# taz.de -- Kommentar Klima-Symposium: Von der Utopie zum Leitbild | |
> Noch sind wir weit entfernt von der dritten industriellen Revolution: Was | |
> in Potsdam in Sachen Klimaschutz geschieht, trägt utopische Züge. Doch | |
> das immerhin ein Anfang. | |
Die Szene könnte aus der Science-Fiction stammen: Die besten | |
Wissenschaftler der Welt treffen sich, um darüber zu beraten, wie die Erde | |
zu retten ist. Politiker kommen hinzu und machen aus den Empfehlungen | |
politische Programme. | |
Was in diesen Tagen in Potsdam, aber auch im vergangenen Jahr weltweit | |
geschehen ist, trägt durchaus utopische Züge. Spitzenforscher | |
unterschiedlichster Disziplinen machen sich Gedanken darum, wie der | |
Klimawandel beherrschbar bleibt. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird zur | |
Vorkämpferin für den Klimaschutz. Das Thema, das bis vor kurzem lediglich | |
Expertenzirkel und Umweltorganisationen interessierte, steht mittlerweile | |
ganz oben auf der globalen Agenda. Das ist ein Sieg der Wissenschaftler, | |
die sich nicht nur auf Interpretationen von Daten beschränkten, sondern | |
auch konkrete Forderungen und Handlungsanweisungen an die Mächtigen | |
formulierten. | |
Doch ohne einen weiteren Baustein hätte das alles nicht gereicht. Vor knapp | |
einem Jahr rechnete der Ökonom Nicholas Stern der Welt vor, dass nichts tun | |
teurer wird, als aktiv gegen den Klimawandel vorzugehen. Das brachte die | |
Wirtschaft unter Rechtfertigungsdruck. Seit Stern ist Klimaschutz auch eine | |
ökonomische Pflicht. Wer den Einfluss der Wirtschaftslobby auf die Politik | |
kennt, kann die Bedeutung dieses Paradigmenwechsels nicht hoch genug | |
einschätzen. | |
Aber er kennt auch die Widerstände, mit der verschiedenste Branchen die | |
konkreten Schritte zur Erreichung klimapolitischer Ziele bremsen. Der | |
Emissionshandel leistet bislang keinen Beitrag zum Klimaschutz, weil die | |
Unternehmen nicht zu stark belastet werden wollen. Die weltweite | |
Energieversorgung bleibt noch auf Jahrzehnte abhängig von Kohle, Öl und | |
Gas, weil damit Milliarden verdient werden. Die Folge: Der CO2-Ausstoß | |
steigt weltweit an, statt zu sinken | |
Noch sind wir also weit entfernt von der dritten industriellen Revolution, | |
in der ökologische und ökonomische Vernunft nicht mehr gegeneinander | |
ausgespielt werden. Die Klimaforscher haben es im vergangenen Jahr | |
geschafft, diese Utopie zum anerkannten Leitbild zu machen. Ein Anfang. | |
Nicht weniger, aber auch nicht mehr. STEPHAN KOSCH | |
11 Oct 2007 | |
## AUTOREN | |
Stephan Kosch | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Wandel in der Klimapolitik: Die Wucht der Wissenschaft | |
Beim Potsdamer Klima-Symposium zeigt sich: Die Klimaforschung treibt die | |
Politik vor sich her. Der Begriff "Kohlenstoff-Gerechtigkeit" macht die | |
Runde. | |
Faire Klimapolitik: "Wir haben ein Ethikproblem" | |
Heutzutage kann und muss sich ein Land wie China nicht mehr mit | |
Energieverschwendung entwickeln, meint Rajendra Pachauri, Chef des | |
Weltklimarates. |