# taz.de -- Neue Volkszählung: Eins, zwei, viele | |
> Noch nie wurden alle Deutschen im vereinigten Land gezählt. Das soll sich | |
> im Frühjahr 2011 ändern, hat der Bundestag beschlossen. | |
Bild: Es gibt viel zu zählen. Aber wollen die das? | |
Der Staat will es wissen - wenn auch erst ab 2011. Dann wird die nächste | |
Volkszählung in Deutschland durchgeführt, hat der Bundestag am | |
Donnerstagabend entschieden und das Zensus-Vorbereitungsgesetz beschlossen. | |
Derzeit wird die Einwohnerzahl Deutschlands mit 82,3 Millionen angegeben, | |
davon rund 7,3 Millionen Ausländer. Statistiker gehen davon aus, dass die | |
tatsächliche Zahl der Einwohner etwa 1,3 Millionen niedriger ist, weil | |
Menschen an mehreren Orten gleichzeitig gemeldet sind oder ins Ausland | |
verziehen, ohne sich abzumelden. | |
Genaue Einwohnerzahlen sind aber zum Beispiel für den Finanzausgleich | |
zwischen den Kommunen, zwischen den Bundesländern und im Rahmen der EU | |
erforderlich. Deshalb hat auch die EU die Initiative ergriffen und für 2011 | |
eine EU-weite Volkszählung geplant, die alle zehn Jahre wiederholt werden | |
soll. Die letzte Volkszählung in Westdeutschland fand 1987 statt, die DDR | |
zählte 1981. Gesamtdeutschland ist bislang ungezählt. | |
Anders als bei der letzten Volkszählung 1987 (siehe "Mehr zum Thema") | |
werden die meisten Bürger diesmal gar nichts mitbekommen, da die sie als | |
"registergestützter Zensus" durchgeführt wird. Das heißt: Die Meldeämter | |
liefern Daten über die gemeldeten Einwohner, die Arbeitsagenturen über die | |
Beschäftigen sowie die Arbeitslosen und die Vermessungsämter über die | |
Gebäude. Diese Daten werden dann verglichen, um "Karteileichen" und | |
"Fehlbestände" festzustellen. Nur als Stichprobe werden ergänzend noch rund | |
10 Prozent der Bevölkerung im klassischen Stil vom Volkszähler um das | |
Ausfüllen eines Fragebogens gebeten. Zusätzlich müssen alle rund 17,5 | |
Millionen Immobilienbesitzer Angaben zu ihrem Haus oder ihrer Wohnung | |
machen. | |
Der Fragenkatalog für die Stichprobe steht noch nicht fest. Vermutlich | |
werden rund 20 Daten zu Familienstand, Wohnung, Bildung und Beruf | |
abgefragt. Die meisten Vorgaben werden von der EU kommen, doch auch deren | |
Zensus-Verordnung soll erst Ende des Jahres beschlossen werden. Die | |
Bundesregierung hat bereits angekündigt, dass sie darüber nicht hinausgehen | |
will. | |
Familienpolitisch wichtige Fragen zur Kinderzahl pro Frau, zum Heiratsalter | |
und zur Nutzung von Kinderbetreuungseinrichtungen sollen nach Angaben des | |
Statistischen Bundesamtes bei der Volkszählung nicht gestellt werden, | |
sondern im Rahmen des jährlichen Mikrozensus erfasst werden, bei dem 1 | |
Prozent der Bevölkerung rund 200 Fragen beantworten muss. | |
Das jetzt mit den Stimmen der großen Koalition beschlossene | |
Vorbereitungsgesetz erlaubt nur den Aufbau eines Anschriften- und | |
Gebäuderegisters. Grüne und FDP enthielten sich bei der Abstimmung wegen | |
Detailkritik, Die Linke hält die Volkszählung, die 450 Millionen Euro | |
kosten soll, für überflüssig. Befürworter betonen, dass eine Vollerhebung | |
1,4 Milliarden Euro gekostet hätte. | |
Streit über Datenschutz gibt es kaum noch. Selbst Peter Schaar, der | |
Bundesbeauftragte für den Datenschutz, hat keine grundsätzlichen Bedenken. | |
Ein Sprecher des Statistischen Bundesamts betonte gegenüber der taz: "Die | |
Bürger können sicher sein, dass ihre persönlichen Daten den abgeschotteten | |
Bereich der Statistischen Ämter nicht verlassen werden." Die Volkszähler | |
bekämen zwar Daten von den Ämtern, aber nicht umgekehrt. "Selbst bei einem | |
drohenden Terroranschlag würden und dürften wir der Polizei keine Auskünfte | |
geben", betonte der Statistiker. | |
22 Sep 2007 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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