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# taz.de -- Hitlers Verhältnis zu Berlin: Postkarte aus der Hauptstadt
> Hitler und Berlin - das galt lange Zeit als Widerspruch. Schließlich
> beließ der neue Reichskanzler auch nach dem 30. Januar 1933 seinen
> Wohnsitz in München.
Bild: Reichskanzler Adolf Hitler mit Reichspraesidenten Paul von Hindenburg bei…
Es gibt historische Deutungen, die scheinen so schlüssig, dass ihnen nicht
einmal die Forschung etwas anhaben kann. Eine dieser Deutungen betrifft das
Verhältnis Adolf Hitlers zu Berlin. Selbst nach der Machtübernahme am 30.
Januar 1933 hat sich der soeben ernannte Reichskanzler nicht dazu
durchringen können, seinen Wohnsitz von München nach Berlin zu verlegen.
Der vor anderthalb Jahren verstorbene Publizist Joachim Fest, dessen
Hitler-Biografie nach wie vor als Standardwerk gilt, spricht in diesem
Zusammenhang von einem "lebenslangen Ressentiment" Hitlers gegenüber Berlin
- auf der einen Seite also die "rote" Reichshauptstadt, auf der andern
München, die "Stadt der Bewegung", in der Hitler seine ersten Erfolge
gefeiert hatte.
Mit diesem Vorurteil räumt der Historiker Thomas Friedrichs nun auf. In
seinem Buch über "Hitler und Berlin" lässt er den Wahlmünchner selbst zu
Wort kommen, zum Beispiel auf jener Postkarte, die der 28-jährige Gefreite
1917 beim Fronturlaub in Berlin an einen Freund schreibt: "Lieber Schmidt!
Die Stadt ist großartig. So richtig eine Weltstadt. Der Verkehr ist auch
jetzt noch gewaltig. Bin fast den ganzen Tag fort. Habe jetzt endlich
Gelegenheit die Museen etwas besser zu studieren. Kurz: Es fehlt mir
nichts. Es grüßt dir dein A. Hitler." Statt Hass also Hassliebe lautet die
These von Friedrich, auch wenn der Titel des Buches - "Die missbrauchte
Hauptstadt" - noch immer der überlieferten These huldigt.
Einen Schritt weiter geht da der 1971 geborene Zeithistoriker Sven Felix
Kellerhoff. Er sagt, Hitler habe Berlin gar nicht erst missbrauchen müssen
und räumt damit gleich mit einer anderen lieb gewonnenen Überlieferung auf
- Berlin als Hauptstadt des Widerstands. "Keineswegs trifft es zu, dass die
Nazis in Berlin weniger Unterstützung hatten als in anderen Großstädten",
sagt Kellerhoff der taz. "Das betrifft sowohl die Wahlergebnisse als auch
die Zahl der Widerstandskämpfer."
Ganz folgerichtig ist auch der 30. Januar 1933 - trotz der Goebbelschen
Propagandashow im Radio und des Fackelzugs durch das Brandenburger Tor -
für Kellerhoff keine Zäsur im Alltagsleben der Stadt. "Eine breite,
schweigende Mehrheit schaut sich das an und ist angetan", sagt der
Historiker, der heute als Redakteur für Zeitgeschichte bei der Tageszeitung
Die Welt arbeitet. "Die SA wird nun als Teil der Ordnungsmacht akzeptiert."
Kellerhoff nennt das, was bis zum Reichstagsbrand am 27. Februar und den
Reichstagswahlen am 5. März 1933 in Berlin geschieht, deshalb auch nicht
Machtergreifung oder Machtübernahme, sondern Machteroberung.
Dazu gehören auch die Planungen für die neue Reichshauptstadt "Germania".
Waren sie nun Symbol für Hitlers Hass auf die Stadt oder Ausdruck einer
Gigantomanie? Hitler selbst lässt die Antwort so offen wie sein Verhältnis
zu Berlin. So erklärt er 1941 im "Führerhauptquartier": "Berlin habe ich
immer gerngehabt, und wenn es mich kümmert, dass vieles da nicht schön ist,
so nur, weil mir die Stadt etwas bedeutet."
Das klang ganz anders als das Zitat, das sonst für Hitlers Beziehung zu
Berlin herangezogen wird: In den 20er-Jahren befand Hitler, Berlin sei "der
schwerste Platz des Reiches".
30 Jan 2008
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
Reichstag
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