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# taz.de -- Die Künstler über ihr Homo-Mahnmahl: "Eine Liebesszene, sonst nic…
> Mit Küssen denken, mit Küssen erinnern: Das Künstlerduo Elmgreen &
> Dragset über Denkmäler im Allgemeinen und das Homo-Mahnmal im Besonderen.
Bild: Das Künstlerduo vor seinem Werk im Tiergarten in Berlin.
taz: Herr Elmgreen und Herr Dragset, als Künstlerduo kennt man Sie dafür,
das Sie sich in Ihren Arbeiten mit öffentlichem oder institutionalisiertem
Raum beschäftigen. Wie gingen Sie denn an die Aufgabe heran, ein Denkmal
für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen zu gestalten?
Elmgreen und Dragset: Es fiel uns nicht leicht, die Entscheidung zu
treffen, bei dem Wettbewerb für das Denkmal mitzumachen. Einerseits: Wir
glauben nicht wirklich, dass öffentliche Denkmäler allgemein funktionieren,
da sie meist zu statisch sind, während ihre Umgebung sich verändert.
Irgendwann sehen sie dann aus wie Aliens, die irgendwo in der
Stadtlandschaft abgeladen wurden. Andererseits hatten wir das Gefühl, dass
es eine einzigartige Chance wäre, ein öffentliches visuelles Zeichen zu
setzen, das dauerhaft ist, von den Behörden abgesegnet und zugleich auf
einer homosexuellen Identität basiert. Selbst in einer Stadt wie Berlin, wo
es eine so große schwule und lesbische Bevölkerung gibt, existieren fast
gar keine Kunstwerke im öffentlichen Raum, die von diesem Teil der
Bevölkerung erzählen. Verblüffend, oder?
Es gab Kritik, unter anderen von der Zeitschrift Emma, dass in dem Video
von zwei küssenden Männern, das in dem Betonquader gezeigt wird, die
lesbischen Frauen sich nicht repräsentiert fühlen könnten. Haben Sie je
daran gedacht, ihr Mahnmal daraufhin zu verändern?
Nein. Die zwei schwulen Männer, die sich küssen, repräsentieren nicht die
Schwulen allgemein. Sie stellen einfach eine emotionale Szene zwischen zwei
küssenden Männern dar. Sie könnten niemals alle Schwulen repräsentieren,
denn Schwule sind sehr unterschiedlich. Es gibt junge Schwule und alte. Es
gibt schlanke und dicke und blonde und dunkelhaarige. Es gibt konservative
und radikal linke Schwule. Wie könnten sie etwas repräsentieren als sich
selbst? Es ist eine Liebesszene, sonst nichts. Es ist naiv, zu glauben,
dass man man repräsentiert ist, bloß weil es ein Bild in einem Film gibt,
wo jemand zu sehen ist, der dieselbe sexuelle Orientierung hat. Aber: Die
Debatte löste auch etwas Positives aus. Alle zwei Jahre wird nun ein
Wechsel der Videofilme in dem Betonquader stattfinden. Eine Expertenjury -
ohne uns - wird die nächsten Filme und Videos aussuchen. Auf diese Weise
wird das Denkmal hoffentlich lebendig bleiben. Neue Diskussionen und
Debatten über Identität, Kunst und Repräsentation werden entstehen. Das ist
großartig.
Werden also auch Videos anderer Künstler im Innern des Denkmals gezeigt
werden?
Die Videos oder Filme werden ausschließlich von anderen Künstlern kommen.
Wir werden nicht einmal ein Teil der Jury sein. Wie werden keinen Einfluss
nehmen, sondern geben das Mahnmal an andere zum Benutzen weiter. Wir wir
schon gesagt haben: Es ist wichtig, nicht zu kontrollwütig zu sein, wenn es
um Kunst im öffentlichen Raum geht.
Die Stelen des Holocaust-Mahnmals gegenüber werden ja gerne zum Picknicken
zweckentfremdet. Fänden Sie es gut, wenn Ihr Denkmal ein Treffpunkt für
Tiergarten-Cruiser wird?
Das wäre natürlich toll. Die Stadt hat sich nicht so sehr um die
Absicherung gekümmert, also wird es hoffentlich nicht schon in den ersten
Wochen kaputt gehauen. Man darf nicht so neurotisch sein, wenn man etwas im
öffentlichen Raum platziert. Als wir vor vielen Jahren unsere Installation
"Dug Down Gallery" in Island gemacht haben, wurde sie plötzlich ein
Partyort für Teenager.
Ihr Denkmal in einem Satz:
Ein Denkmal der Intimität, das auf direkter persönlicher Konfrontation
basiert.
Wie hat die Zusammenarbeit mit den Behörden funktioniert?
Nun ja - es war ein mühsamer bürokratischer Prozess, und eines ist sicher:
Das machen wir nicht noch mal. Wir haben den offiziellen Brief, der unsere
Eröffnung ankündigt, zehn Tage nach dem Pressetermin bekommen! Aus dem
Kulturministerium wurde uns mitgeteilt, dass ein Kuss zwischen zwei Männern
nicht auf der Einladungskarte abgebildet werden kann. Komisch, oder? Denn
das ist doch ein entscheidender Teil der Arbeit. Das beweist aber auch -
trotz der Kontroverse, die darum entstand -, dass es ein relevantes Bild
ist. Es überraschte uns nicht, dass ein CDU-Minister die Idee nicht gut
fand, eine Einladungskarte mit diesem Bild darauf zu versenden, wenn wir
auch finden, dass er seine Kompetenzen überschritt, als er sich da
einmischte. Was uns aber wirklich schockierte: dass ein Vorstand des LSVD
diese Entscheidung unterstützte. Dadurch wird sexuelle Politik zu sehr zu
einem politischen Kompromiss und hat nichts mehr mit Sexualität zu tun.
Gibt es ein Denkmal, das Sie gerne noch realisieren würden?
Wir haben ein nicht realisiertes Monument für eine Ausstellung in San
Francisco entworfen. Die Ausstellung bestand aus Vorschlägen für ein neues
"Amerika-Monument" - hypothetische Denkmalentwürfe, die die gegenwärtige
amerikanische Identität darstellen. Unser Vorschlag war eine Textskulptur
für das Freie, in der berühmten Schrift von Robert Indiana, da sollte
stehen: SHORT TERM MEMORY. Ja, ein Denkmal für das Kurzzeitgedächtnis wäre
toll.
INTERVIEW: STEPHANIE WURSTER
27 May 2008
## TAGS
Kunst im öffentlichen Raum
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