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# taz.de -- Gipfeltreffen der EU-Außenminister: Klimawandel als Sicherheitsris…
> Erstmals stufen die EU-Außenminister den Klimawandel als
> sicherheitspolitisches Risiko ein. Bald könnte um das Öl der Arktis oder
> um Wasser gestritten werden.
Bild: Auf wirklich dünnem Eis: Walross neben Dampfer.
Der globale Klimawandel und seine Auswirkungen werden von der EU künftig
als sicherheitspolitisches Risiko und als Bedrohung für Europa eingestuft.
Das beschließen die Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedsstaaten bei
ihrem Gipfeltreffen, das derzeit in Brüssel stattfindet. In ihrem ersten
gemeinsamen sicherheitspolitischen Dokument "Ein sicheres Europa in einer
besseren Welt" vom Dezember 2003 hatte die EU Terrorismus,
Massenvernichtungswaffen, Staatenzerfall, Regionalkonflikte und
organisierte Kriminalität als Hauptbedrohungen benannt - der Klimawandel
fand nur eine beiläufige Erwähnung.
Nun heißt es in der Beschlussvorlage, die unter der Führung des
EU-Außenbeauftragten Javier Solana gemeinsam von Kommission und Rat
erarbeitet wurde: "Die Risiken des Klimawandels sind real, seine
Auswirkungen sind zu sehen, und er wird Europas natürliche Umwelt und fast
alle Bereiche seiner Gesellschaft und Wirtschaft massiv beeinflussen." Das
siebenseitige EU-Dokument deckt sich in seinen Argumentationen und
Schlussfolgerungen weitgehend mit einer Studie, die das US-amerikanische
Verteidigungsministerium bereits Anfang 2004 veröffentlichte.
Der Klimawandel wirke als "Bedrohungsmultiplikator", weil er bereits
bestehende Spannungen und Instabilitäten verstärke. Als Beispiele nennt das
EU-Dokument Konflikte um Ressourcen wie Wasserknappheit oder die Verödung
von Ackerland, wirtschaftliche Schäden für Küstenregionen sowie durch
Umweltschäden ausgelöste Migration, den Verlust von Staatsgebieten und
Grenzstreitigkeiten, Instabilität und Radikalität in vom Klimawandel stark
betroffenen Ländern sowie wachsende klimabedingte Spannungen in Staaten mit
wichtigen Energierohstoffen wie Öl und Gas.
Besonders bedrohte Regionen seien der afrikanische Kontinent, der Nahe
Osten, Südasien, Zentralasien, Lateinamerika und die Arktis. Als mögliche
Folgen der durch den "Bedrohungsmultiplikator" Klimawandel verstärkten
Spannungen und Instabilitäten beschreibt das Dokument große
Flüchtlingsströme in die EU ("Millionen im Jahr 2020"), lokale und
regionale Unruhen, Rückgang des globalen Wachstums ("bis zu 20 Prozent des
jährlichen Bruttosozialprodukts, wenn nichts getan wird gegen den
Klimawandel") sowie Konflikte über neu zugängliche Bodenschätze wie im
Polarmeer.
Das gewichtigste Motiv für die sicherheitspolitische Neuausrichtung der EU
ist aber die Sorge, dass Europa nicht ausreichend mit Energie versorgt
werden könnte. "Weil viele Rohstoffvorkommen in Staaten mit großen
wirtschaftlichen und demografischen Herausforderungen liegen, wird die
Instabilität wahrscheinlich zunehmen", warnen die Autoren. Die "wachsende
Konkurrenz um den Zugang zu und die Kontrolle über Energieressourcen" werde
"in den kommenden Jahrzehnten wahrscheinlich zu erheblichen Konflikten
führen".
Spezielle Aufmerksamkeit widmen sie der Gefahr eines Konflikts zwischen
Russland und dem Westen über die an mineralischen Rohstoffen reiche Arktis.
Das durch den Klimawandel bedingte Abschmelzen des Polareises würde künftig
die Ausbeutung dieser bislang unzugänglichen Rohstoffe ermöglichen sowie
neue internationale See- und Handelswege eröffnen. Damit erhielte die
Arktisregion erhebliche geostrategische Bedeutung. In der Beschlussvorlage
wird daran erinnert, dass russische Wissenschaftler im letzten Jahr eine
russische Flagge aus Titan auf dem Meeresboden unter dem Nordpol
verankerten und dafür von Präsident Vladimir Putin als "Helden" gefeiert
wurden.
Anders als in der Pentagonstudie vom Frühjahr 2004 wird der Klimawandel in
dem EU-Dokument zwar nicht ausdrücklich als "unvermeidlich" bezeichnet.
Doch die in beiden Papieren häufig beschworene "Prävention" erschöpft sich
hier wie dort weitgehend auf die Verstärkung von Grenzen und die
polizeiliche und militärische Vorbereitung auf Migrationsströme sowie
Maßnahmen zur Abwehr der durch den Klimawandel verstärkten
sicherheitspolitischen Bedrohungen für Europa bzw. die USA.
Maßnahmen der Industriestaaten des Nordens zur Reduzierung der Erderwärmung
und Abmilderung ihrer globalen Folgen - etwa durch drastische Senkung des
Energieverbrauchs und der CO2- Emissionen, verstärkte Energieeffienz sowie
eine viel entschlossenere Förderung nachhaltiger und sauberer Energieträger
- sucht man in beiden Dokumenten vergeblich.
14 Mar 2008
## AUTOREN
Andreas Zumach
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