# taz.de -- Verlegerischer Trendsetter: "Wir werden wachsen" | |
> Tropen-Verleger Tom Kraushaar wechselte kürzlich zu Klett-Cotta, und | |
> Wolfgang Farkas holte bei seinem Blumenbar-Verlag einen Investor ins | |
> Boot. | |
Bild: Blumenbar-Autor Tom Kummer | |
Mit den Verlagen Tropen und Blumenbar haben gleich zwei der wichtigsten | |
Trendsetter unter den unabhängigen Kleinverlagen wesentliche Veränderungen | |
gemeldet. Blumenbar (unter den Autoren: Tom Kummer, Peter Licht, Hunter S. | |
Thompson) hat jetzt einen Investor, der den Verlag in einer neuen Liga | |
spielen lassen will. Die Belegschaft, die bisher nur aus den beiden | |
Verlagsgründern Wolfgang Farkas und Lars Birken-Bertsch bestand, wird auf | |
sieben Mitarbeiter aufgestockt. Ganz anders die beiden Tropen-Verleger Tom | |
Kraushaar und Michael Zöllner. Sie steigen aus und steigen auf. Als | |
verlegerische Geschäftsführer wechseln sie zum Stuttgarter Verlag | |
Klett-Cotta. Teile des alten Tropen-Programms (Autoren u. a. Jonathan | |
Lethem, Johanna Sinisalo) werden hier als Imprint weitergeführt. Das | |
Sachbuchprogramm von Tropen wird es dagegen nicht mehr geben. | |
taz: Neues Jahr, neues Glück, Herr Kraushaar? | |
Tom Kraushaar: Für mich ist die Arbeit bei Klett-Cotta ja nicht nur etwas | |
Neues, sondern auch eine Art Rückkehr. Bevor ich vor knapp drei Jahren zu | |
Tropen kam, habe ich vor allem in großen Verlagen gearbeitet. | |
Herr Farkas, Blumenbar ist einer der wichtigsten unabhängigen Kleinverlage. | |
Jetzt haben Sie einen Investor. Müssen wir uns vom alten Blumenbar-Verlag | |
verabschieden? | |
Wolfgang Farkas: Nein! Im Gegenteil. Es war ganz einfach so, dass wir mit | |
dem Verlag eine Grenze erreicht hatten. Nicht nur finanziell, sondern auch, | |
was unsere Kraft anging. Deshalb haben wir einen Partner gesucht, der uns | |
ermöglicht, das zu bewahren und weiterzuführen, was wir in den letzten | |
Jahren an enthusiastischer und mühevoller Aufbauarbeit geleistet haben. | |
Das klingt nach selbstloser Unterstützung. Aber wer so viel Geld in einen | |
Verlag steckt, will doch auch Entscheidungsträger sein. | |
Farkas: Peter Smeets, unser Investor, hat bisher keine Erfahrungen in der | |
Verlagsbranche. Aber er ist ein genauso kühl denkender wie visionärer | |
Unternehmer. Absprachen mit ihm werden weniger das inhaltliche Programm | |
betreffen als die strategische Ausrichtung des Unternehmens. Etwa wenn es | |
darum geht, ob eine Blumenbar-gemäße Ratgeberreihe gestartet werden soll. | |
Oder, um ein Extrembeispiel zu nennen, ob es mittelfristig sinnvoll wäre, | |
eine Druckerei zu kaufen. | |
Sie werden den Renditedruck schon zu spüren bekommen. | |
Farkas: Natürlich wollen wir im nächsten Jahr nicht weniger verkaufen als | |
2007, sondern mehr. Aber es gibt ein Bewusstsein dafür, dass ein Verlag | |
einen anderen Rhythmus hat als, sagen wir, ein Möbelhaus. Wir haben | |
definitiv nicht den Druck, dass wir in den nächsten drei Jahren 15 Prozent | |
Rendite abwerfen müssen. | |
Aber für Sie, Herr Kraushaar, steigt der Druck bei Klett-Cotta im Vergleich | |
zu Ihrer Zeit als Tropen-Verleger sicher enorm. | |
Kraushaar: Bei Tropen haben wir im letzten Jahr durchschnittlich 6.000 | |
Exemplare pro Titel verkauft. Die Rendite lag etwa bei 20 Prozent. Das sind | |
Zahlen, mit denen auch ein mittelgroßer Verlag gut leben kann. Das heißt | |
nicht, dass der Druck bei Klett-Cotta nicht groß wäre. Das Entscheidende | |
aber ist: Er geht von uns selbst aus! Wir wollen unseren Autoren etwas | |
beweisen. Das ist alles. Es ist kein Druck, der von der Klett-Gruppe | |
ausgeht. | |
Lassen Sie uns mal über die konkreten Veränderungen der Arbeit sprechen. | |
