# taz.de -- Erika Steinbach und das "Zentrum gegen Vertreibungen": Kalt und heu… | |
> In Polen ist die Angst vor Entschädigungsforderungen der Vertriebenen eng | |
> mit dem Namen Erika Steinbach verbunden - Präsidentin des Bundes der | |
> Vertriebenen. | |
Bild: Unperson in Macherpose: Erika Steinbach. | |
WARSCHAU taz Sanft klingt ihre Stimme, voller Mitgefühl und Anteilnahme. | |
Das Kostüm sitzt perfekt, Frisur und Make-up ebenfalls. Freundlich | |
erläutert sie Besuchern, dass täglich tausende deutscher Vertriebener nach | |
Polen und Tschechien reisten, um dort Frieden und Freundschaft zu | |
schließen. Die Versöhnung sei greifbar, trotz des unermesslichen Leids, das | |
die deutschen Vertriebenen nach Kriegsende erfahren mussten. So kennen sie | |
die meisten Deutschen aus dem Fernsehen: Erika Steinbach, die Präsidentin | |
des Bundes der Vertriebenen (BdV). Warum also sollte sie nicht am Konzept | |
eines "Zeichens der Erinnerung" mitwirken, das an die Vertreibungen des 20. | |
Jahrhunderts erinnern soll? Und wieso sollte es die Deutschen | |
interessieren, dass die meisten Tschechen und Polen rotsehen, wenn sie nur | |
den Namen Steinbach hören, wie Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse | |
warnte? | |
Anders als in Deutschland verfängt Erika Steinbachs schmeichelnde Stimme in | |
Polen nicht. Hier gilt die blonde Deutsche als revanchistisch, kalt und | |
sogar "heuchlerisch", wie Wladyslaw Bartoszewski, Ex-Außenminister Polens | |
und früherer Auschwitz-Häftling, einmal sagte. Dass Erika Steinbach zwei | |
Gesichter haben konnte, wurde den Deutschen erstmals 2003 bewusst, als die | |
Zeitschrift Wprost eine Fotomontage auf dem Titelbild veröffentlichte: | |
Erika Steinbach saß lachend und in schwarzer Naziuniform auf dem Rücken des | |
damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder. "Das deutsche trojanische Pferd" | |
hieß der Titel. Und: "Die Deutschen sind den Polen eine Milliarde Dollar | |
schuldig für den Zweiten Weltkrieg". Im Artikel ging es um die von | |
Steinbach geschürte Angst, dass die Polen nach dem Beitritt zur EU mit | |
Entschädigungs- und Eigentumsforderungen der deutschen Vertriebenen | |
überzogen werden könnten. Marek Edelman, einer der letzten noch lebenden | |
Anführer des Warschauer Ghettoaufstandes 1943, rief dazu auf, in Reaktion | |
auf das BdV-Projekt in Berlin erneut intensiv über die deutschen Verbrechen | |
in Polen während des Okkupation zu diskutieren. Jan Nowak-Jezioranski, der | |
als Untergrundkurier im Zweiten Weltkrieg geheime Nachrichten zwischen | |
Warschau und London geschmuggelt hatte, schlug als Alternative zum | |
Vertriebenenzentrum eine Gedenkstätte für alle Nazi-Opfer vor, zu denen ja | |
auch die Vertriebenen gehörten, obwohl diese den Nazis mit an die Macht | |
verholfen hatten. | |
Warum die Polen so panische Angst vor einer Rückkehr der Vertriebenen in | |
ihre alte Heimat hatten, blieb den meisten Deutschen indes verborgen. | |
Geradezu absurd schien vielen, dass viele polnische Bürgermeister die | |
Kriegsverluste erneut schätzen ließen. Während in Polen die Klagen der | |
Vertriebenenorganisation Preußische Treuhand vor dem Europäischen | |
Gerichtshof als existenzbedrohend wahrgenommen wurden, verharmloste man sie | |
Deutschland. Bundeskanzler Schröder, später Bundeskanzlerin Merkel | |
versicherten ein ums andere Mal, dass sie die Klagen "nicht unterstützen" | |
würden, den Bürgern aber auch den Weg vors Gericht nicht verbieten könnten. | |
Erika Steinbach, die sich zwar wortreich von den Klagen der Preußischen | |
Treuhand absetzte, kritisierte 2004 den damaligen Kanzler Schröder scharf, | |
als dieser in seiner Rede zum 60. Jahrestag des Warschauer Aufstandes genau | |
diesen Eigentumsforderungen und Klagen eine klare Absage erteilte. | |
"Unanständig" seien seine Worte, "unredlich" sein Verhalten in Warschau | |
gewesen, giftete Steinbach und unterstützte nun doch die Interessen der | |
Preußischen Treuhand. "Er hat gesagt, er wird gegen die Kläger auftreten", | |
empörte sie sich. In allen völkerrechtlichen Verträgen sei die | |
Vermögensfrage der Vertriebenen offengehalten worden. | |
In Polen wuchs die Unsicherheit: Konnte man dem Kanzler glauben? Was war | |
sein Wort völkerrechtlich wert? Und andererseits: War das von Erika | |
Steinbach und der BdV-Stiftung geplante "Zentrum gegen Vertreibungen" | |
womöglich nur ein Vehikel, um damit die Eigentumsforderungen doch noch | |
durchzusetzen. Immerhin konnten dort Vertriebene für Spenden in Höhe von | |
bis zu 3.000 Euro sogenannte Memorial- und Heimattafeln kaufen, auf denen | |
Bilder ihres verlorenen Hauses oder Dorfes zu sehen sein sollten. Auf viele | |
Polen wirkte dies wie eine Auftragserteilung: Für die "Spende" sollte das | |
Zentrum gegen Vertreibungen das verlorene Eigentum wieder herbeischaffen. | |
Sogenannte Patenschaften konnten nicht nur Einzelpersonen übernehmen, | |
sondern auch Orte. Eine der größten Städte, die sich pro Einwohner mit | |
einem Obulus am Projekt "Zentrum gegen Vertreibungen" beteiligt, ist | |
Steinbachs Heimatstadt Frankfurt am Main. Hunderte von Städten haben | |
inzwischen eine Patenschaft übernommen, ebenso das Land Hessen unter Roland | |
Koch. Schon vor einiger Zeit verkündete Steinbach, dass sie genug Geld | |
zusammen habe, um ihr "Zentrum gegen Vertreibungen" in Berlin zu eröffnen. | |
Sollte Erika Steinbach also in das vom Bund geplante "Zeichen der | |
Erinnerung" eingebunden werden, wäre dies ein Affront gegenüber den | |
Nachbarn. Steinbach hat über die Jahre jede Glaubwürdigkeit in Polen und | |
Tschechien verloren. Und was sagt die Auslöserin des ganzen Streits? Es sei | |
"herzlos, wie der Bundestagspräsident über die Opfer hinwegstiefelt". | |
Steinbach kann abwarten. Ihre Stiftung "Zentrum gegen Vertreibungen" hat in | |
der Satzung stehen, "in Berlin das Schicksal der mehr als 15 Millionen | |
deutschen Deportations- und Vertreibungsopfer" erfahrbar zu machen. Gelingt | |
das in dem Zentrum, das die Bundesregierung plant, oder, wie Steinbach | |
sagt, "wenn es was Gescheites ist", dann wäre der erste Satzungsauftrag | |
erfüllt. Weitermachen will Steinbach aber auf jeden Fall. Der taz sagte | |
sie: "Wir bleiben treibende Kraft." | |
30 Oct 2007 | |
## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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