# taz.de -- Barrel-Preis kurz vor 100-Dollar-Marke: Wer vom Ölschock profitiert | |
> Spekulationen, politische Krisen, steigende Nachfrage und schrumpfende | |
> Reserven lassen den Ölpreis auf ein Rekordhoch steigen. Doch wer | |
> profitiert eigentlich davon? | |
Bild: Spekulaitive Investoren verdienten gut am steigenden Preis. | |
Der Ölpreis steuert weiter auf die Marke von 100 Dollar. Am Mittwoch | |
übersprang der Preis für ein Barrel (159 Liter) der Sorte West Texas | |
Intermediate (WTI), die als Referenzsorte für den weltweiten Ölpreis gilt, | |
zum ersten Mal 99 Dollar und stieg bis auf 99,28 Dollar. | |
Damit hat der Anstieg des Ölpreises der letzten Jahre seinen vorläufigen | |
Höhepunkt erreicht. Noch vor zehn Jahren, im November 1997, kostete ein | |
Barrel 20,17 Dollar. Wer sind die Nutznießer? | |
Ob in Saudi-Arabien, Venezuela oder im Iran: Alle erdölfördernden Länder | |
verzeichnen riesige Einnahmen. Aber auch Regionen, die nicht zu den | |
klassischen Förderländern gehören, kommt die Preisentwicklung zunutze. Zum | |
Beispiel der kanadischen Kleinstadt McMurray in der Provinz Alberta. Denn | |
hier liegen immense Ölsandvorkommen, die Fläche ist doppelt so groß wie | |
Bayern. | |
Kanada hat nach Saudi-Arabien die zweitgrößten Ölreserven der Welt. Doch | |
lange Zeit war die Förderung nicht rentabel. Öl aus dem Sand zu extrahieren | |
ist teuer und aufwändig. Für ein Barrel Rohöl müssen zwei Tonnen Ölsand | |
abgebaut werden. Der Kanadischen Energiebehörde zufolge betragen die | |
Betriebskosten für die Förderung von einem Barrel Öl bis zu 14 Dollar, im | |
Irak oder Saudi-Arabien hingegen kann ein Barrel für weniger als einen Euro | |
gefördert werden. Doch seit der Ölpreis im Jahr 2004 über 50 Dollar pro | |
Barrel stieg, lohnt sich der Abbau. | |
Auch Hugo Chávez zählt zu großen Gewinnern. Die Öleinnahmen ermöglichen es | |
dem venezolanischen Präsidenten, die lateinamerikanische Zusammenarbeit | |
voranzutreiben und dabei auch die Bank des Südens mit Geld zu füttern - mit | |
ihr soll ein Gegengewicht zur Weltbank entstehen. Chávez schafft sich | |
Freunde, indem er benachbarten Staaten billiges Öl liefert. Oder er kauft | |
Staatspapiere der Nachbarstaaten und ermöglicht es ihnen dadurch, ihre | |
Schulden bei der Weltbank zu bezahlen, wie er es vor zwei Jahren mit | |
Argentinien getan hat. Und natürlich ist die Sozialpolitik in der | |
Bolivarischen Republik um einiges einfacher, wenn die Ölrente stimmt. | |
Anders als bei den sagenhaften Preissteigerungen in den Siebzigerjahren | |
verprassen auch die arabischen Förderländer ihr Geld nicht mehr bloß. Sie | |
kaufen sich auch in westliche Konzerne ein, dem Beispiel Kuwaits folgend, | |
das schon 1973 einen Anteil von 13 Prozent bei Daimler-Benz erwarb. | |
Auch in den eigenen Ländern wird investiert. So hat sich Saudi-Arabien in | |
diesem Jahr ein Wirtschaftswachstum von 7 Prozent zum Ziel gesetzt - | |
außerhalb des Ölsektors. Industriestädte werden aus dem Wüstenboden | |
gestampft, die die besonderen Standortvorteile des Landes ausnützen: die | |
billige Energie. Die Ausrüstung sowohl für die neuen Wohnungen als auch für | |
die Fabriken kommt oft aus Deutschland. | |
## Die Ölkonzerne | |
BP, Exxon, Mobil, Chevron, Texaco, Gulf und Shell hießen die Ölkonzerne, | |
