# taz.de -- Jürgen Klinsmann wird Bayern-Trainer: Das Weltmännle ist wieder da | |
> Der FC Bayern München sucht nach einer Herausforderung. Der Klub glaubt, | |
> sie in Jürgen Klinsmann gefunden zu haben. Aber warum tut der sich den | |
> Job an? | |
Bild: Gott ist tot: Jürgen Klinsmann steigt vom Olymp herab. | |
Der FC Bayern München hat einen neuen Trainer. Dass diese Nachricht zu | |
einem turbulenten Medienereignis wurde, liegt an der Person des Neuen: "Ich | |
traue mir die Aufgabe ohne weiteres zu. Ich weiß sehr wohl, auf was ich | |
mich einlasse", sagte Jürgen Klinsmann auf einer Pressekonferenz in | |
München, die live im Fernsehen übertragen wurde. Er fühle sich geehrt, sagt | |
er hernach im Blitzlichtgewitter. "Es gibt nur wenige Möglichkeiten, auf so | |
einem Niveau arbeiten zu können." Klinsmann übernimmt ab Juli die | |
sportliche Leitung. Er erhält einen Zweijahresvertrag. Welche Assistenten | |
mit ihm nach München kommen, gab Klinsmann noch nicht bekannt. | |
Die Verpflichtung kommt überraschend, war doch in den vergangenen Tagen | |
eher damit gerechnet worden, dass der Portugiese José Mourinho oder der | |
Holländer Frank Rijkaard künftig an der Säbener Straße arbeiten werden. | |
Klinsmann, der von 1995 bis 1997 als Stürmer beim FC Bayern spielte, mit | |
ihm die Meisterschaft und den Uefa-Cup gewann, wurde aber bereits kurz nach | |
Weihnachten von Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge in Newport | |
Beach/Kalifornien angerufen. Der "absolute Wunschkandidat" (Rummenigge) | |
schlief eine Nacht drüber, dann sagte er "voller Stolz" zu. "Ich möchte die | |
Arbeit weiterführen, die ich mit der Nationalmannschaft angefangen habe", | |
sagte Klinsmann, der künftig dauerhaft mit seiner Familie in München leben | |
will. | |
Die Verpflichtung wirft freilich Fragen auf: Schmeißt er Torwarttrainer | |
Sepp Maier nun achtkantig raus, so wie er es in der Nationalmannschaft | |
vorgemacht hat? Kann Klinsmann, der sich bisher nur als Nationalcoach in | |
einer Ausnahmesituation bewährt hat, tatsächlich einen europäischen | |
Spitzenklub trainieren? Ist er reif für eine Aufgabe im grauen Alltag der | |
Bundesliga? Und schließlich: Verträgt er sich mit Bayern-Manager Uli | |
Hoeneß, dem ein gespanntes Verhältnis zu Klinsmann nachgesagt wird? | |
Klinsmann hatte als DFB-Chefcoach das Establishment der Bundesliga mit | |
Aussagen über verstaubte Trainingsmethoden und mangelnden Innovationswillen | |
provoziert. Ohne den Namen des FC Bayern explizit zu erwähnen, forderte er | |
eine Neuorientierung in der Liga. Der Maßstab dürfe nicht die nationale | |
Spitze sein, sondern die Champions League, der FC Barcelona, Arsenal London | |
oder Ajax Amsterdam, mahnte Klinsmann. Uli Hoeneß reagierte damals | |
verärgert auf Klinsmanns Vorstöße; düster orakelte Hoeneß vor der | |
Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland: "Die Mächte sind gegen ihn. Jetzt | |
aber muss er einsehen, dass Sturheit und Eigensinn keine Chance haben. Ein | |
Volk von 80 Millionen Leuten steht dagegen, mit all deren Bataillonen, die | |
jetzt aufgefahren werden. Das hält kein Mensch aus." Gestern sagte er | |
allerdings: "Wir werden uns gegenseitig befruchten. Niemand muss | |
befürchten, dass es hier krachen wird." Auch Klinsmann gab sich | |
versöhnlich. "Meinungsverschiedenheiten gehören dazu, wenn man im Leben | |
vorankommen will." Zudem versicherte er Hoeneß, dass "das hier kein | |
Reformprojekt" werde. Da waren schnell die Kontroversen aus dem Jahr 2006 | |
zwischen beiden "Alpha-Tieren" (Hoeneß) vergessen, als der Bayern-Manager | |
zu Protokoll gegeben hatte: "Der soll hierher kommen und nicht ständig in | |
Kalifornien rumtanzen und uns hier den Scheiß machen lassen." Den Scheiß | |
macht Klinsmann jetzt in München - von Hoeneß Gnaden. Es ist ein Experiment | |
für den deutschen Fußballprimus, ein echtes Wagnis. Aber wie ist es | |
gekommen, dass der Großkritiker zum größten Fan des 42-Jährigen geworden | |
ist? War es die vertrackte Lage des Klubs, die den alten Haudegen Hoeneß | |
umstimmte und das Weltmännle nun nach Bayern holen ließ? | |
Wider die Saturiertheit | |
Die Verpflichtung Klinsmanns könnte als spätes Eingeständnis bajuwarischer | |
Unzulänglichkeiten und einer gewissen Saturiertheit interpretiert werden. | |
Sie impliziert einen Wandel. Dessen ist sich die Führungsriege bewusst. Die | |
Entscheidung ist deswegen auch nicht überstürzt gefällt worden. | |
Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge hat sehr genau gewusst, warum er Ottmar | |
Hitzfeld die Tage in München so lange madig gemacht hat, bis der von sich | |
aus den Ausstieg beim FC Bayern München verkündete. | |
Der Deutsche Fußball-Bund hat derweil das Kommen des Kaliforniers in den | |
höchsten Tönen gelobt. Es sei eine tolle Sache, dass der ehemalige | |
Nationaltrainer wieder nach Deutschland zurückkehre, erklärte DFB-Präsident | |
Theo Zwanziger. "Er hat viel für den deutschen Fußball geleistet und wird | |
auch beim FC Bayern einiges bewegen." Bundestrainer Joachim Löw, bei der | |
Weltmeisterschaft noch Klinsmanns Kotrainer, zeigte sich "positiv | |
überrascht". Klinsmann sei eine Bereicherung für den deutschen Fußball. Er | |
freue sich auf eine gute Zusammenarbeit. | |
Nach der WM 2006 galt es als ausgeschlossen, dass Klinsmann einen Klub in | |
Europa übernimmt. Er fühlte sich ausgebrannt, wollte sich der Familie | |
widmen. Nach und nach trudelten Angebote ein. Er war im Gespräch als | |
englischer Nationaltrainer, auch als Coach des FC Chelsea. Doch Klinsmann | |
hat sich für den größtmöglichen Kick entschieden: den FC Bayern. Dieser | |
Verein sei das Nonplusultra, bekannte Klinsmann gestern im Hotel Arabella | |
Sheraton. | |
"Es ist wahr, dass ich immer, wenn es mir an der Zeit schien, mich | |
weiterzuentwickeln, dies auch vorangetrieben habe", hat er einmal in einem | |
Interview gesagt. Dieser Zeitpunkt war für Jürgen Klinsmann gekommen. | |
12 Jan 2008 | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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