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# taz.de -- Kommentar "mg"-Urteil: Das beschränkte Terror-Stigma
> Mit seinem Urteil, die linke "militante gruppe" ist keine
> Terror-Vereinigung, stellt der Bundesgerichtshof trotzdem keinen
> Freibrief für politisch motivierte Zündler aus.
Nicht jeder militante Widerstand gegen die herrschenden Verhältnisse ist
Terror. Das hat der Bundesgerichtshof nun in aller Deutlichkeit
klargestellt. Wenn eine Gruppe von Linksradikalen nur Bundeswehrlaster
anzündet und leere Gebäude in Brand setzt, verbreitet dies weder in der
Bevölkerung noch im Staatsapparat Angst und Schrecken. Eher handelt es sich
dabei um Propaganda mit kriminellen Mitteln.
Der Karlsruher Beschluss kommt auch nicht überraschend. Er wendet nur eine
Gesetzesänderung der rot-grünen Bundesregierung von 2003 an. Das
Terror-Stigma soll wieder auf Fälle echten Terrors beschränkt werden, war
das Ziel der damaligen Reform. In Zeiten, in denen Kofferbomben in
Regionalzügen abgestellt werden, ist der Unterschied offensichtlich. Die
"militante gruppe" (mg) ist eben keine neue RAF und auch keine deutsche
Dschihad-Union.
Nur die Bundesanwaltschaft hat bis zuletzt die Anwendung des Paragrafen 129
a auf Gruppen wie die mg verteidigt. Warum? Ging es ihr gerade um die
Stigmatisierung linksradikaler Gruppen, um die Dramatisierung einer neuen
Gefahr von links? Die Erklärung ist möglicherweise banaler: Die
Bundesanwälte wollten einfach ihre Zuständigkeit für solche Anschläge nicht
verlieren. Hier war der Bundesgerichtshof nun großzügig: Die
Bundesanwaltschaft darf "wegen der besonderen Bedeutung des Falles" weiter
gegen die mg ermitteln.
Bei überregional gestreuten Anschlagsserien macht das sogar Sinn. Was aber
ändert sich überhaupt durch die Neueinstufung der mg als "kriminelle
Vereinigung"? Den größten Nutzen spüren die drei Berliner, die als
mg-Verdächtige in Untersuchungshaft saßen. Sie wurden gestern umgehend aus
dem Gefängnis entlassen, da die Mitgliedschaft in einer kriminellen
Vereinigung nicht automatisch zu Untersuchungshaft führt. Ansonsten werden
Brandanschläge natürlich auch weiterhin bestraft, und auch weiterhin können
Wohnungen durchsucht und Telefone abgehört werden.
Das Urteil ist also alles andere als ein Freibrief für politisch motivierte
Zündler. Aber es zeigt, dass der Staat mit seinen Vorwürfen zuletzt das Maß
verloren - und jetzt wiedergefunden hat.
29 Nov 2007
## AUTOREN
Christian Rath
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