# taz.de -- Pflege: Nachwuchs soll Pflegenotstand lindern | |
> Weil es nicht genug Azubis gibt, dürfen Pflegeheime seit Jahresbeginn für | |
> drei Lehrlinge eine Fachkraft streichen. Ver.di befürchtet nun eine | |
> Ausweitung der Billigpflege. | |
Bild: Hamburg hat eine neue Volksinitiative für mehr Pflegepersonal in Kranken… | |
Die alte Dame im Pflegeheim bekommt ihre Tabletten künftig von einer | |
Schülerin im ersten Lehrjahr statt von einer Fachkraft verabreicht. Das | |
befürchten der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) und die | |
Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Denn mit Zustimmung von Sozialsenatorin | |
Heidi Knake-Werner (Linke) können Heime seit Jahresbeginn drei angehende | |
PflegerInnen statt einer Fachkraft beschäftigen. "Das führt dazu, dass | |
Stellen abgebaut werden", sagt Ver.di-Pflegeexperte Michael Musall. Der | |
Berufsverband prognostiziert, dass die Qualität in der Altenpflege | |
langfristig sinken könnte. | |
Die Pflegeheime sind gesetzlich verpflichtet, eine Quote von mindestens 52 | |
Fachkräften pro 100 Angestellte einzuhalten. Doch Fachkräfte werden rar. | |
Nur 90 der 290 Berliner Heime bilden überhaupt aus. Deshalb habe sie der | |
umstrittenen Anrechnung zugestimmt, sagte Sozialsenatorin Knake-Werner am | |
Montag im Tagesspiegel. "Wir wollen damit die Ausbildung von Altenpflegern | |
fördern und die Pflegequalität verbessern." Gleichzeitig zerstreute sie | |
Befürchtungen: "Keine einzige Fachkraftstelle wird durch die neue Regelung | |
wegfallen." | |
Unterstützung erhält Knake-Werner vom Verband Deutscher Alten- und | |
Behindertenhilfe. "Es wird keinen großen Personalabbau geben. Ich sehe eher | |
die Gefahr, dass uns in Zukunft gute, hingabefähige Leute in der Pflege | |
fehlen werden", meint der Vorsitzende des Berliner und Brandenburger | |
Landesverbandes, Wolfgang Grefe. Er fordert daher, dass die Kassen die | |
Ausbildung von Fachkräften verstärkt materiell fördern. | |
Für die ausbildenden Heime lohnt sich die Ausbildung wirtschaftlich nicht - | |
im Gegenteil: Sie sind sogar teurer als Heime ohne Lehrlinge. Das | |
evangelische Johannesstift am nordwestlichen Stadtrand hat Platz für 300 | |
Pflegebedürftige und gegenwärtig zehn Pflegeschülerinnen und -schüler. Die | |
Ausbildungskosten würden auf die Bewohner umgelegt, der Tagessatz erhöhe | |
sich dadurch um 75 Cent, erläutert Einrichtungsleiter Martin Hoven: | |
"Ausbildung ist unsere große Stärke, gleichzeitig aber auch ein | |
Wettbewerbsnachteil." | |
Dass die Azubis reguläre Arbeit verdrängen, kann Pflegedienstleiterin | |
Ulrike Lemke nicht bestätigen: "Die Azubis müssen eng von uns begleitet | |
werden, sie dürfen nur unter Anleitung einer Fachkraft arbeiten." Bis zum | |
Examen nach drei Jahren dürfen sie keinen medizinischen Handschlag in | |
eigener Verantwortung machen, also weder Katheder legen noch Spritzen geben | |
oder Medikamente verabreichen. "Wir merken eher den beginnenden | |
Pflegenotstand", so Lemke. Qualifiziertes Personal werde langsam knapp. | |
Ver.di-Vertreter Musall fordert deshalb, den Pflegeberuf durch einen | |
Mindeststundenlohn von 7,50 Euro attraktiver zu machen. "Gerade in der | |
häuslichen Krankenpflege verdienen Pflegehelfer zum Teil nur 4,80 Euro pro | |
Stunde und sogar manche Fachkraft nur 7 Euro." Auch Knake-Werner sieht hier | |
ein großes Problem. Sie trete für einen Mindestlohn in der Pflege ein, der | |
über den derzeit üblichen Gehältern liege. | |
4 Feb 2008 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
Anna Lehmann | |
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Volksentscheid | |
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