die einst als die "sieben Schwestern" die Welt regierten. Heute hingegen | |
fördern die privaten Ölkonzerne aus den USA und Europa - die größten unter | |
ihnen sind gegenwärtig ExxonMobil, Shell, BP, Chevron und Total - nur 10 | |
bis 15 Prozent der weltweiten Ölmenge. Nach wie vor machen sie enorme | |
Gewinne. Dennoch mussten sie im dritten Quartal 2007 Gewinneinbrüche | |
melden. | |
Denn der Preis für das Benzin, das sie an ihren Zapfsäulen verkaufen, | |
steigt zwar, aber längst nicht in dem Maße wie die Preise für Rohöl. Das | |
drückt auf die Gewinnspanne. Das Rohöl müssen die Konzerne teuer bezahlen, | |
weil sie selbst kaum Ölfelder besitzen. Üblicherweise zahlen sie an die | |
Förderländer Genehmigungs- und Fördergebühren. Werden "production sharing | |
agreements" geschlossen, geht ein Teil der Fördermenge an den jeweiligen | |
Staat. In anderen Fällen verbleibt der Rohstoff ganz beim Staat; die | |
Unternehmen werden für die Dienstleistung des Förderns bezahlt. | |
Hauptprofiteure der hohen Ölpreise sind daher staatliche oder von Staaten | |
kontrollierte Unternehmen, allen voran Saudi Aramco, PDVSA in Venezuela, | |
die staatliche chinesische Ölfirma CNPC oder Lukoil, größter russischer | |
Mineralölkonzern und eines der größten börsenotierten Ölunternehmen der | |
Welt. | |
## Deutsche Unternehmen | |
Teureres Öl bedeutet zunächst einmal höhere Kosten für deutsche | |
Unternehmen. Doch leidet die deutsche Wirtschaft längst nicht so stark, wie | |
man annehmen könnte. Zum einen ist sie enerergieeffizienter geworden. Nach | |
Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung kann heute | |
mit einer Tonne Öl fast doppelt so viel Wirtschaftsleistung erzielt werden | |
wie zur Zeit vor der ersten Ölkrise im Jahr 1973. | |
Zum anderen schwimmen gerade die arabischen Ölförderländer im Geld und | |
geben es mit vollen Händen aus - insbesondere für Anlagen zur Ölförderung | |
und Luxuskarossen made in Germany. Unter dem Strich geben die arabischen | |
Staaten fast doppelt so viel Geld in Deutschland aus, wie sie von hier für | |
ihr Erdöl überwiesen bekommen. | |
Ein weiterer Profiteur ist Airbus. Dank des hohen Ölpreises darf sich der | |
europäische Flugzeugbauer über den größten Auftrag seiner Geschichte | |
freuen. Am Wochenende wurde bekannt, dass die Fluggesellschaft Emirates 70 | |
Langstrecken-Maschinen vom Typ A 350 sowie elf Riesenflieger vom Typ A 380 | |
bestellt hat. Die Bestellung soll einen Wert von 14 Milliarden Euro haben. | |
## Der deutsche Fiskus | |
Auch für den deutschen Staat hat der hohe Ölpreis seine Vorteile: Auf den | |
Spritpreis wird die Mehrwertsteuer prozentual aufgeschlagen. Steigt der | |
Preis an der Tankstelle, müssen Autofahrer auch mehr Mehrwertsteuer pro | |
Liter an Finanzminister Peer Steinbrück abgeben. Ein Beispiel: Kostet | |
Benzin 1,50 Euro, dann gehen neben den rund 65 Cent Mineralölsteuer etwa 28 | |
Cent Mehrwertsteuer an den Staat. Der Durchschnittspreis für Benzin lag in | |
den ersten zehn Monaten dieses Jahres um 4,7 Cent höher als im vergangen | |
Jahr, der Dieselpreis ist um 2,6 Cent gestiegen. So gingen in diesem | |
Zeitraum laut ADAC rund 300 Millionen Euro mehr an den Staat als 2006. | |
Allerdings ist nicht sicher, ob sich Steinbrück tatsächlich über | |
