# taz.de -- Gerangel um die Arktis: Kein wilder Westen im kalten Norden | |
> Die Außenminister der Arktis-Anrainerstaaten wollen die Nordpolarregion | |
> gern ohne internationale Einmischung untereinander aufteilen. Und sich | |
> dabei aber immerhin an Regeln halten. | |
Bild: Russland versuchte im letzten Jahr bereits, mit einem Fähnchen sein Clai… | |
STOCKHOLM taz In diesem Sommer wird der Nordpol eisfrei. Womöglich ist | |
schon in drei bis vier Jahren das gesamte Arktiseis im Hochsommer so gut | |
wie verschwunden. Das sind die aktuellen Prognosen, die das norwegische | |
Polarinstitut und des "National Snow and Ice Data Center" (NSIDC) in den | |
USA den Politikern aus den Arktisanrainerstaaten noch mit auf den Weg | |
gegeben hatte, bevor diese sich seit Dienstag im grönländischen Ilulissat | |
trafen. | |
Der Grund für das Treffen: Das in Rekordtempo schmelzende Eis, mit dessen | |
Verschwinden die Bodenschätze unter dem Meeresboden rund um den Nordpol | |
zugänglicher werden und das die Öffnung neuer Schifffahrtsrouten mit sich | |
führen wird, weckt Begehrlichkeiten. Rund 25 Prozent der heute weltweit | |
noch nicht erschlossenen Rohstoffe könnten in der Arktisregion liegen. Es | |
locken vor allem Erdöl und Erdgas. Allein auf Grönland sollen in den | |
nächsten Jahren fünf Gruben geöffnet werden, um Zink, Gold und Diamanten zu | |
fördern. | |
Sind die Eigentumsverhältnisse auf festem Boden unstreitig, wird es in den | |
kommenden Jahren vermutlich einen zähen Kampf um die Souveränitätsrechte | |
über das Meer, vor allem aber den Meeresboden geben. Grundsätzlich haben | |
die Arktisanrainer bereits jetzt Anspruch auf eine ihrer Küstenlinie | |
vorgelagerte Wirtschaftszone von 200 Seemeilen. Da für deren Berechnung im | |
Detail jedes Inselchen weit draußen auf dem Meer mitzählt, streiten | |
beispielsweise seit Jahren Dänemark und Kanada um die Hans-Insel - einen | |
1,3 Quadratkilometer großen unbewohnten Felsen vor der grönländischen | |
Küste. Beide Seiten wissen, dass jeder Meter zählt. Ein Streit um genau | |
einen Meter, den vor einigen Jahrzehnten Norwegen und Großbritannien um die | |
Grenzziehung in der Nordsee führten, hatte später einen Wert von 100 | |
Millionen Dollar Öleinnahmen. | |
"Wir wollen Regeln festlegen, damit es nicht zu Konflikten kommt", | |
erläuterte der Gastgeber der Arktiskonferenz, Dänemarks Außenminister Per | |
Stig Møller, ihren Zweck. Vor allem um deren "Kontinentalschelf-Regel" | |
werden die Arktisanrainer sich in den kommenden Jahren streiten: Das Land, | |
das den geologischen Nachweis erbringt, dass sich die "kontinentale Kruste" | |
des eigenen Territoriums auf dem Meeresboden fortsetzt, kann Ansprüche von | |
bis zu 350 Seemeilen geltend machen. Und damit auf die Ressourcen, die in | |
diesem Gebiet unter dem Meeresboden lagern. | |
Umweltschutzorganisationen wie der WWF stellen dieses Prinzip jedenfalls | |
für die Arktis in Frage. Gerade eine derart empfindliche Region könne nicht | |
einfach der wilden Jagd der Anrainerstaaten auf Abstecken ihrer Claims | |
überlassen werden. Hier bedürfe es neuer internationaler Regelungen zum | |
Schutz der Umwelt gegen nationale Begehrlichkeiten. Die | |
Arktisanrainerstaaten lehnen eine Einschränkung ihrer Rechte und jede Art | |
internationaler Einmischung unisono ab. Und versprechen nun lediglich, sich | |
an geltendes Völkerrecht halten zu wollen. Was bei der Konferenz immerhin | |
konkret herauskam, war eigentlich eine Selbstverständlichkeit: Tankschiffe, | |
die in der Arktisregion verkehren, sollen einen doppelten Boden haben. | |
Damit sich eine "Exxon Valdez"-Katastrophe nicht so leicht wiederholen | |
kann. | |
29 May 2008 | |
## AUTOREN | |
R. Wolff | |
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