# taz.de -- Russland beendet Kämpfe offiziell: Hin und Her statt Waffenstillst… | |
> Offiziell hat Russland das Ende des Krieges um Ossetien verkündet. Ob | |
> weitergekämpft wird, ist unklar. Doch eine russische Besetzung Georgiens | |
> scheint ausgeschlossen. | |
Bild: Die Menschen in Georgien hoffen auf eine Beruhigung der Lage. | |
Nachdem Russland zumindest offiziell die "Militäroperation" in der | |
georgischen Provinz Südossetien für beendet erklärt hat, sind weitere | |
Kämpfe nicht ausgeschlossen. Dennoch: Die russische Armee wird keine | |
Anstalten machen, Georgien insgesamt zu besetzen, und hat offenbar auch | |
nicht vor, die strategische Ölpipeline von Baku über Tiflis bis an den | |
türkischen Mittelmeerhafen Ceyhun lahmzulegen, über die Europa und die USA | |
unabhängig von Russland Öl und Gas aus dem Kaspischen Meer beziehen. | |
Gekämpft wurde nach der Erklärung des russischen Präsidenten Dmitri | |
Medwedjew noch in Abchasien. Dort, in der zweiten, ungleich größeren | |
Provinz, die sich ebenfalls 1992 von Georgien für unabhängig erklärt hatte, | |
gab der Führer der Abchasen, Juri Bagapsch, bekannt, seine Truppen hätten | |
am Dienstag begonnen, georgische Truppen, die seit 2006 einen Teil | |
Abchasiens besetzt hielten, zu vertreiben. Die georgischen Soldaten, hieß | |
es, seien in ihren Stellungen im Kodorital eingekreist und müssten über | |
kurz oder lang ihre Positionen räumen. | |
Bis Dienstag Nachmittag blieb unklar, ob tatsächlich, wie von Saakaschwili | |
behauptet, alle georgischen Truppen Südossetien verlassen hatten. Genauso | |
unklar blieb die Situation in der georgischen grenznahen Stadt Gori. | |
Meldungen, russische Truppen hätten Gori besetzt und bereiteten von dort | |
einen weiteren Vormarsch auf die georgische Hauptstadt Tiflis vor, schienen | |
eher georgische Propaganda zu sein. Tatsächlich aber war Gori in den | |
letzten Tagen sowohl aus der Luft wie von russischer Artillerie schwer | |
beschossen worden und russische Bodentruppen waren wohl auch zeitweilig bis | |
in die Randbezirke der Stadt vorgestoßen. Gestern Nachmittag wurden von | |
dort keine Kämpfe mehr gemeldet. | |
Wie viele andere georgische Städte in den letzten fünf Tagen bombardiert | |
wurden, ist bislang von keiner unabhängigen Instanz überprüft worden. Auch | |
ob es sich bei den russischen Luftangriffen um militärisch relevante Ziele | |
oder um Bombenterror gegen die Bevölkerung gehandelt hat, wie Michail | |
Saakaschwili und US-Präsident Bush behaupteten, wird sich erst in den | |
nächsten Tagen zeigen. Ganz ohne Zweifel aber ist die Zivilbevölkerung | |
sowohl in Südossetien als auch in Georgien der große Leidtragende des | |
Krieges. Mehr als 100.000 Menschen, so die UNO, seien infolge des Krieges | |
auf der Flucht. Die Meldungen über die Todesopfer schwanken zwischen 200, | |
so die georgische Seite, und 2.000, wie Ministerpräsident Putin behauptet. | |
Der finnische Außenminister und derzeitige Vorsitzende der OSZE | |
(Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa), Alexander | |
Stubb, der zusammen mit seinem französischen Kollegen Kouchner seit | |
Montagnachmittag in Moskau verhandelt, sagte der BBC, die knapp 200 | |
Angehörigen der OSZE-Mission in Georgien könnten mit den Vorbereitungen für | |
die Durchführung eines Waffenstillstands beginnen und sich dann selbst | |
einen Überblick über die Bilanz des Krieges verschaffen. | |
Doch bevor es zu einem verbindlichen Waffenstillstand und einer | |
Truppenentflechtung kommt, über die der französische Präsident Nikolas | |
Sarkozy gestern mit Dmitri Medwedjew sprach, wird Russland Georgien einen | |
hohen Preis für seinen Angriff auf die südossetische Hauptstadt Zchinwali | |
zahlen lassen. Dazu wird zwar nicht die ursprüngliche Forderung nach einem | |
Rücktritt von Michail Saakaschwili gehören, auch wenn die Russen betonen, | |
sie werden mit dem georgischen "Kriegsverbrecher" nicht mehr verhandeln, | |
aber Georgien wird Garantien dafür abgeben müssen, zukünftig keinerlei | |
Versuche mehr zu unternehmen, die beiden abtrünnigen Provinzen Südossetien | |
und Abchasien wieder unter seine Kontrolle zu bringen. Russland wird | |
versuchen, in einem Abkommen die militärischen Möglichkeiten Georgiens zu | |
begrenzen und womöglich auch einen Nato-Beitritt Georgiens auszuschließen. | |
Ob Michail Saakaschwili den Krieg um Südossetien politisch überlebt, ist | |
ebenfalls höchst zweifelhaft. Auch wenn er jetzt nicht auf russischen Druck | |
gehen muss, wenn die Wogen der Empörung über Russland in Georgien sich | |
etwas gelegt haben, werden die Leute fragen, wer ihnen das Desaster | |
eingebrockt hat. | |
13 Aug 2008 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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