# taz.de -- Deutschtürke stirbt in Polizeigewahrsam: Verdacht auf lagebedingte… | |
> Vielleicht ist Adem Özdamar durch seine Behandlung im Polizeirevier von | |
> Hagen erstickt worden. Doch gegen Beamte würde kaum ermittelt, sagt die | |
> Familie des Toten. | |
Bild: Was geschah am 17. Februar auf der Polizeiwache in der Hagener Prentzelst… | |
Im Fall des im Polizeigewahrsam tödlich verletzten Deutschtürken Adem | |
Özdamar erheben Anwälte und die Familie des Toten neue schwere Vorwürfe | |
gegen Polizei und Untersuchungsbehörden. "Die Ermittlungen der Hagener | |
Staatsanwaltschaft waren von Beginn an völlig einseitig", sagte der | |
Frankfurter Anwalt der Familie, Adam Rosenberg, der taz. | |
So hätten sich die Untersuchungen nicht auf die beteiligten Polizisten | |
konzentriert. Stattdessen wurde Özdamars Wohnung durchsucht. "Die | |
Ermittlungen richteten sich von Anfang an nur gegen meinen Mandanten", sagt | |
Rosenberg. "Das riecht nach Kameraderie zwischen Polizei und | |
Staatsanwaltschaft." | |
Anwälte und Familie vermuten, Özdamar könne schon am 17. Februar auf der | |
Polizeiwache in der Hagener Prentzelstraße erstickt sein. Zuvor hatte er | |
sich - wohl unter Kokaineinfluss - verfolgt gefühlt und deshalb selbst die | |
Polizei gerufen. Auf der Wache sei Özdamar dann "durchgedreht", habe einen | |
Polizisten am Finger verletzt, sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft | |
Hagen, Reinhard Rolfes. Özdamar sei daraufhin von mindestens sieben | |
Polizisten gewaltsam an Händen und Füßen gefesselt und mit dem Bauch nach | |
unten auf eine Trage gebunden worden. Geholfen hätten auch zwei | |
herbeigerufene Rettungssanitäter. | |
Dabei setzten die Polizisten massive Gewalt ein. "Mir liegt ein | |
radiologisches Gutachten vor, nach dem Herrn Özdamar das Nasenbein | |
gebrochen wurde", sagt der Hagener Anwalt der Familie, Jürgen Klenk. Trotz | |
Wiederbelebungsversuchen fiel Özdamar in ein Koma, aus dem er nie wieder | |
erwachte: Der 26-Jährige starb nach einem ersten Bericht der | |
Gerichtsmedizin am 5. März an einem Gehirnödem. | |
Unseriös sei dieser vorläufige Bericht, hält Anwalt Rosenberg dagegen. | |
"Untersucht wurde lediglich Gewalteinwirkung von außen, nicht aber | |
Ersticken." Auch der Bruder des Toten, Salih Özdamar, weist seit Beginn der | |
Untersuchungen darauf hin, dass es drei Minuten gedauert habe, bis die als | |
Fesseln dienenden Kabelbinder gelöst werden konnten - erst danach konnte | |
eine Notärztin mit der Reanimation beginnen. | |
Jurist Rosenberg geht davon aus, dass Özdamar Opfer des sogenannten | |
lagebedingten Erstickungstods wurde, vor dem Menschenrechtsorganisationen | |
wie Pro Asyl bereits seit Jahren warnen: Erhöhte Adrenalinausschüttung im | |
Gehirn, etwa durch einen vorausgegangenen Kampf, führt zu einem erhöhten | |
Sauerstoffbedarf. Dieser kann jedoch wegen der Bauchlage des Festgenommenen | |
nicht gestillt werden. Der Gefesselte wehrt sich immer stärker, kämpft um | |
Luft zum Leben - und nicht gegen die Polizisten, die immer fester | |
zudrücken. | |
Opfer dieser lagebedingten Erstickung wurde etwa der sudanesische | |
Abschiebehäftling Aamir Ageeb, der 1999 beim Start eines Lufthansa-Flugs | |
mit einem Motorradhelm auf dem Kopf von drei Bundesgrenzschutzbeamten zu | |
Tode gepresst wurde. Ein Merkblatt der nordrhein-westfälischen Polizei | |
warnt deshalb ausdrücklich vor dem lagebedingten Erstickungstod. Der sei | |
ein "absolut bekanntes Phänomen", das auch im Fall Özdamar untersucht | |
werden müsse, so der Chef des rechtsmedizinischen Instituts der Universität | |
Bonn, Burkhard Madea, gegenüber der Frankfurter Rundschau. | |
Özdamars Familie hofft deshalb weiter auf die Ergebnisse einer | |
rechtsmedizinischen Untersuchung in der Türkei. Dort ist der Tote | |
mittlerweile obduziert worden, wie eine Sprecherin des Justizministeriums | |
in Ankara bestätigt. Ergebnisse liegen noch nicht vor. | |
Özdamars Gehirn können die türkischen Rechtsmediziner nicht untersuchen. | |
Die Hagener Staatsanwälte haben das Organ für weitere Untersuchungen | |
entnehmen lassen. Die Familie des Toten wurde darüber nicht informiert - | |
"aus Pietätsgründen", wie Oberstaatsanwalt Rolfes sagt. Für den Ermittler | |
steht eines ohnehin schon fest: "Özdamar ist nicht erstickt. Es waren doch | |
zwei Rettungssanitäter dort." | |
25 Mar 2008 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
Andreas Wyputta | |
## TAGS | |
Bundespolizei | |
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