# taz.de -- Interreligiöser Dialog: Kommunikation statt Konflikt | |
> Der Nahostkonflikt führt auch in Berlin zu Spannungen zwischen Juden und | |
> Moslems. Eine Diskussion im Jüdischen Museum zeigt: Der Dialog zwischen | |
> beiden Religionen könnte gerade hier gelingen. | |
Bild: Hier und da klischeebeladen: Marion Koch (r.) vor einem Bild Philipp Otto… | |
Fünf Gebetsteppiche liegen auf dem Boden am Rande dieses | |
Veranstaltungsraums im Jüdischen Museum. Darauf knien Muslime, die die Zeit | |
bis zum Beginn der Diskussion über den Konflikt zwischen Muslimen und Juden | |
ganz in sich versunken zum "Salat" nutzen, dem rituellen Gebet gen Mekka. | |
Doch so problemlos wie hier in diesem Raum - unter den rund 70 Zuschauern | |
sind Muslime genauso wie Juden - verläuft das Zusammenleben in Berlin nicht | |
immer. Ufuk Topkara, der Führungen im Jüdischen Museum macht, trifft immer | |
wieder auf Vorurteile gegenüber Juden. "Als ein Lehrer mit seiner Berliner | |
Klasse mit sehr vielen muslimischen Schülern hier hereinwollte, kamen nur | |
die Hälfte überhaupt zum Treffpunkt hier vor die Tür." Und von denen | |
wollten dann wiederum nur acht ins Haus. Topkara: "Die anderen haben sich | |
geweigert und meinten, das Eintrittsgeld fließe doch nach Israel. Dabei ist | |
das Haus natürlich ein staatliches deutsches Museum." | |
Viel stärker als mit diesem Argument hat Ufuk Topkara die widerspenstigen | |
Schüler bei dieser Gelegenheit damit beeindruckt, dass er selbst Muslim | |
ist. Und er kann die Vorurteile gegenüber Juden nicht verstehen: "Nach dem | |
11. September 2001 haben wir Muslime gemerkt, wie schnell die Menschen | |
einer Religion unter Generalverdacht geraten können. Aus dieser Erfahrung | |
heraus sollten wir eigentlich sensibler mit Vorbehalten gegenüber anderen | |
Religionen sein." | |
Das findet auch Topkaras jüdische Mitdiskutantin Shlomit Tulgan bei diesem | |
Podiumsgespräch, das der muslimische Verein Insaan zum Auftakt einer | |
Veranstaltungsreihe mit dem Titel "Begegnungen" organisiert hat. So wie | |
Topkara hat auch Tulgan wenig Berührungsängste - ist sie doch selbst mit | |
einem Muslim verheiratet. Unter ihren Verwandten stieß das jedoch auf große | |
Vorbehalte. Besonders ärgert sie sich auch, dass sie als Jüdin ständig auf | |
den Nahostkonflikt angesprochen wird: "Ich bin das wirklich leid, ich habe | |
mit dem Staat Israel nichts zu tun! Ich besuche zwar die religiösen Stätten | |
dort, aber ich bin nicht verantwortlich für jede Handlung der Regierung | |
dort." | |
Tatsächlich ist der arabisch-israelische Konflikt auch in Berlin sehr | |
präsent: Vereinzelt gab es auch hier Übergriffe von Muslimen auf Juden. | |
Mehrfach verprügelten arabische Jugendliche jüdische Schüler, die | |
Davidstern oder Kippa trugen. Ende 2006 sah sich ein jüdisches Mädchen | |
sogar gezwungen, von der Kreuzberger Lina-Morgenstern-Oberschule auf die | |
jüdische Schule in Mitte zu wechseln. Zuvor war die 14-Jährige monatelang | |
von muslimischen Mitschülern auf dem Schulhof und ihrem Schulweg | |
gedemütigt, bespuckt und geschlagen worden. | |
Der Dialog ist jedoch auch von jüdischer Seite aus nicht immer einfach, | |
sagt Shlomit Tulgan. Eine Hürde müssten etwa viele Juden aus Osteuropa | |
überwinden, die in Berlin die Mehrheit stellten. Die hätten "eine völlig | |
andere Mentalität", sagt Tulgan. | |
Dabei bietet gerade Berlin auch viel Möglichkeiten für Dialog zwischen | |
Muslimen und Juden, von dem sowohl Tulgan als auch Topkara glauben, dass er | |
der beste Weg zum Konfliktabbau ist. "Berlin ist ein Schmelztiegel, wo | |
schon der alte Fritz jeden nach seiner Façon seelig werden ließ", sagt | |
Topkara: "Und auch heute noch ziehen hierher sehr viele Menschen aller | |
Kulturen und Religionen. Wenn wir hier Vorurteile abbauen, kann das durch | |
den ständigen Austausch sogar weit über die Grenzen der Stadt ausstrahlen." | |
25 Oct 2007 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Heiser | |
## TAGS | |
Interreligiöser Dialog | |
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