# taz.de -- Verdacht auf deutsche Schmiergeldzahlungen im Irak: Korruptionsverd… | |
> Bis 2003 sollen Dutzende deutsche Firmen Iraks Ex-Diktator Saddam | |
> geschmiert haben, um Aufträge zu bekommen. Doch die Bundesregierung | |
> bleibt untätig. | |
Bild: Interesse an irakischen Erdöl-Einnahmen: Gebäude der B. Braun Melsungen… | |
Schmiergeld und Korruption sind ganz schlimm - diese Erklärung hat ihren | |
festen Platz in Politikerreden. Und doch bleibt die Bundesregierung | |
untätig, wenn es um konkrete Maßnahmen gegen Bestechung geht. Der aktuelle | |
Fall: Das CSU-geführte Bundeswirtschaftsministerium hat eine Beschwerde der | |
Antikorruptionsorganisation Transparency International gegen 57 deutsche | |
Unternehmen abgelehnt. Die Firmen, darunter Siemens, Daimler und Linde, | |
stehen im Verdacht, Schmiergeld an den inzwischen hingerichteten irakischen | |
Diktator Saddam Hussein gezahlt zu haben. | |
Nach Recherchen der Vereinten Nationen haben zwischen 1996 und 2003 rund | |
2.300 Unternehmen weltweit illegale Zahlungen an Saddam Hussein geleistet. | |
Die Geschäfte funktionierten so: Im Rahmen des Programms "Öl für | |
Lebensmittel" durfte die irakische Regierung bestimmte Einnahmen aus dem | |
Verkauf von Erdöl für den Import von Lebensmitteln und Medizinprodukten | |
verwenden. Daran Interesse hatten viele Unternehmen - aus Deutschland auch | |
Braun Melsungen, Fresenius Medical Care und Schering. Um in den Genuss | |
eines Auftrags zu kommen, war es damals mehr oder weniger üblich, 10 | |
Prozent der Auftragssumme - umschrieben als "Transportkosten" oder | |
Ähnliches - auf die Konten des irakischen Diktators zu überweisen. 57 | |
deutsche Unternehmen sollen insgesamt 11,9 Millionen Euro gezahlt haben. | |
Nach der Veröffentlichung des UN-Korruptionsbericht 2005 begannen einige | |
Staatsanwaltschaften zu ermitteln. Außerdem reichte Transparency seine | |
Beschwerde im Juni dieses Jahres beim Wirtschaftsministerium ein. Als | |
Mitglied der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und | |
Entwicklung (OECD) betreibt das Ministerium eine "Kontaktstelle", die die | |
Einhaltung der "OECD-Leitsätze für transnationale Unternehmen" überprüft. | |
Die Leitsätze sind ein Katalog von Empfehlungen für das zivilisierte | |
Verhalten von Konzernen. Die Manager sollen unter anderem darauf achten, | |
dass es in ihren Unternehmen keine Kinderarbeit gibt, die Beschäftigten | |
Tarifverträge abschließen können und Korruption unterbunden wird. | |
Transparency wirft den 57 deutschen Unternehmen nun vor, mit ihren | |
mutmaßlichen Zahlungen an Saddam Hussein gegen die OECD-Leitsätze verstoßen | |
zu haben. | |
Die Mitarbeiter von Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) freilich | |
weisen die Beschwerde zurück. Das Ablehnungsschreiben vom 31. August 2007, | |
das der taz vorliegt, ist erst jetzt bekannt geworden. "Lassen Sie mich | |
Ihnen versichern", schreibt Regierungsdirektor Tillmann Rudolf Braun, "dass | |
die Bundesregierung sich seit Jahren sehr intensiv bemüht, Unternehmen für | |
ihre Pflichten bei der Vermeidung von Korruption zu sensibilisieren." Die | |
Beschwerde könne man aber nicht annehmen, weil die Unternehmen mit dem Irak | |
nur Handel getrieben, nicht aber dort investiert hätten. Die Leitsätze, so | |
die Position des Ministeriums, bezögen sich nur auf Auslandinvestitionen. | |
Außerdem sei ein Beschwerdeverfahren unzulässig, wenn gleichzeitig | |
Staatsanwaltschaften juristisch ermittelten. | |
"Diese Einschränkungen sind nicht akzeptabel", sagte gestern Shirley van | |
Buiren von Transparency. Im Falle der Sportartikelfirma Adidas habe die | |
Kontaktstelle selbst schon ein Verfahren geführt, bei dem es um die | |
Arbeitsbedingungen in Zulieferbetrieben, also Handel, gegangen sei. Und | |
weil die Kontaktstelle nur die Einhaltung der OECD-Leitsätze, nicht aber | |
der Gesetze überprüfe, würden die juristischen Ermittlungen nicht gestört. | |
Der entscheidende Punkt dürfte sein: Im Verfahren beim | |
Wirtschaftsministerium müssten sich die Unternehmen ernsthaft mit den | |
Vorwürfen ihrer Kritiker auseinandersetzen. Weil aus der eigentlich | |
geschlossenen Verhandlung immer etwas nach außen dringt, bekommt die | |
Angelegenheit eine öffentliche Tragweite und Beachtung, die den Firmen | |
nicht lieb ist. Außerdem könnte es theoretisch auch passieren, dass das | |
Ministerium den Kritikern recht gibt. Indem Glos Mitarbeiter die Beschwerde | |
zurückweisen, versuchen sie den Unternehmen die schmerzhafte öffentliche | |
Auseinandersetzung zu ersparen. | |
9 Nov 2007 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
Hannes Koch | |
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Griechenland | |
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