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# taz.de -- Jürgen Klinsmann und der FC Bayern: Gott kommt erst noch
> Mit Klinsmann als Trainer wird der FC Bayern das deutsche National-Team
> plus. Eines sportphilosophe Meditation über Münchener Möglichkeiten
Bild: Klinsmann geht einkaufen.
Poldi und Schweini zeigten sich erfreut. Klinsmann? Oh ja, Sommermärchen.
Bestens. Wunderbar. Und der Miro war auch dabei, closed circle, Juni 2006.
Zauberfußball. Supertrio. Im Alltag damals noch verteilt auf Köln, Bayern,
Werder. Vereint nur in Klinsis Team; und nirgends besser als da. Lang her
schon. Nun aber alles Bayern - an der Säbener Straße, wo es keine Märchen
gibt, nur eine harte Frage: "Wo, bitte, geht's zur Front?" - zum Erfolg.
Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg. Und nur im Erfolgsfall ist Hoeneß
wirklich Hoeneß. Und da hat's gehapert. Was tun? Er sah sich um: Wer
brillierte noch in Klinsmanns Team? Philip Lahm, an erster Stelle. Von
Hoeneß als der Aufsteiger der WM gewürdigt (Lahm war zwar schon unter
Völler in Portugal auffälligster DFB-Spieler, aber da noch als Leihgabe
beim VfB. Scheiße.) Jetzt aber: bei uns! Dann dieser Nachrücker - Jungspund
wie Poldi und Schweini - Marcell Jansen; Einwechsler, aber mit Zukunft. Das
ergibt schon mal die offensivste Außenverteidigerzange in Europa. Was will
der in Gladbach, zweite Liga beackern? Her mit ihm. Gute Spieler gehören
(zu) Bayern, sowieso. Was sollen die in Leverkusen... in Hamburg? No
Expectations. Und da waren es schon fünf (aus dem Sommermärchen) unter
Bayernfahnen.
Da zeichnet sich doch ein Weg ab. Was will der Hoeneß? Was wollte Hoeneß
immer schon? Den Erfolg - den er bei anderen gesehen hatte. Hitzfeld als
Champions-League-Winner mit Dortmund: Her mit ihm. Leverkusen im
Champions-League-Finale? Geht nicht. Her mit Ballack, Lucio, Zé Roberto,
Leverkusens Besten. Und immer so weiter; sattsam bekannt inzwischen als
Zugriff des Unersättlichen und auch akzeptiert (wegen real-bayrischer
Geldsack-Übergröße). Unvermeidlich selbst für einen eigentlich
Pensionierten: Wer außer Klinsmann hatte Erfolg gehabt als deutscher
Trainer nach Ottmar Hitzfeld? Schaaf in Bremen (aber nicht genug Erfolg -
nur Deutscher Meister, aber nicht mal Champions-League-Halbfinale, und
genau da mindestens gehört der FC Bayern hin). Kulanter Rotator Hitzfeld
wurde reaktiviert, da nachweislich mit Qualitäts-Überangebot bei den Bayern
besser gefahren als der konkurrenzfixierte Magath, Unfelix. Das sollte der
Ottmar bitte noch mal zeigen. Konnte wohl aber nicht wie er wollte.
Luca Toni auf die Bank, damit Poldi sich reinrotieren kann? Nebbich. Ribéry
als Zuschauer? Der neue Kaiser Franck? Damit der Schweini dort rumrotieren
kann? Geht nicht. Europäische Superstars rotieren nicht (auf der Bank).
Sind auch gut auf dem Feld, aber das gibt noch keine europäische
Spitzenmannschaft. Nicht mal, wenn man zwölf davon hat (siehe Chelsea -
diese Spieler könnte allerdings nicht mal Bayern bezahlen). Und dann sowas:
Unentschieden gegen englisches Mittelmaß, Bolton (oder wie die heißen).
Geht nicht: Rummenigge degradiert Hitzfeld zum Mathematiklehrer. Der
versteht - und meldet sich ab zum nächstmöglichen Termin. (Seine Jungstars
flüchteten sich in Verletzungen - Gesicht wahren durch Maladen.)
Was nun? Klinsis halbes WM-Team steht schon bei uns auf dem Feld. Dazu ein
paar Hochkaräter, die sich aber gegenseitig auf den Füßen stehen. Jansen
lässt im kicker durchblicken, dass Ribéry ihm die Räume nimmt. Er ist ein
stürmender Verteidiger, ein Super-Linksaußen. Auch für Schweini ist da kein
rechter Platz auf der linken Seite. Für Poldi sowieso nicht; mit Toni und
Klose vorne drin. Was tun, eh der abhaut und die Konkurrenz stärkt? Fragen
wir also doch mal den Sommermärchenmann, der mit denen da so erfolgreich
war, logisch. Auch wenn wir uns monatelang über »den Angeber aus
Kalifornien« lustig gemacht haben. (War ja schließlich auch mal Bayer und
Weltmeister unter Kaiser Franz.) Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg.
