# taz.de -- Nach einer Klage aus Schweden: Terror-Listen auf dem Prüfstand | |
> Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof fordert für die | |
> UN-Terrorliste eine gerichtliche Überprüfbarkeit in der EU. Bisher können | |
> Verdächtige nichts gegen das Einfrieren ihrer Gelder tun. | |
Bild: Der EuGH in Luxemburg | |
LEIPZIG taz Die Terrorliste des UN-Sicherheitsrats muss in der EU | |
gerichtlich überprüfbar sein. Diese Forderung erhob gestern Miguel Poiares | |
Maduro, der unabhängige Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH) in | |
einem Schlussantrag. In der Regel folgen die Richter den Empfehlungen des | |
Generalanwalts. | |
Mit mehreren Resolutionen hatte die UNO ab 1999 aufgerufen, Gelder | |
einzufrieren, die den afghanischen Taliban oder dem Al-Qaida-Netzwerk | |
zugerechnet werden. So sollen dem Terrorismus die Geldquellen abgeschnitten | |
werden. Wer auf die Liste kommt, bestimmt der Sanktionsausschuss der UNO, | |
der sich oft auf Informationen von US-Regierungsstellen stützt. Die EU | |
setzt die Vorgaben der UNO ohne weitere Prüfung um und verpflichtet die | |
Banken, entsprechende Konten zu blockieren. Derzeit befinden sich 370 | |
Personen und 112 Organisationen auf dieser Liste. | |
Geklagt hatte die in Schweden ansässige Stiftung Al Barakaat, mit deren | |
Hilfe Exilsomalier Geld in die Heimat schicken konnten. Seit November 2001 | |
steht sie auf der Terrorliste, das heißt: ihre gesamten Finanzmittel wurden | |
eingefroren, ihre Arbeit musste sie einstellen. Doch sie kann den | |
angeblichen Terrorverdacht nicht gerichtlich überprüfen lassen. | |
Beim Europäischen Gericht Erster Instanz (EuG) hatte die Stiftung 2005 | |
keinen Erfolg. Vorgaben des UN-Sicherheitsrats hätten Vorrang vor EU-Recht | |
und könnten deshalb nicht gerichtlich überprüft werden. Die Betroffenen | |
könnten ihre Regierung bitten, sich auf diplomatischem Wege für sie | |
einzusetzen. Die Stiftung legte gegen diese Entscheidung Rechtsmittel ein. | |
Tatsächlich deutet sich jetzt eine Wende an. In einem Schlussantrag | |
erklärte Generalanwalt Poiares Maduro: "Die Behauptung, dass eine Maßnahme | |
zur Wahrung des Weltfriedens erforderlich ist, kann nicht dazu führen, dem | |
Einzelnen seine Grundrechte zu entziehen." Und weiter: "Der Kampf gegen den | |
Terrorismus ist auch der Kampf des Rechts gegen diejenigen, die sich gegen | |
das Recht auflehnen." | |
Folgt der EuGH seinem Plädoyer, würde die Stiftung nicht sofort von der | |
Terrorliste gestrichen, könnte gegen das Einfrieren ihrer Gelder aber | |
Gerichte in Europa anrufen. Schon vor einer Woche hatte Poiares Maduro im | |
Parallelfall des Saudis Yassin Abdullah Kadi einen ähnlichen Schlussantrag | |
gestellt. Der Generalanwalt steht mit seiner Kritik an der unantastbaren | |
Terrorliste nicht allein. In einem Spiegel-Gespräch hatte vor zehn Tagen | |
auch Hans-Jürgen Papier, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, | |
gedroht: "Wenn so etwas in Deutschland vorkommt, kann es sein, dass das | |
Bundesverfassungsgericht mit dieser Frage befasst wird." | |
24 Jan 2008 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
Christian Rath | |
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EuGH | |
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