesmal ist die Steuerfrau gewappnet. Sie lässt das Boot vom Wind abfallen,
so dass er schräg von hinten kommt, fiert das Segel ein wenig auf und
wartet. Wieder packt die Bö das Boot und schiebt es diesmal nach vorn.
Jetzt sachte am Segel ziehen, das Boot gewinnt an Fahrt, noch ein kleiner
Ruck an der Großschot und der Rumpf setzt sich auf die Bugwelle. Plötzlich
weicht der Druck aus dem Ruder, nichts kippelt mehr, das Boot schnurrt wie
ein Kater und gleitet. Hinter dem Heck reißt die Welle ab, jetzt muss man
nur aufpassen, dass die Fahrt nicht abgebremst wird. Durch Fahrgastschiffe
etwa, durch die Yachten, Treetboote, Ruderer, Bojen, Enten, Schwäne,
Segler, Motorboote, Stege - Stege! Da ist das Boot schon am anderen Ufer,
"klar zur Wende" und "Ree". So segelt man hin und her. Wichtig ist nicht,
wohin, sondern wie.
Sieben solcher Boote gibt es im Wassersportzentrum, reservieren kann man
sie leider nicht. Aber, sagt Dietmar, man kann anrufen und fragen, ob noch
eines frei ist. Die Boote seien ganz selten alle ausgebucht. "Nur bei so
pille-palle Wetter, wenn kaum ein Lüftchen weht. Dann kommen sie alle."
5 Sep 2007
## AUTOREN
Anna Lehmann
Anna Lehmann
## TAGS
Haushalt
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Der Senat macht immer noch nicht klar, wie und wo er demnächst Milliarden
einsparen will.
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