# taz.de -- Kommentar Militär Pakistan: Der pakistanische Albtraum | |
> Das Militär in Pakistan verhindert Demokratie und fördert den Terror. So | |
> kann es sich weiterhin als Verteidiger der Nation aufspielen und sich die | |
> Unterstützung der USA sichern. | |
Bild: Brutal ging die Polizei vielerorts gegen Demonstranten vor. | |
General Pervez Musharraf hat der US-Regierung die Grenzen ihres Einflusses | |
in Pakistan aufgezeigt, als er den Ausnahmezustand entgegen Washingtons | |
Warnungen verhängte. Sein Kalkül ist: Die USA können es sich einfach nicht | |
leisten, ihn fallenzulassen, weil er in der Region ihr wichtigster | |
Verbündeter im "Krieg gegen den Terrorismus" ist. | |
Bisher behielt der General recht. Und daran wird sich auch nichts ändern, | |
solange er den Eindruck vermitteln kann, im Land die Macht zu haben. Die | |
USA kritisieren seinen Schritt zwar, doch ernste Konsequenzen wird das | |
nicht haben. Musharraf verwies in der landesweit vom Fernsehen übertragenen | |
Begründung des Ausnahmezustands sogar ausgerechnet auf US-Präsident Abraham | |
Lincoln. Auch der habe schließlich im amerikanischen Bürgerkrieg die | |
Verfassung außer Kraft gesetzt und sich nicht an Gesetze gehalten, um sein | |
bedrohtes Land zu retten. Sosehr der Vergleich mit Lincoln anmaßend ist, | |
dürfte er doch den Eindruck verstärken, dass der General eher seinen | |
Sponsoren in Washington Rechenschaft schuldig ist als der machtlosen | |
pakistanischen Bevölkerung. | |
Genau das ist Pakistans Tragik: Indem es seinen Generälen immer wieder | |
gelingt, sich für die strategischen Interessen anderer vermeintlich | |
unverzichtbar zu machen, kann das Militär jeden noch so kleinen Schritt zur | |
Demokratisierung des Landes behindern und eine Beschränkung seiner Macht | |
abwehren. Pakistans Militär schwächt mit der Ausschaltung der | |
verfassungsmäßigen Institutionen die liberale Mitte und die | |
Zivilgesellschaft. So ist spätestens jetzt klar geworden, dass der | |
Putschgeneral Musharraf und sein Militär für Pakistan das große Problem und | |
nicht die Lösung sind. | |
Musharraf liefert selbst das beste Beispiel für das Scheitern seiner | |
Politik, indem er den Ausnahmezustand und die Außerkraftsetzung der | |
Verfassung ausgerechnet damit begründet, dass der islamistische Terror | |
stärker geworden sei. Denn statt Terror sinnvoll zu bekämpfen und seine | |
gesellschaftlichen Ursachen zu beseitigen, hat das Militär gar kein | |
Interesse an einer Lösung. Denn weniger Terror würde bedeuten, dass es | |
seine Schlüsselrolle und damit seine Macht verliert. Das Militär muss sich | |
aber immer wieder als unverzichtbarer Verteidiger der Nation aufspielen | |
können, um seine Machtfülle zu rechtfertigen und die Unterstützung der USA | |
behalten zu können. | |
Seit dem 11. September 2001 haben die USA Musharrafs Regime mit über 10 | |
Milliarden US-Dollar unterstützt. Zugleich gibt es kaum ein Land, in dem | |
die Amerikaner noch unbeliebter sind als in Pakistan. Washingtons Bedauern | |
über Musharrafs "zweiten Putsch" wird in Pakistan nur mit Zynismus | |
quittiert. Die Menschen dort wissen, dass die USA in Pakistan dem Kampf | |
gegen den Terror immer Priorität eingeräumt haben gegenüber der Demokratie. | |
Genau das machen liberale Pakistaner dafür verantwortlich, dass unter | |
Musharraf die Macht und Militanz der Islamisten weiter zu- und nicht etwa | |
abgenommen haben. | |
Pakistans bisherige Erfahrungen mit der Demokratie und parteipolitischen | |
Führern waren sehr ernüchternd. Das ist nicht zuletzt deshalb so, weil das | |
Militär demokratische Praktiken und emanzipatorische Prozesse entscheidend | |
eingeschränkt hat. Die Generäle hatten und haben kein Interesse daran, dass | |
eine von Zivilisten geleitete Politik in Pakistan funktioniert. Da das Land | |
zudem seit einigen Jahren Atomwaffen hat, als deren verlässlicher Hüter | |
sich allein das Militär inszeniert, ist daraus ein pakistanischer Albtraum | |
mit gigantischem Drohpotenzial geworden. | |
Bisher gibt es keine Anzeichen, dass die USA das Militär ernsthaft dazu | |
drängen werden, die Kontrolle der pakistanischen Politik aufzugeben. Denn | |
dies würde auch bedeuten, Pakistans Atomwaffen unter zivile Hoheit zu | |
stellen - unter die Hoheit jener zivilen Politiker, die das Militär immer | |
als korrupt dargestellt hat, was sie ja leider auch waren und wohl weiter | |
sind. Sollte eines Tages wider Erwarten Afghanistan stabilisiert und | |
Pakistans Islamistenproblem gelöst sein, bleiben Pakistans Militär immer | |
noch die Atomwaffen als wichtige Begründung, um auf seiner fortgesetzten | |
außerordentlichen Machtfülle zu bestehen. Damit werden zivile Strukturen | |
und demokratische Alternativen weiter schwach und die Gefahr islamistischer | |
Militanz stark bleiben. Mag jetzt die Verhängung des Ausnahmezustands | |
vielleicht den Anfang vom Ende der Ära Musharraf einleiten, ein Ende des | |
pakistanischen Albtraums ist nicht in Sicht. | |
6 Nov 2007 | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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