Farkas: Bisher gilt für Blumenbar vielleicht die Formel: sehr intensives | |
Verlegertum mit lässiger Geste. Jetzt gibt es einfach mehr Struktur: | |
Anstellungsverträge, Telefonanlage, Computer. Ich habe dieses Jahr 28 Tage | |
Urlaub. Vollkommen neues Lebensgefühl! Auch der Umfang ändert sich, es wird | |
nächstes Jahr 14 statt bislang sieben Titel geben. | |
Wo sollen denn nun auf einmal so viel mehr Titel herkommen? Die müssen ja | |
auch noch gut sein! | |
Farkas: Da sehe ich keine Probleme. Es gab immer schon Projekte, die wir | |
nicht weiterverfolgen konnten, weil die finanziellen Mittel fehlten. Was | |
allerdings stimmt: Von Agenturen kommt nicht gerade viel, was man verlegen | |
möchte. Aber wir bewegen uns weiterhin in einer lebendigen Szene, wo man | |
auf spannende Autoren und Themen trifft. | |
Anders als bisher werden Sie sich dann nicht mehr selbst um alle Projekte | |
kümmern können. | |
Farkas: Ja, das wird ungewohnt sein. Wie unser neues Team funktioniert, ist | |
für mich die spannendste Frage. | |
Es könnte für Sie beide auch laufen wie beim Fußball: In der Zweiten Liga | |
spielt man brillant, wenn man aber nach dem Aufstieg in der Ersten Liga | |
antreten muss, sieht das plötzlich alles ganz erbärmlich aus. | |
Kraushaar: Da kann ich Sie beruhigen. Tropen war zwar ein kleiner Verlag. | |
Aber wir haben mit Strukturen gearbeitet, die einem großen Publikumsverlag | |
entsprechen. Der andere Aspekt ist die inhaltliche Kompetenz. Wir | |
verantworten jetzt ein Gesamtprogramm mit verschiedenen Bereichen. Aber | |
natürlich gibt es bei Klett-Cotta für die Programmbereiche Spezialisten, | |
denen wir vertrauen. | |
Für das Tropen-Programm waren Sie und Michael Zöllner die Spezialisten. Das | |
war es ja gerade, was den Tropen-Verlag ausgezeichnet und sein Profil | |
ausgemacht hat. Es erstaunt mich, wie gelassen Sie das aufgeben. | |
Kraushaar: Sehen Sie einfach mal die andere Seite. Zunächst ist es eine | |
große Bereicherung, dass man sich jetzt auch mit Autoren wie Jünger oder | |
Benn auseinandersetzen kann, die zum Klett-Cotta-Programm gehören. Dazu | |
kommt die Unterstützung durch die Kollegen in der Presse- und | |
Marketingabteilung, mit der man einen Titel groß machen kann. Das ist doch | |
genau das, was man als Verleger will. Da geht es nicht um so etwas | |
Abstraktes wie ein Unternehmen oder darum, ob das jetzt ein großer Verlag | |
oder ein Kleinverlag ist. | |
Farkas: Moment mal. Das Unternehmen ist doch nichts Abstraktes! Es geht | |
dabei auch um so etwas wie Verlagskultur. Uns ging es immer darum, nicht | |
einfach möglichst viele Bücher zu produzieren und zu verkaufen. Wir wollten | |
etwas aufbrechen und uns auf keinen Fall in diese behäbige | |
Verlagsspießigkeit hineinbegeben. | |
Kraushaar: Wenn wir mit Tropen dazu beigetragen haben, die Verlagskultur zu | |
verändern, dann war das nicht unsere primäre Absicht. Ein Verlag ist immer | |
ein Mittel. Der Zweck sind die Bücher und die Literatur. | |
Aber für diese Literatur, von der Sie sprechen, sind doch die kleinen | |
Verlage unverzichtbarer Kreativpool. | |
Kraushaar: Aber die Impulse müssen doch trotzdem vom Wesentlichen kommen: | |
dem einzelnen Buch, dem Text. Bei Covern zum Beispiel reicht es doch nicht, | |
wenn ein Verlag etwas Neues und Abgefahrenes macht, ohne dabei an die | |
Inhalte zu denken. Das fiele doch dann eher in den Aufgabenbereich von | |
Werbeagenturen. | |
Farkas: Eben nicht. Werbeleute denken genau andersherum: Da ist ein Cover, | |
das hat sich gut verkauft, also machen wir das wieder. Deshalb sehen die | |
Bücher auch alle so gleich und langweilig aus. | |
