# taz.de -- Schwule Omas und Opas: Pflege ohne Tabu | |
> In Berlin wurde eine Station für pflegebedürftige Schwule und Lesben | |
> eröffnet. Ein Novum in Europa. Diese Lebensentwürfe sollen in der Pflege | |
> nicht tabuisiert werden. | |
Bild: Und wohin im Alter? | |
Endlich gibt es sie: die erste vollstationäre Pflegeeinrichtung für Schwule | |
und Lesben europaweit. Im Pflegezentrum Haus Asta Nielson im Berliner | |
Stadtteil Pankow wurde eine Etage mit 28 Plätzen, die betreuungsbedürftigen | |
schwulen und lesbischen Menschen vorgehalten ist, eröffnet. Wobei schwul | |
und lesbisch kein Ausschlusskriterium sei, wie Christian Hamm von Village | |
e. V., einem Verein, der das Projekt maßgeblich vorangebracht hat, betont. | |
Auch Pflegebedürftige, die selbst nicht homosexuell sind, aber in ihrem | |
Leben in homosexuellen Zusammenhängen gelebt haben, können dort aufgenommen | |
werden. | |
Noch ist die Etage unbewohnt. Die weiten, in erdigen Gelbtönen gehaltenen | |
Flure zeugen nicht von einem Alltag mit lachenden oder weinenden Leuten, | |
klapperndem Geschirr, Musik, die durch geschlossene Türen dringt. Keine | |
Rollstühle stehen herum, keine Gehhilfen, keine Pflegekräfte mit | |
Infusionen. Die leeren Zimmer, in denen ein oder zwei Pflegebetten, ein | |
Tisch und zwei Stühle stehen, erinnern an Krankenhaus oder netter: an | |
bescheidene Hotels. Spartanisch sei das Ganze noch, "weil die Menschen, die | |
hier leben, die Möglichkeit haben, sich mit ihren eigenen Möbeln | |
einzurichten", erklärt Kerstin Wecker, die Leiterin der Pflegeeinrichtung, | |
einer Gruppe Besucher und Besucherinnen am Eröffnungstag. | |
Viele Leute sind gekommen, um sich die Einrichtung anzuschauen. Ihre Fragen | |
machen deutlich, dass dahinter bei den meisten die Überlegung steckt, ob | |
sie hier wohnen könnten. "Bei der Lebenserwartung von Frauen kann man sich | |
leicht vorstellen, dass hier am Ende 24 Frauen und nur vier schwule Männer | |
leben", sagt ein Mann, und sein Ton macht klar: Das gefällt ihm nicht. Eine | |
Frau kontert: "Seien Sie sicher: Mehr Männer als Frauen können es sich | |
leisten, hier zu leben." Der Eigenanteil für die Bewohner und Bewohnerinnen | |
liegt, je nach Pflegestufe, zwischen 1.300 Euro und 1.900 Euro im Monat. | |
Allerdings springt der Sozialhilfeträger ein, wenn Menschen, die hier | |
untergekommen sind, nicht den vollen Betrag selbst zahlen können. | |
Seit 2001 macht der Village e. V. auf die fehlenden Alteneinrichtungen für | |
Schwule und Lesben aufmerksam. Ihren Berechnungen zufolge leben allein in | |
Berlin über tausend von ihnen in Plegeheimen. Da Sexualität weitgehend | |
unthematisierbar bleibe in den Einrichtungen, unterlägen auch | |
gleichgeschlechtliche Lebensentwürfe diesem Tabu. Um dagegen Zeichen zu | |
setzen, treibt der Verein seit Jahren ein Wohnprojekt voran, wo ältere | |
Schwule und Lesben mit ihren Gefährten mitten im Berliner Szenekiez am | |
Nollendorfplatz zusammenleben wollen. | |
Dass sie nun statt dem Haus zuerst eine vollstationäre Pflegeeinrichtung | |
einweihen, liegt daran, dass sich der Träger des Hauses Asta Nielsen, die | |
"Heimverwaltung Bremen", an Village wandte. Die "Heimverwaltung Bremen" ist | |
Träger von Pflegeeinrichtungen, die auf besondere Personengruppen | |
ausgerichtet sind, seien es psychisch Kranke, seien es Obdachlose oder | |
Menschen mit Verwahrlosungstendenzen, seien es Demenzkranke oder | |
HIV-Positive. Sie wandten sich an Village e. V., weil sie die Bedürfnisse | |
bei der Pflege von Schwulen und Lesben berücksichtigt sehen wollten. Sie | |
garantieren, dass mindestens die Hälfte der Pflegekräfte selbst homosexuell | |
ist. Das Durchschnittsalter in Pflegeeinrichtungen liegt bei 82 Jahren. | |
"Wir haben es demnach mit Menschen zu tun", erklärt Christian Hamm, "die | |
noch die Ausgrenzung und Kriminalisierung der Homosexualität durch die | |
Nazis erfuhren." An ihrem Lebensende sollten sie offen leben können. | |
19 Jan 2008 | |
## AUTOREN | |
Waltraud Schwab | |
Waltraud Schwab | |
## TAGS | |
Pflege | |
Schwerpunkt LGBTQIA | |
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