# taz.de -- Buchmarkt: Die neuen Verleger | |
> Als vor einigen Jahren eine junge Generation von Verlegern antrat, bangte | |
> mancher Kritiker um den Niedergang der Literatur. Doch auch die Neuen bei | |
> Fischer, Rowohlt und Wagenbach wollen nicht nur Bestseller | |
Bild: Lesen, lesen, lesen! Doch jemand muss ja auch verlegen! | |
Jörg Bong | |
"Ich bin ein großer Anhänger der traditionellen verlegerischen Werte", sagt | |
Jörg Bong, Jahrgang 1966. Aus dem Munde eines Mannes, der verlegerischer | |
Geschäftsführer eines Konzernverlags ist, klingt dieser Satz ein wenig | |
überraschend. Doch die Verlegerin des traditionsreichen S. Fischer | |
Verlages, das stellt Jörg Bong klar, ist nach wie vor Monika Schoeller. Er | |
selbst sei nur verlegerischer Geschäftsführer oder, was er am liebsten | |
hört, "Programmmacher". Diesen Posten übertrug ihm Monika Schoeller vor | |
fünf Jahren. Zuvor hatte er im Verlag als Programmleiter für die | |
deutschsprachige Literatur und als Assistent der Verlegerin gearbeitet. | |
In seiner Zeit als Geschäftsführer habe sich der Umsatz des Verlags | |
verdreifacht, erzählt Bong. Ein Indiz dafür, dass in den großen Verlagen | |
nur noch die Profite zählen und mehr und mehr die Marketingabteilungen und | |
nicht die Lektorate entscheiden? "Das ist schlicht und einfach unwahr", | |
sagt er. Eine Mischkalkulation habe es in jedem literarischen Verlag schon | |
immer gegeben, "aber welches Buch bei uns verlegt wird, entscheidet das | |
Lektorat vollkommen autonom". Erst die Mischkalkulation ermögliche es, auch | |
Bücher zu veröffentlichen, die sich schlechter verkaufen: "Nur Bestseller | |
erlauben es noch, sich dem System Bestseller zu entwinden." | |
Der S. Fischer Verlag habe sich stets an die Prinzipien "Mut, Enthusiasmus, | |
Entschlossenheit und Werktreue" gehalten. Für ihn geht es darum, diese | |
Tugenden in modernisierter Form auf das Wirtschaftsunternehmen zu | |
übertragen, das die Verlagsgruppe auch ist. Der Satz von Siegfried Unseld, | |
man verlege keine Bücher, sondern Autoren, besitzt für Bong weiterhin | |
Gültigkeit: "Es geht um Werk- und Wirkungszusammenhänge, nicht um den | |
kurzfristigen Erfolg." Und Monika Schoeller sei die Garantin dafür, dass | |
für den S. Fischer Verlag dieses Leitbild auch dann gelte, wenn ein Titel | |
eines Hausautors möglicherweise einmal nicht ökonomisch erfolgreich ist. | |
Das literarische Buch, schrieb Adam Smith Ende des 18. Jahrhunderts, sei | |
"ein seltsames Ding". Verlegen und Vermittlung von Literatur, Handel, | |
Verkauf und Erfolg seien irrational wie die Sache selbst, die Literatur. | |
Bong glaubt, dass diese Erkenntnis noch immer gültig ist - trotz der | |
Umwälzungen, die die Branche allen voran in der Distribution und in anderen | |
Bereichen in den vergangenen Jahren erlebt habe. Bestseller seien nicht | |
berechenbar und nicht planbar. So hätte niemand im Verlag zuvor geglaubt, | |
dass ein Buch wie das der Literaturwissenschaftlerin Silvia Bovenschen | |
einmal ein Verkaufshit werden würde, und plötzlich stand "Älter werden" auf | |
der Bestsellerliste. "Für jeden literarischen Titel definiert sich der | |
Markt erst durch das Buch selbst; in dem Moment, in dem es erscheint". | |
Eines jedoch dürfe jemand, der sich mit dem Büchermachen beschäftige, | |
niemals haben: Angst, erst recht keine vor dem eigenen Urteil. Denn durch | |
die Zeiten hindurch, trotz Digitalisierung und Internet, Marktrevolution | |
