# taz.de -- Zum Tod von Schauspieler Erwin Geschonneck: Ein Jahrhundertmann | |
> Brecht- und Defa-Schauspieler, Kommunist, Antifaschist, KZ-Überlebender: | |
> Erwin Geschonneck hat viele Gesichter. Nun starb er 101jährig in Berlin. | |
Bild: Erwin Geschonneck (1906-2008) in "Die Millionen des Knut Brümmer" von 19… | |
In manche Lebensläufe passt so viel, dass sich diejenigen, die in ruhigeren | |
Zeiten aufwachsen, nur erstaunt die Augen reiben können. Erwin Geschonneck | |
führte so ein Ausnahmeleben: Brecht- und Defa-Schauspieler, Kommunist, | |
Antifaschist, KZ Überlebender, für einen Oscar nominiert. 101 Jahre ist er | |
alt geworden. Am Mittwochmorgen starb er in seiner Wohnung in Berlin. | |
Zahlreiche Defa-Produktionen wären ohne ihn nicht vorstellbar: Unter | |
anderem spielte er in Konrad Wolfs "Sonnensucher" (1958) und in Frank | |
Beyers Filmen "Nackt unter Wölfen" (1963), "Karbid und Sauerampfer" (1963) | |
sowie "Jakob der Lügner" (1974). 1993 wurde er von der Deutschen | |
Filmakademie für sein Lebenswerk ausgezeichnet. | |
Auch wenn Geschonneck seit 1949 der SED angehörte, kompromittierte er sich | |
nicht. Längst nicht jeder seiner Filme stieß in der SED-Führung und der | |
Defa-Kommission auf Gegenliebe. Gleich die erste Hauptrolle, die er | |
übernahm - die des Nazi-Aushilfshenkers Teetjen in Falk Harnacks "Das Beil | |
von Wandsbek" -, brachte ihm und dem Regisseur den Vorwurf ein, Sympathie | |
für die Täterfigur zu wecken. "Das Beil von Wandsbek" - die Verfilmung | |
eines Romans von Arnold Zweig - wurde bald nach der Premiere aus dem | |
Vertrieb genommen, später kam der Film gekürzt in die Kinos der DDR. Erst | |
1981 - zum 75. Geburtstag Geschonnecks - durfte er unzensiert gezeigt | |
werden. | |
Geschonneck wurde am 27. Dezember 1906 in Ostpreußen geboren; sein Vater | |
war Flickschuster, seine Mutter starb nach der Geburt an Tuberkulose. Die | |
Familie zog nach Berlin. Zur Schule ging Geschonneck, bis er 14 war, dann | |
verdingte er sich als Bürobote, später hielt er sich mit Gelegenheitsjobs | |
über Wasser. Er politisierte sich in der Arbeitersportbewegung und als | |
Mitglied von Agitprop-Gruppen. 1931 hatte er seine erste, kleine | |
Statistenrolle in Slatan Dudows "Kuhle Wampe oder wem gehört die Welt?". | |
1933 emigrierte er zunächst nach Polen und Prag, im Herbst 1934 ging er in | |
die Sowjetunion. Vier Jahre später wurde er ausgewiesen - wiederum in die | |
Tschechoslowakei. Als die Wehrmacht dort einmarschierte, versuchte er nach | |
London zu fliehen. Was ihm nicht glückte - er wurde bis Kriegsende in | |
Konzentrationslagern festgehalten. Am 3. Mai 1945 überlebte er den | |
Untergang des Dampfers "Cap Arcona", auf den die SS 4.000 KZ-Häftlinge | |
getrieben hatte und der in der Lübecker Bucht sank, nachdem er von | |
britischen Bomben getroffen worden war. Die biografischen Erfahrungen | |
fließen in verschiedene Spiel- und Dokumentarfilme ein - etwa in Lothar | |
Bellags TV-Film "Der Mann von der Cap Arkona" (1981/82), in dem Geschonneck | |
die Hauptfigur nach der eigenen Vita gestaltet. | |
12 Mar 2008 | |
## AUTOREN | |
Cristina Nord | |
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