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# taz.de -- Einweihung des Homo-Mahnmals: Der Kuss im Busch
> In Berlin wird das Mahnmal für die im Nationalsozialismus verfolgten
> Homosexuellen eingeweiht. Das Kuss-Video sorgte schon vorab für Prüderie.
Bild: DIESER Kuss ist es nicht, der jetzt die Gemüter bewegt.
Kein Ort könnte für dieses Mahnmal passender sein - präzise gegenüber des
Holocaust-Stelenfeld am Brandenburger Tor in Berlin. Am Saum des dort
beginnenden Tiergartens. 20 Meter verborgen im Gebüsch. Gut versteckt in
den Rüschen der Grünanlage, mit denen die Zeremonie zur Eröffnung dieser
vergangenheitspolitischen Geste eingerahmt wird. Heute wird dort ein
mächtiger Quader zur Erinnerung an den NS-Terror gegen homosexuelle Männer
enthüllt. Anders als beim Mahnmal zur Erinnerung an den Mord an den
europäischen Juden wird Bundespräsident Horst Köhler nicht dabei sein; mit
Kulturstaatsminister Bernd Neumann als höchstem Vertreter der Regierung
müssen die Einladenden vorlieb nehmen, Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit
kommt ohnehin.
Noch ist die Stele in einem Holzverschlag verhüllt, aber soviel Details
sind bekannt geworden: In dem Block wird eine Videofilmschleife
installiert, die durch ein Guckloch bestaunt werden kann. Zu sehen sind in
dem Filmchen zwei einander küssende Männer. Diese intime Geste ist die
Pointe des Entwurfs der beiden skandinavischen Künstler Michael Elmgreen
und Ingar Dragset. "Der Kuss der beiden Männer ist der Kern des Denkmals",
so Elmgreen im Interview mit dem Berliner Stadtmagazin Zitty, denn ein Kuss
stelle immer noch die konservativ-soldatische Vorstellung von Männlichkeit
in Frage. "Zwei küssende Frauen werden", so sein Kompagnon Ingar Dragset,
"in Heteropornos als Standardfantasie genutzt, so, als ob sie Teil der
heterosexuellen Welt seien. Das wird mit Männern nie so sein."
Und eben diesen Kern des Denkmals unterschlug der CDU-Politiker Neumann in
seiner offiziellen Einladung. Der Wunsch der Künstler wie eines Gros der
DenkmalinitiatorInnen wäre gewesen, dass aus dem Haus des
Kulturstaatsministers Einladungskarten mit den küssenden Männern versehen
werden. Aber das wurde abgelehnt, und dafür habe, so die Kritik der beiden
Künstler, auch Günter Dworek nicht gekämpft, Funktionär des rührigen
Lesben- und Schwulenverbandes und Sprecher des Projekts zum Homomahnmal.
Aber es sei, dem Vernehmen nach, darauf nicht angekommen - ein Kuss oder
keiner. Als wichtiger müsse gelten, dass der Stein überhaupt
staatsoffiziell, wenn auch durch B-Personal, eingeweiht werde. Die
Geschichte seiner Realisation ist lang genug, die Umstände gleichen einer
ungern gehörten Tragödie. Anfang der Neunziger scheiterte die homosexuelle
Gedenkortinitiative zunächst am Furor, mit dem sich die Republik mit dem
Holocaustmahnmal auseinandersetzte. Dann wurde, noch unter Rot-Grün, ein
Bundestagsbeschluss gefasst, dieses Mahnmal zu bauen. Die Union freilich
lehnte ab - man versteht sich im Kern als unausgesprochen homophob. Der
Kulturstaatsminister musste diesen Klotz trotzdem unter seine Fittiche
nehmen. Aber ein Kuss auf einer Einladungskarte wäre zu viel gewesen:
Früher waren es Kommunisten und Sozialdemokraten, die in ihrem
Antifaschismusbegriff keinen Platz für warme Brüder hatten, heute zieren
sich Konservative. Aber mit schlechtem bundesdeutschem Grund. Der Paragraph
175 in der von den Nationalsozialisten verschärften Fassung hatte noch bis
1969 Gültigkeit - nicht nur theoretisch. Tausende von erwachsenen Männern
sind in der Zeit der sexualpolitisch bleiernen Jahre der Adenauerära ins
Gefängnis gebracht worden - denunziert von den gleichen Milieus, die auch
schon den Nazis und ihrer Gestapo zuarbeiteten.
Das Bundesverfassungsgericht lehnte noch 1956 die Klage Homosexueller auf
Entschädigung für erlittenes NS-Unrecht ab - sie seien zu Recht verurteilt
worden. Faktisch bedeutete das eine Nobilitierung des NS-Terrors, bei dem
tausende Männer ums Leben kamen, in KZs wie Oranienburg, in
Strafarbeitslagern und per Todesurteil beim Militär.
Die Urteile der bundesdeutschen Justiz wurden niemals aufgehoben, eine
Geste der Entschuldigung für die schwarzbraune Moraljustiz fehlt immer
noch. Insofern ist dieses Mahnmal auch topographisch ein adäquates Stück
Vergangenheitssymbolik inmitten von Knallerbsensträuchern. Nicht so
offiziös platziert wie das Gedenken an die Juden, mehr im Unsichtbaren,
Gebüschhaften.
Den Konservativen ist das gefällig. Schwule und Lesben sind ihnen am
liebsten, wenn man sie nicht erkennen kann. Die Installation bringt alle in
die Klemme, die sich vor mann-männlichen Küssen ekeln. Elmgreens und
Dragsets Stein ist ein Meisterwerk an enthüllendem Feinsinn.
27 May 2008
## AUTOREN
Jan Feddersen
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