und Bestsellerwahn, sei ein Büchermacher stets auf die gleiche Situation | |
zurückgeworfen: "Du, ein Text und deine Urteilskraft". Ein altmodischer | |
Mann, dieser Jörg Bong. Der Erfolg scheint ihm Recht zu geben. (CHRISTOPH | |
SCHRÖDER) | |
Alexander Fest | |
Als der Holtzbrinck-Konzern im Jahr 2002 Alexander Fest mit der Führung des | |
ins Trudeln geratenen Rowohlt-Verlags beauftragte, versprach das eine | |
interessante Story zu werden. Fest, Jahrgang 1960 und studierter | |
Altphilologe, war zuvor als Lektor bei dtv und Siedler tätig und hat später | |
seinen eigenen kleinen Verlag gegründet. | |
Schnell wurde der Alexander Fest Verlag zur intellektuellen Keimzelle einer | |
"Generation Berlin" ernannt, die der in Ehren ergrauten Suhrkamp-Kultur arg | |
zuzusetzen schien. Dafür sorgten Autoren wie etwa Max Goldt, Georg Klein, | |
Eckart Henscheid für ein starkes Profil. Und dennoch gab Fest für den | |
großen Rowohlt-Verlag sein erfolgreiches Projekt auf. | |
Nach fünf Jahren herrscht in Reinbek eine beeindruckende Routine des | |
Erfolgs. Zahlreiche Bestseller hat die Ära Fest dem Verlag beschert: | |
zunächst mit den amerikanischen Wälzern von Jonathan Franzen ( | |
"Korrekturen") und Jeffrey Eugenides ("Middlesex"), dann Daniel Kehlmanns | |
"Vermessung der Welt". Gut verkauften sich ebenfalls Sachbücher wie Stefan | |
Kleins "Glücksformel" und die Bücher von Inge und Walter Jens über die | |
Mann-Familie. | |
Im vergangenen Jahr gab es den Erfolg der Jugenderinnerungen des | |
Verleger-Vaters Joachim Fest. Peter Rühmkorf und der nach vielen Jahren von | |
Suhrkamp geflohene Martin Walser sind bei Rowohlt gelandet, ebenso | |
Klassiker wie Kurt Tucholsky oder Wolfgang Borchert. Und ein großer, | |
verkannter Autor wie Hans Joachim Schädlich hat jüngst für seinen | |
meisterlichen Erzählungsband "Vorbei" den Preis der SWR-Bestenliste | |
erhalten. Wenn im nächsten Jahr Rowohlt seinen 100. Geburtstag feiert, | |
scheint der Verlag neben Hanser, S. Fischer und Suhrkamp seinen Platz unter | |
den vier deutschen Häusern von Rang gesichert zu haben. | |
Doch im zyklischen Buchgeschäft kann Erfolg trügerisch sein. Für den | |
Buchpreis beispielsweise gab es keine Nominierung, und ob die Lust des | |
Publikums auf große amerikanische Romane ewig andauert, ist äußerst | |
fraglich. Amerika bleibt für Fest dennoch das verheißungsvolle Zauberwort, | |
das immerwährende Modernität verheißt und mit Hemingway, Updike, Pynchon, | |
Auster zum Herzstück der Rowohlt-Tradition gehört. Fest, der Rolf Dieter | |
Brinkmann zu seinen Favoriten zählt, verschlang als Jugendlicher die | |
Rowohlt-Autoren Pynchon und Kerouac. | |
Alexander Fest gehört wie Frank Schirrmacher und Giovanni di Lorenzo zu | |
jener Generation, die mittlerweile in Schlüsselpositionen für | |
Deutungseliten gelangt sind, ohne dass ihr geistiges Profil bereits | |
festgeschrieben wäre. Dass Fest im August 2004 den Vertrag mit einem | |
Achtundsechziger-Produkt wie der Zeitschrift Kursbuch nicht verlängerte, | |
weil es das Verluste anhäufende "Unternehmen einer Generation" gewesen sei, | |
hatte symbolischen Charakter. Fest ist davon überzeugt, dass man "immer nur | |
der Verleger seiner Generation sein kann und dass die | |
Wahrnehmungsfähigkeit, das Urteilsvermögen für das, was an neuer Literatur | |
entsteht, sich eigentlich nie mehr als zwanzig Jahre vom eigenen Alter | |
entfernt" (ALEXANDER CAMMANN) | |
Susanne Schüssler | |
