# taz.de -- Konzern deckt auf: Siemens schmiert in Millardenhöhe | |
> Vorstandschef Löscher entdeckt neue "dubiose Zahlungen" in Höhe von 857 | |
> Millionen Euro. Insgesamt sind 1,4 Milliarden Euro geschmiert worden. | |
Bild: Noch irgendwelche Schiergeldzahlungen? Da hinten vielleicht? Siemens-Vors… | |
MÜNCHEN taz Auch wenn es sich hinter kryptischem Managerdeutsch versteckt: | |
Siemens scheint wirklich mit Energie und Offenheit an der Aufdeckung ihrer | |
Korruptionsaffären zu arbeiten. Zwar mäanderten am Donnerstag in München | |
bei der Jahrespressekonferenz des Konzerns Begriffe und Sätze herum, die | |
Straftaten wie Korruption und Bestechung in einen angenehmen | |
Wirtschaftsflow bringen. | |
Von der "Compliance, die wir verbessern müssen", ist die Rede, wenn es | |
eigentlich um die Bestechlichkeit geht, und von "nicht steuerabzugsfähigen | |
Ausgaben", wenn ein normaler Mensch von Korruptionsgeldern und schwarzen | |
Kassen reden würde. | |
Aber so ist der Branchenjargon nun mal, und nur für den Laien wirkt es wie | |
Vertuschung. Dabei ist Siemens in diesen Monaten kein Vorwurf zu machen, | |
der Konzern setzt weiter auf massive Transparenz, oder besser: Er muss auf | |
Transparenz setzen. Denn obwohl in Deutschland im Oktober die Ermittlungen | |
gegen eine 200-Millionen-Euro-Strafzahlung eingestellt worden sind, droht | |
weiter Ungemach. Weniger aus Deutschland und Europa als vielmehr aus den | |
USA. Die dortige Börsenaufsicht "SEC" ist um ein Vielfaches schärfer, wenn | |
Börsenteilnehmer den Wettbewerb unlauter beeinflussen - ihre Ermittlungen | |
sind noch nicht abgeschlossen. | |
Auf Nachfrage musste Anti-Korruptions-Vorstand Peter Solmssen, nominell | |
Siemens-Vorstand für - na klar - Compliance, einräumen, dass die | |
Siemens-Schmiergeldaffäre "ein großer Fall für die SEC" ist. | |
Genau hierin dürfte von Anfang an der Grund für die Offenherzigkeit von | |
Siemens liegen, einem Konzern, der sich einst wie kein anderer durch | |
Korpsgeist und Verschwiegenheit auszeichnete. Aber das Geschäft läuft | |
inzwischen weltweit und gerade den Vereinigten Staaten drohen bei Verstößen | |
gegen den FCPA (Foreign Corrupt Practices Act) erhebliche Geldbußen bis hin | |
zum doppelten Volumen der durch Korruption erlangten Aufträge; es ginge | |
dann um mehrere Milliarden Euro. | |
Und es könnte für den Siemens-Konzern, der viel Geschäft mit technischer | |
Infrastruktur macht, noch schlimmer kommen: In den USA drohen auch der | |
Ausschluss von öffentlichen Aufträgen und der Entzug von | |
Exportgenehmigungen sowie Klagen von Wettbewerbern. | |
Bislang hat die Schmiergeldaffäre dem Konzern mit seinen 471.000 | |
Beschäftigten nicht richtig wehgetan, wie die Bilanz des Geschäftsjahres | |
2006/2007 gestern zeigte. Alle Kennzahlen sind im grünen Bereich: Der | |
Gewinn stieg trotz hoher Bußgelder und Anwaltskosten um 21 Prozent auf mehr | |
als 4 Milliarden Euro. Der Umsatz legte um 9 Prozent auf knapp 72,5 | |
Milliarden Euro zu. Der Auftragseingang wuchs um 12 Prozent auf knapp 84 | |
Milliarden Euro. Und die Tendenz ist weitersteigend. | |
Beinahe wie die Portokasse muten dagegen die 1,4 Milliarden Euro an, die | |
die Korruptionsaffäre im vergangenen Geschäftsjahr umfasste. Darin | |
enthalten sind unter anderem Beraterhonorare in Höhe von 347 Millionen | |
Euro, Steuernachzahlungen und das erste Bußgeld, verhängt von der Münchner | |
Justiz in Höhe von 201 Millionen Euro. Und damit möglichst keine solchen | |
unangenehmen Fälle mehr auftauchen, möchte Siemens künftig eben seine | |
Compliance verbessern und im Zweifel auch auf Aufträge verzichten. Denn es | |
gebe zwar auf der ganzen Welt Korruption, gestand auch Siemens-Chef Peter | |
Löscher ein, aber nachhaltige Geschäfte mache man nur über "saubere | |
Geschäfte". | |
Um das durchzusetzen, wird der Münchner Konzern künftig die Zahl und | |
vielleicht auch die Namen der korrumpierenden Mitarbeiter nennen. Im | |
vergangenen Jahr habe sich Siemens von über 150 Mitarbeitern getrennt, über | |
300 seien abgemahnt oder verwarnt worden. Bei 14 Prozent aller Fälle seien | |
Korruption oder Verstöße gegen das Kartellrecht nachgewiesen worden, bei | |
einem Viertel Untreue oder Betrug. Der Rest habe gegen interne Richtlinien | |
verstoßen. | |
9 Nov 2007 | |
## AUTOREN | |
Max Hägler | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Verdacht auf deutsche Schmiergeldzahlungen im Irak: Korruptionsverdacht gegen 5… | |
Bis 2003 sollen Dutzende deutsche Firmen Iraks Ex-Diktator Saddam | |
geschmiert haben, um Aufträge zu bekommen. Doch die Bundesregierung bleibt | |
untätig. |