Mehreinnahmen freuen kann. Denn in der Rechnung ist nicht berücksichtigt, | |
ob Autofahrer wegen der hohen Preise ihr Fahrzeug öfter stehen lassen. | |
Nicht eingerechnet ist auch, ob sie sich wegen der gestiegenen Spritkosten | |
zum Beispiel das eine oder andere Feierabendbier verkneifen - und damit an | |
dieser Stelle weniger Mehrwertsteuern zahlen. | |
## Sonne, Wind & Atom | |
Der hohe Ölpreis und das absehbare Ende der Ölvorkommen werfen die Fragen | |
nach alternativen Energiequellen auf. Kein Wunder, dass die Produzenten von | |
Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energien zu den Nutznießern des hohen | |
Ölpreises gehören. Deutschland ist auf diesem Gebiet eindeutiger | |
Weltmarktführer. | |
"Die Windenergiebranche hat im letzten Jahr Anlagen im Wert von 5,6 | |
Milliarden Euro exportiert", sagt Thorsten Paulsen vom Bundesverband der | |
Windenergiewirtschaft. 70 Prozent der gesamten Produktion seien ins Ausland | |
gegangen. So gab der Windenergieanlagenhersteller Nordex in der vorigen | |
Woche bekannt, einen Großauftrag aus den USA über 60 Turbinen erhalten zu | |
haben. "Viele Länder wollen von den steigenden Ölpreisen unabhängig | |
werden", sagt Paulsen. Der hohe Ölpreis ist somit ein richtig guter | |
Klimaschützer. | |
Allerdings feiert auch die Atomenergie nicht zuletzt wegen des Ölpreises | |
ein Comeback. Zahlreiche Staaten planen, wieder neue AKWs zu errichten. Die | |
Internationale Atomenergiebehörde schätzt, dass die Gesamtkapazität von 370 | |
Gigawatt Ende 2006 auf 447 bis 679 Gigawatt im Jahr 2030 zunehmen wird. | |
## Die Landwirte | |
Noch vor wenigen Jahren war klar: Ziehen die Energiepreise an, klagen die | |
Landwirte über teuren Dünger und teuren Sprit. Heute gibt es auch eine | |
andere Seite: Auf landwirtschaftlichen Flächen können Mais, Raps oder | |
Weizen als Lebensmittel angebaut werden - oder für die Energiegewinnung. | |
Die Konkurrenz zwischen Tank und Teller lässt die Preise steigen und | |
indirekt ist diese Entwicklung an den Ölpreis gekoppelt. | |
## Die Spekulanten | |
Täglich werden auf der Welt 87 Millionen Barrel Öl verbraucht. Gehandelt | |
wird an den Börsen wie der New York Mercantile Exchange (Nymex) oder der | |
International Petroleum Exchange (IPE) in London zumindest das Zehnfache. | |
Auf steigende Ölpreise zu setzen, brachte spekulativen Investoren zuletzt | |
gutes Geld. Ölfässer werden dabei bloß auf dem Papier gehandelt - ein | |
Interesse, den Rohstoff zu besitzen, um ihn in Raffinerien | |
weiterzuverarbeiten, gibt es dabei nicht. Neben Hedgefonds beteiligen sich | |
auch Ölfirmen zusätzlich zum physischen Geschäft an den Spekulationen. | |
Neben den Terminbörsen profitieren auch die Aktienbörsen und der | |
Rentenmarkt. Ein gewichtiger Teil der Petrodollars fließt in den | |
US-amerikanischen Kapitalmarkt. Laut US-Finanzministerium halten die | |
Opec-Staaten rund 120 Milliarden Dollar an US-Staatsanleihen. Die Nachfrage | |
nach den Rentenpapieren drückt die Rendite, was die Refinanzierung der | |
Unternehmen erleichtert und zu steigenden Aktienkursen führt. | |
22 Nov 2007 | |
## AUTOREN | |
N. Basel | |
C. Zeiner | |
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Ölpreis | |
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