Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Mehdorn muss umdisponieren: Bahn ohne Kohle
> Nach dem SPD-Parteitag ist Nervosität im Berliner Bahn-Tower
> ausgebrochen. Bahn-Chef Mehdorn sieht nur noch geringe Chancen für eine
> Teilprivatisierung.
Bild: Sieht seine Felle davonschwimmen: Bahnchef Mehdorn.
BERLIN taz Die Deutsche Bahn wird ihre Finanzplanung für die kommenden
Jahre überarbeiten müssen. Denn weil durch den Beschluss des
SPD-Parteitages der geplante Teilverkauf in dieser Legislaturperiode nicht
mehr zustande kommen dürfte, fehlen der Bahn Investitionsmittel von
mehreren Milliarden Euro. Wie die taz aus Aufsichtsratskreisen erfuhr, sind
hochkarätige Mitglieder des Kontrollgremiums besorgt und drängen den
Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Müller zu einer Krisensitzung.
Bahn-Chef Hartmut Mehdorn sieht nur noch geringe Chancen für eine
Teilprivatisierung. "Die Zeichen sind eher kritisch, ob das überhaupt noch
geht", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. "Die Beschlüsse sind schon
ziemlich eng. Wir müssen jetzt alle gut überlegen, welche Lösung es da
gibt."
Wie hoch die Einnahmen aus einem Teilverkauf der Bahn wären, kann derzeit
nur geschätzt werden. Das sogenannte Primon-Gutachten, das die
Bundesregierung Anfang 2006 vorgelegt hatte, bewertete die zur Disposition
stehenden 49 Prozent mit bis zu 8 Milliarden Euro. Nach dem SPD-Parteitag
ist aber klar, dass im günstigsten Falle zunächst nur 25,1 Prozent an die
Börse kommen, womit sich die Einnahmen auf etwa 4 Milliarden Euro
reduzieren.
Doch dieser Betrag sinkt noch weiter, weil nur noch das sogenannte
Volksaktienmodell zur Debatte steht, das den Investoren kein Stimmrecht
einräumt. Der daraus resultierende Verlust wird mit einem Abschlag von 10
bis 30 Prozent auf den Wert des Unternehmens geschätzt. Damit sinken die
geschätzten Privatisierungseinnahmen auf 2,8 bis 3,6 Milliarden Euro.
Wie viel davon der Bund und wie viel die Bahn bekommen sollte, hatten beide
Seiten noch nicht verhandelt. Beobachter gehen von einer Aufteilung zu
gleichen Teilen aus. Das würde bedeuten, dass Mehdorn 1,4 bis 1,8
Milliarden Euro zu Verfügung gehabt hätte.
Mit diesem Geld sollten neue Züge gekauft werden, aber auch andere
Logistikunternehmen als Ergänzung zu den Bahn-Töchtern Stinnes oder Bax
Global. Und das im Einvernehmen mit der Bundesregierung. "Machen wir die
Bahn stark", hatte Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee noch am
Samstag den Delegierten auf dem SPD-Parteitag zugerufen.
Denn schließlich ist seit Jahresanfang der europäische Güterverkehr
liberalisiert, 2010 folgt der internationale Personenverkehr. Doch weil die
Delegierten dem Minister nicht ganz folgten und die Bahn-Privatisierung mit
so strengen Auflagen versahen, dass sie möglicherweise ganz ausfällt, fehlt
der Bahn nun Geld für Investitionen.
Für die Privatisierungsgegner ist das kein Anlass, ihren Widerstand
aufzugeben. So hat das Bündnis "Bahn für alle", in dem sich unter anderem
Umweltverbände, die Gewerkschaft Ver.di und das Netzwerk Attac
zusammengeschlossen haben, alternative Finanzierungsmodelle berechnet. Am
meisten brächte der Verkauf der Logistik-Unternehmen Stinnes und Bax: 4 bis
10 Milliarden Euro. Ein Verzicht auf Großprojekte wie die ICE-Trasse über
Erfurt oder der Bahnhof Stuttgart 21 würde 8 bis 12 Milliarden Euro
einsparen.
Das Problem bei all diesen Vorschlägen: Sie stehen in kompletten Gegensatz
zu Mehdorns Konzept vom weltweiten Logistikunternehmen. Deshalb sind sie
zumindest mit diesem Management kaum realisierbar. Allerdings könnte die
Bahn auch eine Anleihe ausgeben, wie sie es in der Vergangenheit schon
getan hat. Dabei leihen Privatleute oder auch große Investoren der Bahn
Geld, kassieren dafür Zinsen, haben aber keinerlei Einfluss auf das
Unternehmen. Dies würde zwar die Verschuldung des Bundes erhöhen (denn die
Bahn bliebe ja zu 100 Prozent im Bundesbesitz), weshalb
Bundesfinanzminister Steinbrück (SPD) dagegen ist. Deutschlands
Defizitquote sinkt aber gegenwärtig von Jahr zu Jahr, sodass dafür Luft
wäre.
30 Oct 2007
## AUTOREN
Stephan Kosch
## ARTIKEL ZUM THEMA
Pofalla attackiert SPD: Union bangt um Bahnprivatisierung
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla fordert von den Sozialdemokraten, ihren
Volksaktien-Beschluss zurückzunehmen.
Wolfgang Tiefensee: Ein Cellist gerät aus dem Takt
Einst galt Verkehrsminister Tiefensee als politischer Nachwuchsstar. Jetzt
ist er aus dem Tritt gekommen - und erreicht mit seiner Schlappe bei der
Bahnreform den Tiefpunkt seiner Karriere.
SPD-Beschluss zur Bahnprivatisierung: Nicht nur ein Etappensieg
Die SPD-Basis stand kurz davor, gegen die Bahn-Privatisierung zu
rebellieren. Doch dann griff Parteichef Beck selbst ein, rettete das
Volksaktienkonzept - und sich selbst.
Kommentar Bahnprivatisierung: Lehrstück in Demokratie
Obwohl die Bahnprivatisierung schon als beschlossene Sache galt, haben die
Gegner die Stimmung gedreht - und letztlich mächtige Gegner wie SPD-Spitze
in die Knie gezwungen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.