# taz.de -- Linke und Konservative gegen den EU-Vertrag: Zwei haben ein Ziel | |
> Peter Gauweiler von der CSU und Gregor Gysi von der Linkspartei haben | |
> etwas gemeinsam:Beide wollen die Lissabon-Reform der EU stoppen. Wie | |
> argumentiert Karlsruhe? | |
Bild: Gregor Gysi: "Ich bin wirklich Anhänger der europäischen Integration" | |
Die Karlsruher Maschinerie beginnt zu laufen. Gegen den Vertrag von | |
Lissabon, mit dem sich die EU neue, effizientere Strukturen geben will, | |
laufen immer mehr Klagen beim Bundesverfassungsgericht ein. Die Richter | |
haben Regierung, Bundestag und auch Bundespräsident Horst Köhler zu | |
Stellungnahmen aufgefordert. Und sie erwarten fixe Antworten. Schon am | |
Montag endet die erste Frist. | |
Bisher sind neun Klagen in Karlsruhe eingegangen. Der bekannteste | |
Beschwerdeführer ist CSU-Querkopf Peter Gauweiler. Auch der Vorsitzende der | |
konservativ-ökologischen ÖDP, Klaus Buchner, ist dabei. Gestern zog die | |
Linke nach und stellte in Berlin gleich zwei Verfassungsklagen vor. Gregor | |
Gysi und seine Fraktion sehen eine Verletzung von Parlamentsrechten. Dieter | |
Dehm, Liedermacher und europapolitischer Sprecher der Linken, hat als | |
Bürger eine Verfassungsbeschwerde eingelegt. | |
"Ich bin wirklich Anhänger der europäischen Integration", sagte Gysi | |
gestern, deshalb wolle er, "dass die große Mehrheit Ja zu Europa sagt". In | |
den beiden rund 60-seitigen Klagen wird vor allem die mangelnde Demokratie | |
in Europa gerügt. Doch es gibt Kritik an der Klage der Linken. Sie arbeite | |
mit "geradezu böswilligen" Interpretationen des Vertrags (siehe Interview). | |
Bei Gauweiler steht dagegen die deutsche Souveränität im Mittelpunkt der | |
Klage. Er findet, dass durch die Zustimmung zum Reformvertrag "die | |
sourveräne Staatlichkeit" Deutschlands aufgegeben werde. Dass die EU schon | |
längst wie ein Staat agiere, hat sein Prozessbevollmächtiger Karl Albrecht | |
Schachtschneider auf 348 Seiten niedergeschrieben. Das war wohl selbst | |
Gauweiler etwas zu viel. Deshalb hat er beim Freiburger Rechtsprofessor | |
Dietrich Murswieck noch ein zweites Gutachen besorgt, mit nur 140 Seiten. | |
Die Klagen von Linken und Rechten überschneiden sich vor allem bei der | |
Kritik am vermeintlichen Demokratiedefizit der EU. Auch bei der | |
Argumentation, warum überhaupt einzelne Bürger gegen einen | |
völkerrechtlichen Vertrag klagen können, gehen Linke und Rechte den | |
gleichen Weg: Das Wahlrecht zum Bundestag werde entwertet, wenn die EU | |
immer mehr Kompetenzen erhalte. | |
Gauweiler hat auch einen Eilantrag gestellt. Der Bundespräsident soll den | |
Lissabon-Vertrag, dem im Mai bereits Bundestag und Bundesrat zugestimmt | |
haben, nicht unterschreiben. Denn erst dann wäre Deutschland | |
völkerrechtlich gebunden. Bis zum 30. 6. soll unter anderem Horst Köhler | |
selbst dazu Stellung nehmen, baten die Verfassungsrichter. Vermutlich wird | |
Köhler mitteilen, dass er die Karlsruher Entscheidung abwarten werde. So | |
war es schon 2005, als Gauweiler erstmals gegen EU-Reformen zu Felde zog. | |
Damals klagte er gegen die geplante EU-Verfassung, den Vorläufer des | |
Lissabon-Vertrags. | |
Bis zum 30. Juli müssen dann die Stellungnahmen zu den Klagen selbst | |
eingehen. Die Richter haben es also wirklich eilig. Man könnte meinen sie, | |
wollen den Europapolitikern unbedingt noch Vorgaben mit auf den Weg geben. | |
Voraussichtlich im Herbst wird nämlich auf einem EU-Gipfel entschieden, wie | |
es nach der Niederlage bei der irischen Volksabstimmung mit dem Vertrag von | |
Lissabon weitergeht. Für dieses Szenario spricht, dass der als EU-Skeptiker | |
bekannte Verfassungsrichter Udo Di Fabio das Verfahren in Karlsruhe | |
betreut. | |
Denkbar ist aber auch, dass Karlsruhe einfach möglichst schnell die Klagen | |
erledigen und ablehnen will - damit Köhler den Vertrag bald ratifizieren | |
und Deutschland dem EU-Projekt neuen Schwung geben kann. | |
27 Jun 2008 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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