# taz.de -- Berliner Adventskalender: Bundesplatz 14 | |
> Im Kino Bundesplatz-Studio sammeln sich die Relikte vergangener | |
> Jahrzehnte. | |
Jedes Haus hat eine Nummer. Doch was dahintersteckt, wissen nur wenige. Zum | |
Glück gibt es Adventskalender: Da darf man jeden Tag eine nummerierte Tür | |
öffnen - und sich überraschen lassen. | |
Die Kulisse ist filmreif - gerade weil sie wirkt wie eine Kulisse. An drei | |
der vier Ecken des südlichen Bundesplatzes in Wilmersdorf, der sich gerade | |
noch so in das Stadtgebiet innerhalb des S-Bahn-Rings quetscht, locken | |
Restaurants; ethnisch brav ausgewogen ein Chinese, ein Mexikaner sowie ein | |
Italiener. Dazu gibts den obligatorischen Kiosk und, in dem einzigen | |
Nachkriegsbau hier, einen Video-Verleih, der sich bisher noch nicht dem | |
DVD-Wahn ergeben hat. "Magic Video" steht in fieser pinker Schrift auf grün | |
leuchtendem Untergrund. An der vierten Ecke schließlich der kulturelle | |
Gegenspieler: das Kino Bundesplatz-Studio. | |
Das Ladenkino im Erdgeschoss eines Altbaus mit gerade mal einem Saal mit | |
rund 100 Plätzen und der Anzeigentafel mit Steckschrift wirkt wie ein | |
Relikt aus anderen Zeiten. Es fügt sich damit ziemlich unauffällig in die | |
Kulissenlandschaft ein. Vielleicht ein bisschen zu unauffällig. Der | |
Betreiber, der hier auch die Karten und die Cola verkauft und während der | |
Vorstellung die Filmrollen wechselt, will nicht mit einer Zeitung sprechen. | |
"Es kann sein, dass das Kino im Frühjahr schließen muss", so seine | |
Begründung. Er verhandle gerade, mehr wolle er deswegen lieber nicht sagen. | |
Es wäre das Ende einer langen Tradition: 1913 wurden hier erstmals Filme | |
gezeigt, damals allerdings noch vor bis zu 230 Zuschauern. Und weil der | |
Platz seinerzeit noch Kaiserplatz hieß, nannte sich das Kino folgerichtig | |
natürlich "Lichtspiele Kaiserplatz". | |
Auch das Foyer des Kinos wirkt wie eine Kulisse - es vermittelt den | |
Eindruck eines wohl sortierten Flohmarktstandes. Der Thekentisch, | |
eigentlich eine Vitrine, erinnert formschön an die 50er-Jahre, genauso wie | |
die schmucken Tafeln mit Preisen für Getränke, das Schildchen mit der | |
Aufschrift "Kasse", und die "Kindl"-Leuchte obendrüber könnte eher aus | |
einer typischen Berliner Eckkneipe stammen; die rote | |
Schottenkaro-Wandverkleidung in einer Ecke und die beiden groben Holztische | |
im Raum sind historisch hingegen kaum zuordenbar. | |
Das Sammelsurium wird von Wänden in grellem Grün umrahmt. Dazwischen | |
endlich entdeckt das Auge etwas Vertrautes: Plakate von Filmklassikern. So | |
richtig schick wirkt das alles nicht - aber irgendwie spannend. | |
Hinter der Vitrinen-Theke steht der Betreiber und bietet die Karten, Kindl, | |
Bionade und Lakritzstangen an. | |
So richtig motiviert wirkt er dabei nicht - aber das stört auch gar nicht. | |
Es passt zum Haus: Hier laufen anspruchsvolle Nachspieler, also Filme, die | |
in den meisten anderen Kinos schon aus dem Programm geflogen sind. Im | |
beschaulich-bürgerlichen Wilmersdorf finden sie offenbar noch ihr Publikum. | |
Rund 50 Besucher wollen an diesem Abend "Auf der anderen Seite" von | |
Regisseur Fatih Akin sehen. Der Film läuft seit neun Wochen. | |
Der Kinoraum selbst erfüllt die inzwischen gestiegenen Erwartungen, die das | |
Foyer hinsichtlich der Ausstattung geweckt hat - fast. Der ganze Saal wirkt | |
alt und ist es auch, dazu ganz in Braun gehalten: die Wandbespannung aus | |
grobem Stoff, die Klappsessel und auch die Holzverkleidung bis auf | |
Ellenbogenhöhe. Die einzige Dekoration an der Wand: ein | |
Charlie-Chaplin-Poster. Auch die Tonanlage im Saal ist seit Jahrzehnten | |
unverändert: Zwei Lautsprecher vorne neben der Leinwand, das wars. Mehr | |
braucht es ja auch nicht. | |
Den Besuchern fällt das alles gar nicht mehr auf. "Wir kommen hier ab und | |
zu her - es liegt halt so schön nah um die Ecke", meint eine Zuschauerin. | |
Und da kommt es auf die Kulisse einfach nicht an. | |
13 Dec 2007 | |
## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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