Und: Was schert uns unser (dummes) Gelächter von gestern? Das ist das Beste
an Hoeneß, Beckenbauer & Co. - und das Verlässlichste: Prinzipien haben sie
keine. Außer, genau, den Erfolg. Also: Her mit dem einzig Erreichbaren (wo
Mourinho, Wenger, Benitez etc. unerreichbar sind und bleiben; und der
Schuster fürs Erste durch die Lappen ist. Und sich bei Real auch noch gut
macht - schöne Scheiße!). Ein weiterer italienischer Reinfall empfiehlt
sich auch nicht gerade.
Und, ansteckend: kaum ist die Meldung mit Klinsmann durch, schweift auch
schon der eigene Blick. Wen haben wir denn noch aus Klinsis
Sommertraumtruppe. Da ist als erster: der Lehmann-Jens. Klinsis große
Geheimwaffe gegen das ungeliebte Strafraummonster Olli Kahn. Der ist doch
frei, kann gehen bei Arsenal - und lehnt Dortmund ab. Und schon sagt jemand
im Autoradio, was mir gerade durch den Kopf geht: Lehmann nach München! Als
Witz - ist aber exakt mit Hoeneß Kopf kombiniert. Der Clou danach im
Teletext: Borowski, Klinsis Edeljoker und abtrünniger Werderaner,
unterschreibt bei den Bayern. Da wären es, zieht man die Option Lehmann,
schon sieben. Lehmann in Kahns höchst persönlichem Kasten: Das wär doch
wirklich was. Ausgebuht in München bei der WM; nun glänzend gefeiert genau
da: Der Stoff, aus dem die Herrn den Fußball gern möchten.
Und liegen da nicht noch ein paar wanderlustige O-Beine auf dem
Grabbeltisch der Exklusiven? Frings - nee, den nicht. Der war schon da und
ist glücklich wieder auf und davon. Aber wer ist denn unglücklich auf und
davon? Gibt's da nicht den one-and-only Michael Ballack bei Chelsea? Ob's
mit dem da noch mal was wird? Den nehmen wir gern zurück (wenn er das
verbale Rumgeknicke von Halb-Boss Rummenigge mal vergisst). Dann wären es
schon acht kleine Negerlein - man kann das ja auch mal andersherum singen.
Und Nr. 9 wäre der Metze aus Madrid, wo ihm ein Cannavaro und andere
Weltmeister ein bisschen sehr auf den Füßen stehen. Der kommt doch sicher
auch, wenn Klinsi kräftig winkt von der Säbener Straße her und mit den
allerbesten Jogi-Kontakten. Und was treibt der Robert Huth eigentlich im
englischen Middlesbrough? Mit dem dauerverletzten Jungen konnte bisher
keiner was anfangen. Aber kommt der nicht gerade wieder? Und wer hatte den
je auf der Rechnung, wenn nicht Ziehvater Jürgen - der Klinsi.
Plan X - gedacht mit den circa fünf Köpfen der Bayern-Hydra: mit dem
Bundes-Ex kommt nicht nur dessen Ex-Team, sondern das aktuelle DFB-Team
ganz nach München und läuft am Wochenende auf als FC Bayern - ein paar
Rotationen inklusive. Motivator Klinsmann wird's schon richten. (Und den
Luca Toni, den all das etwas stören mag, entführt sowieso demnächst eine
Garde spanischer Real-Matadore hinfort aus der Allianz-Arena.
Unausweichlich.) Mit Poldi und Miro wird sich's aber auch machen lassen.
Und dann Ballacks dritter Frühling. Borowski kann's auch auf rechts. Und:
was macht denn der Hitzlsperger da noch beim schwäbischen VfB? Der will
doch höher hinaus. Der Lucio spielt hier nicht ewig. Mertesacker? Auch
nicht unerschwinglich. Warten wir mal die Saison ab. Und die EM -
vielleicht liebt er dann das Team genug. Und Eigengewächs Toni Kroos klopft
auch schon flott an die DFB-Türen. Es müssen aber nicht nur Deutsche sein.
Klinsmann ist Internationalist. Diego also. So wird der FC Bayern mit
Klinsi das deutsche National-Team plus. Wie es sich gehörte zu schönsten
Schön-Zeiten: der DFB als Bayern-Dependance; und der Jogi wieder als
Co-Trainer vom Jürgen - Hoeneß Traum aus Wortmanns Sommermärchen. Bloß: der
Hoeneß ist kein Träumer, das ist ein Praktiker, ein Realist, ein
traumhafter. Los, Jens, Koffer packen. Und Frings und Schneider? Die dürfen
noch ein, zwei Jahre gastieren im Farm-Team der Bayern. Und demnächst
wieder: Finale... auf möglichst allen Äckern. »Gott ist tot« titelte die
taz zu Klinsmanns Herabstieg vom Olymp. Könnte bald heißen: "Gott: kommt
erst noch".
18 Jan 2008
## AUTOREN
Klaus Theweleit
## TAGS
Asien-Cup
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