# taz.de -- Prekäre Arbeit: Berlinale ohne Mindestlohn | |
> Pünktlich zum Filmfest machen die Beschäftigten der Filmbranche auf ihre | |
> schlechten Arbeitsbedingungen aufmerksam. Die Gewerkschaft fordert ihre | |
> Anerkennung als Saisonarbeiter | |
Bild: Nicht alles ist Gold, was glänzt: Hinter den Kulissen malochen die Preka… | |
Am Donnerstag ist es wieder so weit: Die 58. Berlinale öffnet ihre Pforten | |
und macht Berlin zwei Wochen lang zur Hauptstadt der großen Bilder, Stars | |
und roten Teppiche. Doch nicht alles ist Gold was glänzt. Die Berlinale ist | |
auch das größte deutsche Branchentreffen der Filmwirtschaft. Und dort geht | |
es hinter den Kulissen ziemlich prekär zu: Selbständige Lichttechniker mit | |
80 bis 90 Wochenstunden Arbeitszeit. Saisonarbeitende Kameraleute, die sich | |
von Produktion zu Produktion hangeln. Catering-Servicekräfte, die für | |
sieben Euro die Crews verköstigen. Auf die schlechten Arbeitsbedingungen | |
wollen linke Gruppen während der Berlinale aufmerksam machen (siehe | |
Kasten). | |
"In der Filmbranche liegt einiges im Argen", sagt Kathlen Eggerling von | |
connexx.av, der Verdi-Interessenvertretung für Filmschaffende. Für eine | |
aktuelle Studie befragte connexx.av 871 selbständig und auf | |
Produktionsdauer Beschäftigte zu ihren Arbeits- und Lebensbedingungen. Das | |
Fazit: Die Arbeitsverhältnisse der Filmbranche sind genauso vielfältig wie | |
die Palette der Filmberufe. Die Menschen arbeiten als sogenannte Freie, | |
Selbstständige, Praktikanten, Festangestellte - oder sie wechseln zwischen | |
den Beschäftigungsarten hin- und her. | |
In der Studie haben die Gewerkschafter die Filmschaffenden in Kino- und | |
Produktionsmitarbeiter unterteilt: "Die meisten Kino-Angestellten wie | |
Filmvorführer und Kartenabreißer sind festangestellt, mit hohem | |
Studentenanteil", sagt Eggerling. In Berlin gibt es rund 1.000 | |
Kino-Mitarbeiter, die meist in Teilzeit arbeiten und im Schnitt rund 1.200 | |
Euro brutto verdienen. "Die Filmvorführer stehen in der | |
Berufsgruppenhierarchie ganz unten", sagt Dietrich Peters vom | |
Ver.di-Landesverband Berlin-Brandenburg. Schlechte Bezahlung, vor allem bei | |
der Kette Cinemaxx, hätten in der Vergangenheit wiederholt Anlass zu | |
Protesten gegeben. | |
Noch problematischer sei die Situation bei den Produktionsmitarbeitern, | |
sagt Eggerling: Cutter, Regisseure und Kameraleute seien meist | |
Saisonarbeiter. Zwischen Frühjahr und Spätherbst würde ein Großteil der | |
Produktionen anfallen. Für die Zeit dazwischen seien die meisten nicht | |
abgesichert. 360 Arbeitstage am Stück können sie selten nachweisen und | |
Arbeitslosengeld erhalten sie auch nicht. Auch die Künstlersozialkasse | |
bleibt ihnen verwehrt, da sie weisungsgebunden arbeiten und nicht als | |
kreativ Selbständige gelten. "Die meisten verbrauchen ihr Erspartes und | |
ihre Altersvorsorge, um durchs Jahr zu kommen", sagt Eggerling. Connexx.av | |
fordert daher, die Filmleute als Saisonarbeiter anzuerkennen, damit sie | |
schon nach fünf Monaten sozialversicherungspflichtiger Tätigkeit berechtigt | |
sind, Arbeitslosengeld zu erhalten. | |
Die Berlinale selbst würde mit ihren Mitarbeitern nicht so umspringen, sagt | |
Berlinale-Sprecherin Frauke Greiner. Das Filmfestival werde vom Bund | |
finanziert, deshalb gelte für die Angestellten der Berlinale der | |
Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes. Auch den wenigen Praktikanten würde | |
es nicht so schlecht gehen: "Wir gehören zu den wenigen | |
Kultureinrichtungen, die überhaupt was zahlen", sagt Greiner. 400 Euro im | |
Monat betrage das Praktikantengehalt. | |
Proteste auf der Berlinale hatte es in der Vergangenheit dennoch gegeben. | |
2005 hatten Beschäftigte der Cinemaxx-Kette protestiert, nachdem der | |
Konzern den Tarifvertrag gekündigt und die Löhne gesenkt hatte. Damals | |
hatte sich Berlinale-Leiter Dieter Kosslik hinter die Protestierenden | |
gestellt: "Ich bin mit Verdi solidarisch gegen die Armutslöhne bei | |
CinemaxX". Denn er wusste: "Ohne Filmvorführer läuft kein Film." | |
6 Feb 2008 | |
## AUTOREN | |
Nina Apin | |
Felix Lee | |
## TAGS | |
Filmbranche | |
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