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# taz.de -- Kommentar Österreichs Anschluss: Kein blaublütiger Einzelfall
> Die Österreichische Volkspartei will von der eigenen Vergangenheit nichts
> wissen. Noch immer huldigt sie dem Austrofaschisten Dollfuß, der den
> Boden für die Nazis vorbereitete.
Bild: Routiniertes Schlagerpublikum in Ulrich Seidls „Rimini“
Täter oder Opfer? Anlässlich des 70. Jahrestags des Anschlusses Österreichs
an Hitler-Deutschland wurde in den Medien viel Aufarbeitung betrieben, und
kein ernsthafter Historiker bezweifelt, dass in Österreich Führerkult und
Judenhetze auf fruchtbaren Boden fielen. Spätestens seit der Debatte über
Bundespräsident Kurt Waldheim (1986-1992) ist weitgehend unumstritten, dass
auch Mitläufer ihren Anteil am Funktionieren der NS-Vernichtungsmaschinerie
hatten.
Umso verstörender ist es, wenn Kaisersohn Otto Habsburg den Jubel einer
Viertelmillion Menschen auf dem Heldenplatz grob verharmlosend mit dem
Rummel bei einem Fußballmatch vergleicht und dafür auch noch frenetischen
Beifall erntet. So geschehen bei einer ÖVP-Veranstaltung am Montag. Anders
als die SPÖ, die vor einigen Jahren die "braunen Flecken" ihrer
Vergangenheit aufarbeitete, stellt sich die Österreichische Volkspartei
nicht den problematischen Entwicklungen ihrer eigenen Geschichte. In ihrem
Parlamentslokal hängt heute noch ein Porträt des christlich-sozialen
Austrofaschisten Engelbert Dollfuß, der 1933 die Demokratie ausschaltete
und mit seiner autoritären Herrschaft den Boden für die Nationalsozialisten
erst bereitete.
Die konservative Tageszeitung Die Presse hatte schon am Wochenende unter
dem Titel "Vom Opfer- zum Tätermythos" gegen eine vermeintlich von
Alt-68ern durchgesetzte "politisch korrekte" Geschichtsdeutung Stimmung
gemacht. Die Geschichtsrevision Habsburgs war also kein Ausrutscher eines
senilen Blaublütigen, sondern liegt voll im Trend und trifft sich mit der
Forderung von ganz rechts, endlich einen "Schlussstrich" unter die
Vergangenheit zu ziehen.
Jeder fünfte Jugendliche zwischen 14 und 24 Jahren wünscht sich laut
Umfragen einen "starken Mann". Man darf davon ausgehen, dass sich dieses
Phänomen nicht auf Sympathisanten von ÖVP und FPÖ beschränkt. Umso
wichtiger ist es, dass nicht nur anlässlich von Gedenktagen daran erinnert
wird, welches Unheil die "starken Männer" über die Welt gebracht haben
13 Mar 2008
## AUTOREN
Ralf Leonard
## TAGS
Filmrezension
Österreich
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