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# taz.de -- Skandal um das Atomlager Asse: Ein Debakel ohne Schuldige
> Die Asse wird nun auch offiziell ein Atommüllendlager, betrieben vom
> Bundesamt für Strahlenschutz. Ein Schließungskonzept soll bis Jahresende
> vorliegen.
Bild: Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) wettert gegen die Atomlobby: Auch spr…
Ein Thema, zwei sehr verschiedene Ministerauftritte: Am Dienstag hatte sich
bereits Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) ausführlich und empört
über das Atommülllager Asse geäußert: Die "gefährlichste Atomanlage
Europas" sei ein "GAU für die Endlagerfrage". Forschungsministerin Annette
Schavan (CDU) trat am Donnerstag hingegen ausgesprochen zurückhaltend und
kurz vor die Presse.
"Gewachsene Anforderungen" sprächen dafür, "zusätzliche Kompetenzen" in den
Betrieb der Asse einzubringen - so umschrieb Schavan eine weitreichende
Entscheidung: Der marode Salzstock mit seinen 126.000 strahlenden Fässern
gilt künftig nicht mehr als Forschungsbergwerk, sondern als offizielles
Endlager. Das Helmholtz-Zentrum wird als Betreiber abgelöst durch das
Bundesamt für Strahlenschutz (BfS); damit wechselt die Verantwortung für
die Asse von Schavan zu Gabriel. Noch im September soll dies durch eine
Kabinettsentscheidung umgesetzt werden.
Der Beschluss sei im Konsens gefallen, betonte Schavan. Doch hinter den
Kulissen hatte die Union zuvor versucht, eine Übertragung der Asse an das
BfS zu verhindern - aus Sorge, dass Gabriel die katastrophalen Zustände in
der Atomdebatte instrumentalisieren könnte. Als Alternative war nach
taz-Informationen zum einen das dem Wirtschaftsminister unterstellte
Bundesamt für Geologie im Gespräch, zum anderen die Energiewerke Nord, die
die ostdeutschen AKWs zurückbauen und dem Finanzministerium unterstellt
sind.
Nun hat doch das atomkritische Umweltministerium den Machtkampf gewonnen
und die Verantwortung übertragen bekommen. Die Atomlobby ist alarmiert -
sie fürchtet die Auswirkungen des Asse-Debakels auf ihre Pläne, die
Atomkraftwerke länger laufen zu lassen und Gorleben als Endlager für
hochradioaktiven Müll festzulegen. Gabriel nutze die Asse, "um das ganze
Thema Endlager zu diskreditieren", sagte der Geschäftsführer des Deutschen
Atomforums, Dieter Marx, im Deutschlandfunk. Gabriel reagierte empört auf
diese Unterstellung. Auch "sprachlicher Müll", wie Marx ihn von sich gebe,
gehöre "endgelagert", sagte der Minister der taz. "Die Menschen haben es
satt, dass Lobbyisten mit ihrer Gesundheit Schindluder treiben." Die
Probleme der Asse zeigten, dass eine sorgfältige, ergebnisoffene
Standortsuche erforderlich sei. Wer dies nicht akzeptiere, dürfe auch keine
längeren AKW-Laufzeiten fordern.
Während sowohl Schavan als auch Gabriel eine Vergleichbarkeit der Asse mit
Gorleben zurückwiesen, sehen die Grünen das anders: "Die Asse galt immer
als Vorbild für Gorleben", sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende
Bärbel Höhn. Hans-Kurt Hill von der Linksfraktion forderte ebenfalls, die
Vorfestlegung auf Gorleben aufzugeben. Auch die Umweltverbände sehen sich
in ihrer Kritik bestätigt (siehe unten).
Der jüngste Statusbericht zu Asse hatte zahlreiche Mängel und
Verfahrensverstöße aufgezeigt (taz von Dienstag). Neben 120.000 Fässern mit
mittel- und schwachradioaktivem Müll befinden sich dort auch mehrere Kilo
des hochgiftigen Plutoniums. In den Salzstock fließt schon seit den
60er-Jahren Salzlauge, die die Stabilität des Lagers bedroht. Auch eine
Gefahr für das Grundwasser durch radioaktive Lauge wird nicht
ausgeschlossen.
Wie es nun in der Asse weitergeht, ist offen. Ein neues Gutachten soll bis
Oktober ermitteln, wie viel Zeit bis zum Einsturz des Bergwerks bleibt.
Bisher ist die Stabilität nur bis 2014 gewährleistet, doch Gabriel hofft
auf Aufschub. Spätestens zum Jahresende soll ein weiteres Gutachten
vorliegen, das die Optionen für die Stilllegung der Asse vergleicht. Neben
der bisher geplanten Flutung mit Salzlösung soll auch eine Verfüllung mit
Beton und eine Rückholung des Atommülls aus dem maroden Bergwerk geprüft
werden. Das BfS als neuer Betreiber lehnte eine Stellungnahme zu diesen
Plänen ab.
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig prüft nun Ermittlungen gegen die
bisherigen Betreiber, in der bisherigen Aufsichtsbehörde, dem
niedersächsischen Bergamt, wurden außerdem zwei Disziplinarverfahren
eingeleitet. Die politische Verantwortung aber weisen alle Beteiligten von
sich. Auch Annette Schavan reagierte auf die Frage nach der Schuld mit
kurzem Zögern - und der Aussage: "Wir haben uns auf die Zukunft
konzentriert."
5 Sep 2008
## AUTOREN
Malte Kreutzfeldt
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verantwortlich ist - die Experten und das Fachpersonal vor Ort werden
mangels Ersatz dieselben sein.
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wurde.
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