Es geht ja nicht nur um Covergestaltung. Es geht um die inhaltlichen | |
Impulse, die von Kleinverlagen ausgehen. Da ist es natürlich schade, wenn | |
jetzt mit Tropen einer aus dem Kreativpool wegfällt. | |
Kraushaar: Entscheidend ist die verlegerische Handschrift. Natürlich haben | |
kleine Verlage in den letzten Jahren viel bewirkt. Und auch davor schon: | |
Kunstmann oder Links zum Beispiel. Das lag aber immer an den Leuten selbst | |
und nicht daran, ob sie einen kleinen oder einen großen Verlag hatten. | |
Wie verändert sich denn Ihre verlegerische Handschrift? Tropen hat man mit | |
dem Label urbane Subkultur verbunden. | |
Kraushaar: In der Belletristik wird es das weiterhin geben, allein schon um | |
Tropen als Imprint vom übrigen Klett-Cotta-Programm abzuheben. | |
Bisher hat man Bücher von Blumenbar auch deshalb gern besprochen, weil man | |
das als eine Art, nun ja, Fürsorge für einen kleinen, schützenswerten | |
Aktivposten gehalten hat. Das wird sich ändern, oder? Jetzt müssen Sie in | |
den Feuilletonredaktionen ganz anders mit den Titeln aus großen Verlagen um | |
die wenigen Besprechungsplätze konkurrieren. | |
Farkas: Das mit der Fürsorglichkeit ist ja so eine Sache. Erst tut sie gut. | |
Aber jetzt freut man sich sehr über jede Besprechung, die nicht mehr darauf | |
eingeht, dass wir so ein sympathischer Verlag sind, sondern sich mit dem | |
Buch auseinandersetzt. Ich hoffe, dass unsere Art, Bücher zu machen, | |
weiterhin honoriert wird. Kann aber natürlich sein, dass der eine oder | |
andere jetzt strengere Kriterien anlegt und überall Investoreneinfluss | |
wittert. Den soll man auch spüren, aber vor allem in der Weise, dass die | |
Möglichkeiten, tolle Bücher zu machen, größer werden. | |
Was sagen denn die Kollegen aus den anderen Kleinverlagen? Dass Sie ihren | |
Idealismus verkauft haben, um zum Establishment zu gehören? | |
Farkas: Ach, gar nicht. Was jetzt mit Blumenbar passiert ist, könnte doch | |
Schule machen. Es wäre erfreulich, wenn junge aufstrebende Verlage mehr in | |
das Blickfeld von Investoren kämen. Ohne Kapital geht es auf Dauer nicht. | |
Schauen wir mal in die Zukunft: Blumenbar in zehn Jahren? | |
Farkas: Wir kaufen den Tropen-Verlag vom Klett-Cotta-Imperium zurück und | |
entlassen ihn wieder in die verlegerische Unabhängigkeit? Nee, ernsthaft: | |
Wir werden wachsen, allerdings nicht zu schnell. Und wir wollen auch in | |
Zukunft die Blumenbar-Kultur nicht nur über Bücher vermitteln. Eine | |
mittelfristige Perspektive könnte sein, in verschiedenen Städten | |
Blumenbar-Cafés zu eröffnen, wo auch Lesungen und Clubabende stattfinden. | |
Dann wäre man ja irgendwie auch wieder am Anfang, als Blumenbar noch kein | |
Verlag, sondern ein literarischer Salon in einer Münchener Altbauwohnung | |
war. Apropos Anfang, Herr Kraushaar, ich habe Ihnen ein Foto mitgebracht. | |
Kraushaar: Ach, das ist doch unsere Tropen-Palme! Sie steht noch in den | |
Verlagsräumen in Berlin-Prenzlauer Berg. Die kommt auf jeden Fall noch nach | |
Stuttgart ins Klett-Cotta-Büro. | |
Ist das Klima denn dort palmentauglich? | |
Kraushaar: Das Klima ist sehr gut. Und Michael Zöllner und ich werden uns | |
darum kümmern, dass die Palme weiter wächst und gedeiht. | |
Steht die Palme in zehn Jahren auch noch in Stuttgart? | |
Kraushaar: Die Arbeit bei Klett-Cotta ist eine große Aufgabe. Eine | |
Verpflichtung gegenüber einer Tradition, die viel Spaß macht, und ein | |
Privileg, das wir gern länger als zehn Jahre genießen. | |
6 Jan 2008 | |
## AUTOREN | |
Wiebke Porombka | |
## TAGS | |
Jonathan Lethem | |
USA | |
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