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# taz.de -- "Zentrum gegen Vertreibungen": Anders gedenken in Görlitz/Zgorzelec
> Während in Berlin über Erika Steinbachs Teilhabe am Gedenkprojekt
> gestritten wird, bietet sich die Doppelstadt Görlitz/Zgorzelec als
> Erinnerungsort an.
Bild: Hier arbeiten Polen und Deutsche Hand in Hand: Görlitz.
BERLIN taz Nicht jeder kennt Lutz Thielemann. Das könnte sich schon bald
ändern, denn vielleicht ist er bald wichtiger für ein Zentrum gegen
Vertreibungen als die berühmte Erika Steinbach. Der Geschäftsführer der
Europastadt Görlitz/Zgorzelec GmbH hat vor wenigen Tagen ganz offiziell den
Auftrag bekommen, die Arbeiten für einen Ort der Erinnerung an "Flucht,
Vertreibung und Integration" zu koordinieren. Das Besondere an Görlitz:
Hier arbeiten Polen und Deutsche Hand in Hand, um einen authentischen Ort
des Erinnerns aufzubauen - während in Berlin ein unappetitlicher Streit
über das Vertreibungsgedenken geführt wird.
In den Schwesterstädten Görlitz und Zgorzelec ist das ganz anders.
Vergangenen Mittwoch saßen alle Fraktionen im Stadtrat von Görlitz
beieinander, und sogar die Linke steht einem deutsch-polnischen "Zentrum
des Erinnerns" positiv gegenüber. Die Kollegen aus dem Stadtrat von
Zgorzelec, wenige Hundert Meter entfernt, haben bereits formelle Beschlüsse
zur Errichtung eines Zentrums gefasst. Bürgermeister Rafal Gronicz wirbt
für das Projekt. Die Resonanz dafür sei positiv, verriet Gronicz der
Sächsischen Zeitung in Görlitz.
Nachbarbürgermeister Joachim Paulick (CDU) ist nicht weniger aktiv.
"Görlitz und seine Nachbarstadt Zgorzelec sind ein tatsächlicher
Erinnerungsort", sagte Paulick der taz. "Der europäische Kontext von Flucht
und Vertreibung ist bei uns besser darstellbar." Beide Städte wurden
praktisch ausgetauscht. In Görlitz wichen 70 Prozent der Familien, aus
Zgorzelec wurden alle Deutschen vertrieben. Beide Städte haben wie kaum
andere Vertriebene und Umsiedler aufgenommen. Görlitz hatte nach dem Krieg
schnell 100.000 Einwohner durch den Zustrom. Heute sind es noch 57.000. Der
Bürgermeister macht keinen Hehl daraus, was sein eigentliches Ziel ist:
Dass genau hier der richtige Ort des gemeinsamen Erinnerns wäre. "Wenn wir
gefragt werden, dann sagen wir ja." Und fügt mit Blick auf Berlin an: Dass
es nicht wahrscheinlich ist, dass das ganze Dokumentationszentrum nach
Görlitz kommt.
Dabei ist die Liste der Unterstützer beeindruckend: Viele
Bundestagsabgeordnete wie Cornelia Pieper (FDP) oder Renate Künast (Grüne)
sind dafür, der Kulturstaatsminister weiß Bescheid und auch der
Bundestagspräsident, sogar Warschau und Wroclaw/Breslau haben sich
zustimmend geäußert. Günter Grass war einer der Ersten, der sich dafür
aussprach, den Erinnerungsort an der Neiße zu errichten. Wahrscheinlich,
weil er wie Bürgermeister Paulick weiß, wie wichtig es ist, auch die
"Erfahrungen der Polen mit Flucht und Vertreibung darzustellen."
Wie geht es weiter? Die beiden Städte wollen einen wissenschaftlichen
Beirat einrichten, der ein Konzept entwirft. Und dann ist vieles denkbar:
Ein Museum mit Dauer- und Wechselausstellungen. Ein Tagungszentrum für
Konferenzen. Oder gar eine Plattform zur weiteren Erforschung. Alles das
fasst Geschäftsführer Lutz Thielemann ins Auge. Wer weiß, vielleicht wird
der Stress in Berlin so groß, dass Görlitz doch noch zum Zuge kommt.
CHRISTIAN FÜLLER
30 Oct 2007
## AUTOREN
Christian Füller
## TAGS
Polen
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