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# taz.de -- Bundesrichter Winkler zum"mg"-Urteil: "Ein schmaler Grat"
> Der frühere Bundesrichter Walter Winkler begrüßt das Urteil, "plakative"
> Brandanschläge nicht als Terrorismus zu werten. Sympathiewerbung für
> Terroristen falle nicht darunter.
Bild: Straftat aber kein Terrorismus.
taz: Herr Winkler, der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die
"militante gruppe" nicht als terroristische Vereinigung einzustufen ist.
Ist das eine Einzelfall- oder eine Grundsatzentscheidung?
Walter Winkler: Der 3. Strafsenat hat die Anforderungen des neu
formulierten Paragrafen 129 a in dieser Entscheidung grundsätzlich geklärt.
Terroristische Vereinigungen, die nur Brandanschläge begehen, müssen ein
gewisses Mindestmaß an Gefährlichkeit für den Staat aufweisen. Mit dieser
Entscheidung wird die erhebliche Einschränkung des Paragrafen 129 a durch
den Gesetzgeber bestätigt und verdeutlicht.
Anfang vergangenen Jahres waren Sie an einer Entscheidung des
Bundesgerichtshofs beteiligt, mit der der "Freikorps Havelland" als
"terroristische Vereinigung" charakterisiert wurde. Dabei hatten auch diese
jugendlichen Rechtsextremisten nur Brandanschläge verübt.
Dort ging es um Anschläge auf die Geschäfte von Ausländern. Durch diese
Attacken sollte die gesamte ausländische Bevölkerung der Region
systematisch ihrer Existenzgrundlage beraubt und schließlich vertrieben
werden. Dies zielte auf eine schwerwiegende Beeinträchtigung der inneren
Sicherheit. So etwas kann durchaus eine erhebliche Schädigung des Staates
zur Folge haben.
Sie sehen also einen Unterschied zwischen Brandanschlägen auf Geschäfte von
Ausländern und auf Fahrzeuge der Bundeswehr?
Das kann im Hinblick auf die gesetzlichen Anforderungen, insbesondere die
Eignung zu einer erheblichen Schädigung des Staates, sehr wohl einen
Unterschied machen. Die Bundeswehr ist sicher nicht so leicht
einzuschüchtern, wie es ausländische Mitbürger sind. Aber auch wenn die
Anwendung des Paragrafen 129 a an seiner neuer Struktur scheitert, sind
Anschläge auf Armeelaster natürlich strafbar, zum Beispiel als
Brandstiftung. Und eine Gruppe, die auf das Begehen solcher Taten abzielt,
muss in der Regel als "kriminelle Vereinigung" eingestuft werden.
Es laufen auch noch Ermittlungsverfahren gegen militante G-8-Gegner.
Zu dem konkreten Verfahren möchte ich mich nicht äußern. Aber generell wird
man sagen können, dass Paragraf 129 a nach der Neufassung kaum mehr
anwendbar ist, wenn Brandanschläge einen eher plakativen, demonstrativen
Charakter haben und vor allem Aufmerksamkeit für ein politisches Anliegen
schaffen wollen. Das war dem Gesetzgeber bewusst.
Bei den militanten G-8-Gegnern ist ja auch umstritten, ob es hier überhaupt
eine gemeinsame Vereinigung gab oder ob diese nur von der
Bundesanwaltschaft konstruiert wurde.
Die bisherige Rechtsprechung des BGH hat für eine terroristische
Vereinigung relativ feste und dauerhafte Strukturen verlangt. Aufgrund des
EU-Rahmenbeschlusses zum Terrorismus wird die Schwelle aber wohl gesenkt
werden müssen, sodass auch eher lockere Zusammenschlüsse eine
terroristische Vereinigung sein können. Das Problem ist die Grenzziehung.
Es muss schon noch klar sein, wer dazugehört und wer nicht. Es geht hier
immerhin um eine Strafe von bis zu zehn Jahren Haft für die bloße
Mitgliedschaft.
Linke Gruppen fordern die Abschaffung des Paragrafen 129 a. Zu Recht?
Nein. Wenn es um Terrorismus geht, brauchen wir eine Vorfeldstrafbarkeit.
Es muss auch derjenige bestraft werden können, der eine Vereinigung mit
gründet und aufrechterhält, die auf die Begehung von Terroranschlägen
abzielt, auch wenn der Betreffende einen solchen Anschlag noch nicht
begangen hat.
Der Paragraf 129a wird oft dazu benutzt, die linke Szene auszuforschen,
ohne dass es am Ende zu entsprechenden Verurteilungen kommt.
Die bloße Ausforschung darf natürlich nicht das Ziel sein. Aber dass ein
Ermittlungsverfahren nach Paragraf 129 a nicht mit einer entsprechenden
Verurteilung endet, heißt nicht unbedingt, dass an der Sache nichts dran
war. Oft waren durchaus beachtliche Verdachtsgründe gegeben, die jedoch
nicht für eine Verurteilung reichten. Manchmal wurde der Beschuldigte wegen
eines anderen Delikts angeklagt.
Die Sympathiewerbung für Terrorgruppen ist seit dem Jahr 2002 nicht mehr
strafbar. Die Landesinnenminister fordern, dies wieder zu ändern.
Das halte ich für keine gute Idee. Wenn Sympathiewerbung für Terroristen
strafbar ist, bewegt man sich auf einem schmalen Grat zwischen strafbarem
Handeln und zulässiger freier Meinungsäußerung. In einem freien Land muss
man damit leben, dass auch Äußerungen erlaubt sind, die einem nicht
gefallen. Außerdem könnte es durchaus unklug sein, Menschen, die noch
außerhalb der Vereinigung stehen und vielleicht etwas unüberlegt ihre
Sympathie bekunden, durch die Bezeichnung "Terrorist" zu stigmatisieren und
dadurch dem Terrorismus näher zu bringen.
Die Justizministerin Brigitte Zypries schlägt einen neuen Straftatbestand
"Vorbereitung von Gewalttaten" vor, der auch für Einzelpersonen gelten
soll. Was halten Sie davon?
Diese Pläne begrüße ich. Es scheint mir sinnvoller, konkrete Vorbereitungen
von terroristischen Anschlägen strafrechtlich zu erfassen - auch wenn sie
von Einzelpersonen begangen wurden -, als vage Kontakte zwischen Personen
krampfhaft unter den Vereinigungsbegriff zu pressen.
Zypries will den Besuch eines terroristischen Ausbildungslagers nur dann
bestrafen, wenn er in der Absicht geschieht, das Erlernte in Anschlägen
anzuwenden. Die Union will auf diese Absicht verzichten. Was empfehlen Sie?
Mir ist klar, dass solche Intentionen nicht leicht zu beweisen sind. Aber
ohne das Erfordernis einer terroristischen Intention müsste man die neue
Strafvorschrift sehr viel enger fassen.
INTERVIEW: CHRISTIAN RATH
28 Nov 2007
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