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# taz.de -- Nato-Diplomatie versagte im Fall Georgien: Washington gab grünes L…
> Für Georgien rückt eine Aufnahme in die Militärallianz mit dem Krieg im
> Kaukasus in weite Ferne. Das Land hatte sich vor dem Einmarsch die
> Erlaubnis der Bush-Administration geholt.
Bild: Georgier demonstrieren am Dienstag vor dem Nato-Hauptquartier in Brüssel.
GENF taz Seit dem Ende des Kalten Krieges vor knapp 20 Jahren, dem Zerfall
des Warschauer Paktes und der Sowjetunion, propagiert die übrig gebliebene
Militärallianz der Nato ihre "neue politische Rolle". Gestern demonstrierte
die Nato erneut, wie leer diese Formel bis heute geblieben ist und dass die
Allianz der inzwischen 27 Staaten hilflos, gespalten und handlungsunfähig
ist angesichts des aktuellen heißen Krieges am Kaukasus. Die für den späten
Vormittag im Brüsseler Hauptquartier der Allianz anberaumte Sitzung des
Nato-Russland-Rates wäre das für die Behandlung des Kaukasus-Konflikts
wichtigste Treffen gewesen. Doch es wurde kurzfristig abgesagt. Grund der
Absage waren nach Angaben eines Nato-Sprechers nicht näher erläuterte
"Zeitprobleme und Schwierigkeiten bei der Vorbereitung".
Tatsächlich hatte die Bündnismacht USA das Treffen mit dem Vertreter
Russlands blockiert. Zu einer vorbereitenden Sitzung am Morgen erschien die
US-Delegation nicht. Nach Absprache mit der Bush-Administration hatte zuvor
die georgische Außenministerin Eka Tkeschelaschwili ihre angekündigte
Teilnahme mit Verweis auf die Lage in ihrer Heimat abgesagt. Von der für
gestern Nachmittag anberaumten Sitzung des Nato-Rates - ohne Russland -
erwarteten Brüsseler Diplomaten im besten Fall einen gemeinsamen, politisch
ausgewogenen Appell an die Regierungen in Moskau und Tiflis für eine
dauerhafte Waffenruhe und die Aushandlung einer politischen Lösung des
Konflikts.
Für Kritik und Schuldzuweisungen an die eine oder die andere Seite fehlt
der für derartige Erklärungen erforderliche Konsens unter den 27
Mitgliedsstaaten. In den Vorgesprächen der letzten Tage in der Brüsseler
Zentrale sowie zwischen den Hauptstädten drangen zwar vor allem die USA,
Polen und die drei baltischen Staaten auf eine Verurteilung der russischen
Kriegshandlungen sowie auf eine Bekräftigung der Beitrittsperspektive für
Georgien und die Ukraine, die der Nato-Gipfel Anfang April in Bukarest
beschlossen hatte. Unterstützung finden diese Forderungen auch in Prag und
Budapest. Doch eine Mehrheit der 27 Nato-Mitglieder unter Führung
Deutschlands und Frankreichs wollen "vermeiden, Öl ins Feuer zu gießen",
wie der Brüsseler Vertreter eines dieser Staaten gegenüber der taz
erklärte. Zumindest hinter verschlossenen Türen räumen Nato-Diplomaten
inzwischen ein, dass der Beschluss des Bukarester Gipfels für eine
Beitrittsperspektive Georgiens zu der Eskalation beigetragen hat, die jetzt
zum Krieg geführt hat. So habe der Beschluss den georgischen Präsidenten
Michail Saakaschwili zu verschärfter Rhetorik gegenüber Moskau und den
Führern der abtrünnigen Provinz Südossetien ermutigt und zu dem Versuch,
diese Provinz mit militärischen Mitteln zurückzuerobern. Für dieses
Vorgehen hat Saakaschwili nach Angaben von Nato-Diplomaten verschiedener
west- wie osteuropäischer Mitgliedsstaaten in den letzten Monaten
"zahlreiche Signale der Unterstützung aus Washington erhalten".
Diese Diplomaten gehen davon aus, dass die Bush-Administration die Gefahr
einer militärischen Reaktion Russlands entweder unterschätzt, oder dass sie
sie bewusst einkalkuliert hat. Aus Berlin und anderen europäischen
Hauptstädten sowie vom Nato-Mitglied Kanada wurde dem georgischen
Präsidenten in den letzten Monaten allerdings klar bedeutet, dass er trotz
der im April eröffneten Beitrittsperspektive für sein Land bei einem
militärischen Vorgehen in Südossetien nicht mit der Unterstützung der Nato
rechnen könne. Die beiden ehemaligen Sowjetrepubliken Georgien und Ukraine
wurden auf dem Nato-Gipfel Anfang April in Bukarest zwar noch nicht - wie
damals von den USA verlangt - in den sogenannten Aktionsplan für die
Mitgliedschaft (MAP) aufgenommen. Das hatten in erster Linie Deutschland
und Frankreich abgelehnt. Dennoch erhielten die Regierungen in Tiflis und
Kiew vom Gipfel eine festes Versprechen für die Mitgliedschaft zu einem
späteren Zeitpunkt. "Die Ukraine wird in der Nato sein, das ist ein
historisches Ereignis", jubilierte Präsident Viktor Juschtschenko damals.
Der polnische Außenminister Radosly Sikorski erklärte, der Nato-Beitritt
Georgiens und der Ukraine sei nun "unabwendbar". Auch sein deutscher
Amtskollege Frank-Walter Steinmeier begrüßte den Bukarester Gipfelbeschluss
seinerzeit als "Signal, dass Georgien und die Ukraine auf dem Weg in
Richtung Nato sind, und dass wir uns eine Mitgliedschaft wünschen".
Nach dem in Bukarest vereinbarten Verfahren soll der Rat der
Nato-Außenminister im Dezember dieses Jahres die Fortschritte beider Länder
bei der Erfüllung der Nato-Beitrittskriterien überprüfen. Bis zu Beginn des
Kaukasus-Krieges am letzten Freitag waren die Regierungen in Kiew und
Tiflis auch in öffentlichen Stellungnahmen davon ausgegangen, dass der
Nato-Rat im Dezember auch die formelle Aufnahme in den Aktionsplan für die
Mitgliedschaft beschließt.
"Daraus wird nun mit Sicherheit nichts, selbst wenn die USA und
osteuropäische Mitgliedsstaaten darauf drängen sollten", erklärte ein
westeuropäischer Nato-Diplomat gestern gegenüber der taz. Möglicherweise
werde sogar das in Bukarest beschlossene Verfahren "auf unbestimmte Zeit
verschoben".
13 Aug 2008
## AUTOREN
Andreas Zumach
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