Hinter dem Schreibtisch von Susanne Schüssler hängt wie ein kleines Banner | |
die Überschrift eines taz-Artikels: "Krise as usual". Das mit der latenten | |
Dauerkrise sei eine sehr passende Beschreibung der täglichen Verlagsarbeit, | |
sagt Schüssler, die vor fünf Jahren von ihrem Ehemann Klaus Wagenbach die | |
Verlagsleitung übernahm, und lacht. Doch "nach jahrelanger Erfahrung lassen | |
wir uns davon nicht sonderlich beeindrucken". Zumal die Situation bei | |
Wagenbach vergleichsweise entspannt sei; nicht zuletzt deshalb, weil gut | |
die Hälfte des Umsatzes über die Backlist erzielt würde, also über den | |
Verkauf aller lieferbaren Titel. So sei sie finanziell nicht direkt vom | |
Erfolg des aktuellen Programms anhängig. | |
Schüssler nennt zwei Stichwörter, wenn sie über die Besonderheiten ihres | |
Verlags spricht: "Qualität" und "Sorgfalt", sowohl bei der Auswahl als auch | |
bei der Gestaltung des einzelnen Buchs. Das ist das Geheimrezept, das dem | |
Wagenbach-Verlag trotz aller Schwierigkeiten durch die Expansion der großen | |
Handelsketten und den steigenden Einfluss der Barsortimente seinen Platz in | |
den Regalen der Buchhändler und das Interesse der Leser gesichert hat. | |
Wagenbach ist ein Gütesigel. | |
"Die meisten Verlage gucken doch gar nicht mehr auf inhaltliche Qualität. | |
Gemacht wird das, was nach irgendwelchen Marketingkriterien hohe | |
Verkaufszahlen zu versprechen scheint." Doch mit solchen Prognosen könne | |
man reichlich danebenliegen. Deshalb vertraut sie nicht auf | |
Marketingexperten, sondern auf die Kompetenz ihrer Lektoren, die darüber | |
entscheiden, ob ein Buch verlegt wird oder nicht. | |
Etwas böswillig könnte man sagen, dass das Programm des Wagenbach-Verlags | |
die Entwicklung der Achtundsechziger-Generation widerspiegele: vom | |
politischen Engagement (für das Klaus Wagenbach ein ums andere Mal der | |
Prozess gemacht wurde) hin zur arrivierten Toskana-Lebensart. Die | |
Übersetzung italienischer Literatur ist zum Merkmal des Verlags geworden. | |
Dieser Imagewandel scheint zwar nicht unbedingt zum kecken Slogan "Der | |
unabhängige Verlag für wilde Leser" zu passen, dafür aber umso besser zur | |
gediegenen Adresse in Berlin-Wilmersdorf. "Natürlich haben wir die ganze | |
Zeit auch politische Bücher gemacht", widerspricht Schüssler. Die seien nur | |
sehr wenig wahrgenommen worden. Das soll in Zukunft anders werden, und | |
deshalb hat Susanne Schüssler eine politische Reihe konzipiert, die im | |
nächsten Frühjahr mit den ersten vier Büchern anlaufen wird. Glücklich | |
führt sie die Entwürfe für die fast komplett in Weiß gehaltenen | |
broschierten Bände vor. Nicht nur das Prinzip der Reihen, das mit der | |
Rotbuch-Serie oder den knallroten SALTO-Leinenbändchen bei Wagenbach | |
Tradition hat, soll damit fortgesetzt werden. Man wolle auch erschwingliche | |
Bücher produzieren. | |
Bei der Frage nach dem Preis von Büchern wird sie ein wenig nachdenklich. | |
Wenn man nach den selbst verordneten Standards weiterarbeiten will, werden | |
die Bücher langfristig wohl teurer werden müssen, vermutet sie. Sie hoffe, | |
dass die Käufer dazu bereit sein werden, für Qualität auch etwas mehr zu | |
bezahlen. Dass das nicht immer eine Sache der freien Entscheidung ist, wird | |
sie selbst wissen. (WIEBKE POROMBKA) | |
8 Oct 2007 | |
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Verleger | |
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