# taz.de -- Japanisches Videospiel: Der große Käferklau | |
> Warum ein japanisches Videospiel daran schuld ist, dass eine türkische | |
> Hirschkäferart auszusterben droht. | |
Bild: Der Hirschkäfer ist der "Mushiking" | |
Als medial aufgeklärter Mensch fühlt man sich den Zusammenhängen einer | |
durchglobalisierten Welt ja eigentlich halbwegs gewachsen. Glaubt man. Um | |
dann doch regelmäßig darüber zu staunen, welch wirre Meldungen sie bereit | |
hält. So wie diese: "Südtürkische Hirschkäferart durch japanisches | |
Videospiel vom Aussterben bedroht." | |
Was ist da passiert? Das besagte Spiel heißt Mushiking ("König der Käfer") | |
und sorgt in Japan bereits seit einigen Jahren für Furore. Hierbei sammeln | |
die Spieler, größtenteils Jungen im Grundschulalter, Karten, auf denen | |
diverse Riesenkäfer abgebildet sind, und lassen diese Käfer mit Hilfe eines | |
Kartenscanners virtuell gegeneinander antreten. Dass die Kämpfe nur eine | |
leicht aufgemotzte Variante des Stein-Schere-Papier-Prinzips sind, tut dem | |
Erfolg des Spiels keinen Abbruch: Mehrere hundert Millionen Karten wurden | |
bereits verkauft, viele Tausende Mushiking-Turniere abgehalten. | |
Dieser Boom hat schließlich dafür gesorgt, dass auch echte Käfer zu einem | |
populären Spiel- und Haustier in japanischen Kinderzimmern geworden sind. | |
Ein hübscher Rückkopplungseffekt, wenn man bedenkt, dass Mushiking | |
seinerseits von der japanischen Tradition inspiriert wurde, im Sommer | |
loszuziehen, um besonders prächtige und große Käfer zu fangen und diese | |
dann in Kämpfen und Wettrennen gegeneinander antreten zu lassen. Und | |
gleichzeitig ein gutes Geschäft: Die Lebenserwartung der Tiere liegt im | |
Normalfall bei wenigen Monaten, Prachtexemplare werden dabei für mehr als | |
200 Euro gehandelt. | |
Doch reicht die japanische Käferpopulation bei weitem nicht aus, um die | |
Wünsche der jungen Konsumenten zu befriedigen. So mussten im vergangenen | |
Jahr rund eine Million Käfer importiert werden. Eine der teuersten und | |
begehrtesten Käfersorten ist dabei die Hirschkäferart lucanus cervus | |
akbesianus, deren Männchen bis zu neun Zentimeter groß werden. | |
Zu finden ist diese Art ausschließlich im südtürkischen Nurgebirge, was | |
mittlerweile zahlreiche japanische und deutsche Käfersammler in die Region | |
getrieben hat. Sie gehen auf Käferjagd oder kaufen die Tiere der | |
einheimischen Bevölkerung für einen Spottpreis ab, um sie dann teuer nach | |
Japan weiterzuveräußern. So zahlreich, dass mittlerweile die lokale | |
Umweltorganisation Alarm geschlagen hat: Die Hirschkäferpopulation im | |
Nurgebirge sei durch die Sammelwut nachhaltig gefährdet, warnt ihr | |
Vorsitzender Nazim Sönmez. | |
Eine wirksame Strategie gegen die Sammler hat er aber auch noch nicht | |
entwickelt. So geht der Käferklau unvermindert weiter. Zu Lasten des | |
Lucanus cervus akbesianus, dem man nur das Beste wünschen kann. Denn: | |
Aussterben wegen eines Videospiels - einen derart dämlichen Abgang hat nun | |
wirklich keine Spezies auf der Welt verdient. | |
MICHAEL BRAKE | |
24 Sep 2007 | |
## AUTOREN | |
Michael Brake | |
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Naturschutzgebiet | |
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