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# taz.de -- Wem gehört der Nordpol?: Die Ausweitung der Wirtschaftszone
> Auf der Arktis-Konferenz in Grönland geht es auch um die
> Nordpol-Gebietsansprüche. Die Rohstoffreserven sind gigantisch - der
> Wettlauf darum längst entbrannt.
Bild: .... ihm jedenfalls wohl nicht mehr lange.
STOCKHOLM taz Wem gehört der Nordpol? Auf dem Programm der am Dienstag im
grönländischen Ilulissat beginnenden dreitägigen Arctic Ocean Conference
ist der Tagesordnungspunkt "Souveränitätsansprüche über die Arktis" nicht
zu finden. Da wollen sich die Außenminister von Dänemark, Norwegen,
Russland, Kanada und den USA mit Fragen der Zusammenarbeit in der
Nordpolarregion und des "zukünftigen Managements" bei der Erschließung der
dortigen Ressourcen beschäftigen. "Claims werden nicht abgesteckt",
versicherte der Gastgeber, Dänemarks Außenminister Per Stig Möller vorab.
Doch ohne zumindest einen Hintergedanken an diese Claims, wäre natürlich
eine Debatte über das künftige nordpolare Management recht sinnlos.
Bislang gehören sie niemand und uns allen - der Nordpol und das Gebiet
drumherum. Daran ändern bloße Symbolaktionen - wie die der Verankerung
einer russischen Flagge aus Titan auf dem Meeresgrund - ebenso wenig, wie
die von Entdeckern und Forschungsreisenden im Laufe der Jahrzehnte auf
Eisflächen aufgepflanzten oder von Flugzeugen abgeworfenen Nationalflaggen
irgendetwas.
Als geographischer Punkt in einem vier Kilometer tiefem und einen Grossteil
des Jahres - noch - eisbedeckten Meeres liegt der Nordpol in
internationalen Gewässern und ist damit "gemeinsames Erbe der Menschheit".
Das dürfte er allerdings die längste Zeit gewesen sein - ginge es nach den
Begehrlichkeiten der fünf Anrainerstaaten. Im untermeerischen Niemandsland
um den Pol liegen nach womöglich 25 Prozent der weltweit noch nicht
erschlossenen Rohstoffe. Es locken vor allem Erdöl und Erdgas, aber auch
Gold, Silber, Kupfer und andere Erze.
Nach der 1982 von der UN beschlossenen Wirtschaftszonen-Grenze von 200
Seemeilen (ca. 370 km) haben die Küstenstaaten schon jetzt Anspruch auf
weite Teile des arktischen Meers und seiner möglichen Schätze. Im Zentrum
des arktischen Ozeans und damit rund um den Nordpol blieb bislang noch eine
grosse trapezförmige Fläche für das "gemeinsame Erbe der Menschheit" übrig.
Doch die UN-Seerechtskonvention hält die passenden Bestimmungen bereit,
auch diesen letzten weißen Fleck in Claims aufzuteilen, die dann den
Arktisanrainern zugeschlagen werden können. Nach der
"Kontinentalschelf-Regel" kann ein Küstenstaat Souveränitätsansprüche
jenseits seiner 200 Seemeilen-Wirtschaftszone geltend machen, wenn er den
geologischen Nachweis bringt, dass sich die "kontinentale Kruste" des
eigenen Territoriums auf dem Meeresboden fortsetzt. Damit lässt sich das
Gebiet, in dem ausschliesslich dieser Staat die Ressourcen ausbeuten kann,
um weitere 150 Seemeilen, in Einzelfällen sogar darüber hinaus ausdehnen.
Das Gremium, das über diese Frage zu entscheiden hat, ist die
Festlandsockel-Grenzkommission der UN (Commission on the Limits of the
Continental Shelf, CLCS). Sie wird in den nächsten Jahren einige Arbeit
bekommen. Bereits 2001 hatte Russland Ansprüche auf eine Ausweitung seiner
Wirtschaftszone angemeldet. Die von Moskau vorgelegten Beweise dafür, dass
der Lomonssow-Rücken, der sich quer durch den arktischen Ozean von Sibirien
bis nach Grönland erstreckt, geologisch als untermeerische Fortsetzung des
eigenen Kontinentalsockels anzusehen ist, waren der CLCS nicht ausreichend
genug. Spätestens im kommenden Jahr dürfte Russland, gespickt mit neuen
geologischen Beweisen, einen neuen Vorstoss machen.
Dass der Lomonossow-Rücken trotz seines Namens nicht russisch, sondern
dänisch ist, wird Kopenhagen zu beweisen versuchen. Dort sieht man die
Formation als Fortsetzung des grönländischen Kontinentalsockels an. Von
seiner Arktisinsel Spitzbergen her will sich Norwegen mit Hilfe der
Kontinentalschelfregel an den Nordpol heranpirschen. Von Alaska her die
USA, die in ihrem Schelf auf reiche Öleinkünfte hoffen.
Nimmt man all diese Ansprüche zusammen, bedarf es keiner grossen Fantasie
sich auszumalen, dass die CLCS, die formal zwar eine naturwissenschaftliche
und juristische Expertenkommission - letztendlich aber auch nur ein
politisches Gremium ist, in einigen Jahren den Versuch einer salomonischen
Entscheidung anstreben wird. Jedenfalls nicht einem Staat einfach den
größten Teil des Niemandslandes zusprechen, sondern das Gebiet kuchenartig
etwa so aufteilen wird, dass sich dessen Einzelstücke in der Mitte,
womöglich am Nordpol, treffen.
Wie dann aber verhindern, dass dies der Startschuss einer wilden Ausbeutung
der natürlichen Ressourcen ohne Rücksicht auf die Umwelt und die
BewohnerInnen der Arktis wird? Ein Anfang zu dieser Debatte soll bei der
jetzigen Konferenz in Ilulissat gemacht werden. Schon jetzt bedarf es
Regelungen beim wachsenden Kreuzfahrttourismus und der Sicherheit der
Umwelt vor Ölunfällen. Ideal wäre es nach Meinung vieler
Umweltschutzorganisationen, könnte sich die internationale Gemeinschaft auf
ein Arktis-Schutzabkommen ähnlich dem Antarktis-Traktat einigen. Oder
zumindest auf ein Moratorium von einigen Jahrzehnten vor einer Ausbeutung
der Arktis-Ressourcen. Doch dazu dürften die Schätze unter dem Meeresboden
bereits zu verlockend und dank Klimawandel zu leicht zugänglich geworden
sein.
26 May 2008
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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