# taz.de -- Ausnahmezustand in Pakistan: Polizei schlägt Proteste nieder | |
> Prügel, Tränengas, Festnahmen: Pakistans Polizei geht nach der Verhängung | |
> des Notstands brutal gegen Demonstranten vor. Berlin und London drohen | |
> mit Konsequenzen, Washington zögert. | |
Bild: Zivilpolizisten nehmen in Lahore einen protestierenden Anwalt fest | |
LAHORE taz/dpa/afp/rtr Pakistanische Sicherheitskräfte haben am Montag mit | |
Gewalt erste Proteste gegen die Verhängung des Ausnahmezustands | |
niedergeschlagen. Mehrere Menschen wurden verletzt. Wie ein Augenzeuge | |
berichtete, feuerte die Polizei in der ostpakistanischen Stadt Lahore | |
Tränengasgranaten auf demonstrierende Juristen. Anschließend habe sie mit | |
Knüppeln auf die Anwälte eingeschlagen. Die Juristen hatten sich im Hohen | |
Gericht von Lahore versammelt und gegen die Verhängung des | |
Ausnahmezustandes durch den pakistanischen Machthaber Pervez Musharraf | |
protestiert. Mehrere Opfer hätten Kopfverletzungen davongetragen, | |
berichtete ein Augenzeuge telefonisch aus Lahore. | |
In der südpakistanischen Hafenstadt Karachi setzte die Polizei nach | |
Augenzeugenberichten Schlagstöcke gegen oppositionelle Anwälte ein, die | |
sich vor dem Obersten Gericht zu einer Demonstration gegen die Politik von | |
Staats- und Armeechef Pervez Musharraf versammelt hatten. "Die Polizisten | |
haben gnadenlos auf uns eingeschlagen und mehrere Dutzend Kollegen | |
festgenommen", sagte Anwalt Akhtar Hussain. | |
Pakistans ehemaliger Ministerpräsident Nawaz Sharif forderte Präsident | |
Pervez Musharraf zum unverzüglichen Rücktritt auf. Zugleich rief er von | |
seinem Exil in Saudi-Arabien aus die internationale Staatengemeinschaft | |
auf, Musharrafs Verhängung des Ausnahmezustands "auf das Schärfste zu | |
verurteilen". So lange Musharraf an der Macht bleibe, gleite Pakistan in | |
die Anarchie ab. Sharif war nach sieben Jahren im Exil im September nach | |
Pakistan zurückgekehrt, doch nur wenige Stunden später wurde er | |
festgenommen und nach Saudi-Arabien ausgewiesen. | |
Die britische, die deutsche und die amerikanische Regierung zeigten sich | |
beunruhigt und deuteten mögliche Konsequenzen an. Die Entwicklungshilfe und | |
Unterstützung für andere Projekte werde "sorgfältig geprüft", teilte das | |
britische Außenministerium am Montag in London mit. Großbritannien hatte | |
sich 2006 verpflichtet, 236 Millionen Pfund (rund 340 Millionen Euro) an | |
Pakistan zu geben. Von 2008 bis 2011 soll sich der Betrag auf 480 Millionen | |
Pfund verdoppeln. Zuvor hatte Premierminister Gordon Brown den | |
pakistanischen Armeechef Pervez Musharraf aufgefordert, "freie und faire | |
Wahlen" zu halten. | |
Auch die Bundesregierung schließt eine Einschränkung der Hilfen für das | |
Land nicht aus. Ein Sprecher des Entwicklungshilfeministeriums sagte am | |
Montag in Berlin, Projekte für die Zivilgesellschaft etwa für Frauen oder | |
Mädchen würden weiter gefördert. "Aber in enger Abstimmung auch mit anderen | |
internationalen Partnern müssen im Lichte der zukünftigen Entwicklungen | |
auch die Projekte der Entwicklungszusammenarbeit überdacht werden, das sind | |
zum Beispiel Energieprojekte, die im Portfolio der Entwicklungspolitik auch | |
ein großer Schwerpunkt sind", fügte der Sprecher hinzu. | |
Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Jäger, sagte: "Es ist uns auch | |
künftig daran gelegen, dass Pakistan ein Partner bleibt in der Region, auf | |
den wir bauen können." Aber Deutschland werde darauf dringen, "dass das | |
Land zu einer verfassungsgemäßen, demokratischen Ordnung zurückkehrt". | |
Regierungssprecher Ulrich Wilhelm forderte den pakistanischen Machthaber | |
Pervez Musharraf auf, den Ausnahmezustand aufzuheben sowie die | |
Beschränkungen etwa für Medien aufzuheben und zum Zeitplan für Wahlen im | |
Januar zurückzukehren. | |
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hatte die Verhängung des | |
Ausnahmezustands mit großer Sorge aufgenommen. "Ich hoffe auf eine | |
möglichst schnelle Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung", sagte | |
Steinmeier am Sonntag in Berlin. EU-Chefdiplomat Javier Solana rief die | |
Führung Pakistans auf, zu Recht und Gesetz zurückzukehren | |
Die USA verschoben Gespräche zur Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen mit | |
Pakistan wegen der jüngsten Entwicklungen in dem Land. Ein Sprecher von | |
US-Verteidigungsminister Robert Gates sagte am Montag, man hoffe, das | |
Treffen nachholen zu können, sobald die Umstände dafür günstiger seien. | |
Gates selbst nannte die Geschehnisse der vergangenen Tage beunruhigend. Das | |
Land sei jedoch von großer strategischer Bedeutung für die USA und ein | |
wichtiger Partner im "Krieg gegen den Terror". Die USA würden daher nichts | |
tun, was die laufenden Anstrengungen bei der Bekämpfung des Terrorismus | |
gefährden könne. Er relativierte damit eine vorherige Ankündigung von | |
Außenministerin Rice. | |
Rice hatte gesagt, die Milliardenhilfe für einen ihrer engsten Verbündeten | |
im Kampf gegen den Terrorismus werde auf den Prüfstand gestellt, berichtete | |
der Nachrichtensender CNN am Sonntag. Rice betonte, sie wäre jedoch sehr | |
erstaunt, falls Präsident George W. Bush in diesem Zusammenhang die | |
Finanzmittel für den Anti-Terror-Kampf antasten werde. Rice sagte am Rande | |
ihrer Nahostreise: "Die Lage hat sich offenkundig verändert und wir müssen | |
überprüfen, wo wir stehen". "Ich bin enttäuscht über seine (Musharrafs) | |
Entscheidung". Laut "Washington Post" erhielt Pakistan in den vergangenen | |
sechs Jahren fast elf Milliarden Dollar. | |
Musharraf hatte am Samstag den Ausnahmezustand ausgerufen, die Verfassung | |
außer Kraft gesetzt sowie den Obersten Richter des Landes ausgetauscht und | |
dies unter anderem mit einem wachsendem Extremismus begründet. Das | |
jährliche Treffen zu Verteidigungsfragen zwischen Vertretern der USA und | |
Pakistans hätte eigentlich am 6. und 7. November in Islamabad stattfinden | |
sollen. | |
5 Nov 2007 | |
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