# taz.de -- Faire Klimapolitik: "Wir haben ein Ethikproblem" | |
> Heutzutage kann und muss sich ein Land wie China nicht mehr mit | |
> Energieverschwendung entwickeln, meint Rajendra Pachauri, Chef des | |
> Weltklimarates. | |
Bild: Hurrikan Dennis in den USA - "Pro Kopf gerechnet, wird China in Zukunft n… | |
taz: Herr Pachauri, Sie haben in diesem Jahr über Ursachen und Folgen des | |
Klimawandels aufgeklärt. Ist die Welt dadurch einiger geworden? | |
Rajendra Pachauri: Was die Aufmerksamkeit für den Klimawandel angeht, | |
bestimmt. Wir stellen ja nur Wissen zur Verfügung. Aber die Welt hat sehr | |
gut reagiert. Ende September kamen 80 Staats- und Regierungschefs zum | |
Klimagipfel der Vereinten Nationen. Das hätte es vor einem Jahr noch nicht | |
gegeben. | |
Mitte November bringen Sie den letzten Teil des Weltklimaberichts heraus, | |
der die bisherigen Ergebnisse zusammenfasst. Die Regierungen müssen den | |
Erkenntnissen zustimmen - wird es größeren Widerstand geben? | |
Schwer zu sagen. Das wird sich zeigen, wenn der Bericht in der | |
Plenarsitzung zur Abstimmung vorgelegt wird. Das wird harte Arbeit für mich | |
werden. Jede Regierung hat ihre eigene Perspektive und teilweise ihre | |
eigenen Interessen. Aber das Gute ist: Wenn der Bericht erst einmal | |
angenommen ist, dann müssen ihn auch alle Regierungen akzeptieren. Niemand | |
kann mehr sagen, er unterstütze unsere Erkenntnisse nicht. Das ist eine | |
große Errungenschaft, und die ist jede Mühe wert. | |
Nur zwei Wochen später findet in Bali die Weltklimakonferenz statt. Was | |
erwarten Sie? | |
Wir brauchen einen Zeitplan für die anstehenden Entscheidungen und erste | |
Umrisse eines kommenden Abkommens. Zum Beispiel ein globales, langfristiges | |
Reduktionsziel für 2050. Der IPCC-Bericht hat da ja bereits die Vorarbeit | |
geleistet. Einig werden sich die Staaten wohl noch nicht werden. Aber ich | |
erwarte ernsthafte Diskussionen. Die Politiker sollen zeigen, dass es ihnen | |
um ethische Werte geht, um gemeinsame Verantwortung. | |
Die kenianische Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai hat in Potsdam | |
zu mehr "Kohlenstoff-Gerechtigkeit" aufgerufen. Könnte solch ein Konzept in | |
den Verhandlungen helfen? | |
Unbedingt. Ich habe mir vorgenommen, diesen Begriff von nun an selbst zu | |
verwenden. Bisher kann von Gerechtigkeit ja keine Rede sein. Die einen | |
Länder verursachen die Emissionen, die anderen spüren die schlimmsten | |
Auswirkungen. Wir haben hier ein Ethikproblem. | |
Heißt das, die reichen Länder sind schuld am Klimawandel und müssen nun | |
ihre Klimaschulden zurückzahlen? | |
Nein, man sollte seine Handlungen nicht auf Schuldgefühlen aufbauen. Wir | |
brauchen einen positiven Ansatz, auf der Grundlage von Verantwortung und | |
dem Streben nach Gerechtigkeit und Fairness. Das heißt aber auch: Die | |
Länder, die heute am meisten CO2 ausstoßen, sollten zuerst reduzieren und | |
den ärmeren Ländern zeigen, wie man mit weniger Kohlenstoff auskommt. | |
Schon in drei Jahren dürfte China die USA als größte Kohlendioxidschleuder | |
der Welt ablösen. Brauchen wir nicht jetzt schon feste Emissionsgrenzen für | |
Entwicklungsländer? | |
Man kann den Kohlendioxidausstoß der Entwicklungsländer nicht einfach so | |
begrenzen, zumindest nicht jetzt. Entwicklungsländer starten auf niedrigem | |
Niveau und wollen zu Recht weiter wachsen - darum werden auch ihre | |
Emissionen weiter steigen. Aber pro Kopf gerechnet, wird China in Zukunft | |
niemals so viel CO2 ausstoßen wie die USA heute. | |
Was macht Sie so optimistisch? | |
Die Entwicklungsländer haben verstanden, dass sie nicht den gleichen | |
energieintensiven Weg gehen können wie die heutigen Industrieländer. | |
Heutzutage kann und muss sich ein Land wie China nicht mehr mit | |
Energieverschwendung entwickeln. | |
Kanzlerin Merkel hat in Potsdam ihren Vorschlag wiederholt, langfristig | |
jedem Menschen zwei Tonnen CO2 zuzugestehen. Ist das die Lösung? | |
Darüber habe ich mich sehr gefreut. Das große Verdienst dieses Vorschlags | |
ist, dass er gerecht ist, weil er alle Länder gleich behandelt. Darauf | |
können wir aufbauen. Der Vorschlag schafft die Möglichkeit, einen | |
konstruktiven Dialog mit den Entwicklungsländern zu beginnen. Die fordern | |
die Pro-Kopf-Gleichbehandlung ja schon seit langem. | |
Am Freitag wird der diesjährige Friedensnobelpreisträger bekannt gegeben. | |
Viele tippen auf Sie und den Weltklimarat. Auf wen tippen Sie? | |
Al Gore sollte die Auszeichnung bekommen. Er hat mit seiner | |
Aufklärungsarbeit sehr viel bewirkt. Diese Diskussion zeigt, wie direkt die | |
Verbindung von Sicherheit und Klimaschutz ist: Wenn wir nichts unternehmen, | |
wird die Not der Armen immer größer, es wird ungeahnte Flüchtlingsströme | |
geben. Wenn wir jedoch gegen den Klimawandel kämpfen, engagieren wir uns | |
auch für den Frieden. | |
INTERVIEW: NIKOLAI FICHTNER | |
10 Oct 2007 | |
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